Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
SPD will zwölf Euro Mindestlohn
Abstand zu den Durchschnittslöhnen soll kleiner werden
BERLIN (dpa) - Die SPD will sich für eine Erhöhung des Mindestlohns in Deutschland auf zwölf Euro starkmachen. Das sagte Finanzminister Olaf Scholz am Wochenende in Berlin. „Wir wollen als Allererstes in Deutschland einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens zwölf Euro einführen, um sicherzustellen, dass jeder den Respekt bekommt, den er für seine Arbeit auch tatsächlich verdient“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat bei einer Parteiveranstaltung zur Vorbereitung des Bundestagswahlkampfs 2021.
Bereits seit Jahren fordert Scholz einen Mindestlohn von zwölf Euro. Nun erneuerte der Finanzminister die Forderung kurz vor der erwarteten Evaluation des Mindestlohngesetzes. Im Mindestlohngesetz ist festgeschrieben: „Dieses Gesetz ist im Jahr 2020 zu evaluieren.“Erwartet wird, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) diese Bewertung der Lohnuntergrenze durch Experten in den kommenden Tagen präsentiert.
Heil hatte bereits angekündigt, dass er auf Basis dieser Bewertung vorschlagen will, wie eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns zustandekommen kann. Auch Heil hatte sich dabei bereits für zwölf Euro ausgesprochen und dies etwa Ende Oktober als „ein erreichbares Etappenziel“bezeichnet. „Fünf Jahre nach der Einführung entspricht der Mindestlohn immer noch 46 Prozent des Durchschnittseinkommens“, hatte er da gesagt. Mit zwölf Euro würde die Schere zu den Durchschnittslöhnen, die in Deutschland gerade bei 19,76 Euro lägen, deutlich verkleinert.
In der „Bild am Sonntag“versprach Heil rasches Handeln. Er wolle seine Vorschläge im Januar vorlegen. „Macht der Koalitionspartner bei der
Umsetzung mit, wird die Mindestlohnkommission ab 2022 nach den geänderten Kriterien verhandeln.“Er wolle ein zusätzliches Kriterium für die Mindestlohnfestlegung einführen. Denn die Mindestlohnentwicklung hinke der Lohnentwicklung hinterher. „Künftig soll auch der mittlere Lohn als Orientierungsgröße berücksichtigt werden“, kündigte der Minister an. Er wolle, dass 60 Prozent des mittleren Lohns als Ziel im Mindestlohngesetz verankert werden. Das entspräche derzeit zwölf Euro.
Zum 1. Januar steigt der Mindestlohn auf 9,50 Euro. Zum 1. Juli 2021 wird er auf brutto 9,60 Euro pro Stunde,
zum 1. Januar 2022 auf 9,82 und zum 1. Juli 2022 auf 10,45 Euro angehoben. Diese vom Bundeskabinett beschlossenen Stufen hatte die Mindestlohnkommission empfohlen. Dort sind vorrangig Vertreter der Arbeitgeber und der Gewerkschaften vertreten.
Die Anpassungen, die die Kommission vorschlägt, folgen in erster Linie der Tarifentwicklung, also der Einkommensentwicklung durch vorangegangene Tarifabschlüsse. Gewerkschaften fordern seit Längerem einen gesetzlichen Schritt, um die Lohnuntergrenze einmalig auf ein höheres Niveau anzuheben, sodass die
Mindestlohnkommission weitere Anpassungen dann auf diesem Niveau künftig nach den bereits geltenden Regeln empfehlen kann. Derzeit liegt die Lohnuntergrenze bei 9,35 Euro brutto.
Der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, sprach sich ebenfalls für zwölf Euro Mindestlohn oder mehr aus. Der gesetzliche Mindestlohn hat sich seiner Ansicht nach bewährt. „Viele Millionen Menschen haben davon profitiert. Die befürchteten Massenentlassungen sind ausgeblieben. Umso wichtiger, dass der Mindestlohn zügig erhöht wird“, sagte er.