Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Verwirrung um Bewerbungen für Kreisimpfzentrum
Kreis Ravensburg stellt keine ehrenamtlichen Helfer ein – Mangel an impfberechtigtem Personal
RAVENSBURG - Für den Betrieb des Kreisimpfzentrums in Ravensburg haben der Landkreis und das Sozialministerium freiwillige Helfer gesucht. Doch über den Bewerbungsvorgang gab es zuletzt Beschwerden. Viele Bürger boten ihre Hilfe an und warteten teilweise lange auf eine Rückmeldung zum weiteren Vorgehen. Die Folgen sind offene Fragen, Ungewissheit und Verwirrung unter denen, die bereit wären zu helfen. Bei Engagierten werde der Eindruck erweckt, dass der Bedarf an Helfern nicht groß ist, so eine SZ-Leserin. Zwei Bewerber schildern ihre Erfahrungen.
Eine pensionierte Realschullehrerin hat ihre Mithilfe im Kreisimpfzentrum im Verwaltungsbereich dem Regierungspräsidium Tübingen (RP) angeboten. Sie habe bereits am 15. Dezember ihre Bewerberunterlagen per Post an das RP gesendet. „Bis zum 27. Dezember kam keine Rückmeldung. Weder eine Eingangsbestätigung noch eine sonstige Rückmeldung“, berichtet die ausgebildete Pädagogin. Ihr Eindruck: „Brauchen die niemanden?“Daraufhin habe sie sich beim Landkreis als ehrenamtliche Helferin beworben.
Am vergangenen Dienstag habe sie dann eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erreicht – von einer ihr unbekannten Firma. In dieser heißt es: „Wir weisen Sie darauf hin, dass es sich hier um eine vorläufig bis zum 30. Juni 2021 befristete Tätigkeit handelt und die Anstellung steuerrelevant ist.“Weder auf der Homepage des Sozialministeriums noch auf der des Landratsamtes Ravensburg sei für sie ersichtlich gewesen, dass es um eine Stellenbewerbung geht. Sie wolle nur ihre Unterstützung anbieten und keine neue Stelle antreten.
Das RP erklärt die entstandene Verwirrung wie folgt: „Wir nehmen die Bewerbungen an und senden die Anfragen jeweils an das zuständige Kreisimpfzentrum“, so Pressesprecher Dirk Abel. Eine Zusammenarbeit mit der Firma bestehe nicht. Weil der Landkreis Betreiber des Impfzentrums sei, müsste sich die Verwaltung bei den Bewerbern melden. Bei der Online-Anmeldung gebe es ein Formular, das zusätzlich die Datenschutzerklärungen regeln würde. „Ohne ein Einverständnis geben wir keine Daten weiter“, so Abel. „So auch im Fall der pensionierten Lehrerin.“Eine automatische Antwort verweise im Anschluss darauf, „dass sich das Kreisimpfzentrum bei Bedarf melden wird“. Dass Anfragen gerne mit einer Rückmeldung beantwortet werden, kann Abel nachvollziehen. Aber: „Bei so vielen Anfragen kann es auch möglich sein, dass es nicht immer eine Rückmeldung gibt.“
Landesweit haben sich 10 000 Bürger als freiwillige Helfer gemeldet, erklärt das RP am Donnerstag. Davon alleine 2000 für die Zentren im Regierungsbezirk Tübingen.
Das Landratsamt teilt mit, dass persönliche Bewerberdaten nicht weitergegeben werden. „Wir arbeiten nicht mit einer externen Agentur zusammen“, erklärt eine Sprecherin des Kreises. Sie habe keine Erklärung, warum sich eine externe Firma bei der Bewerberin gemeldet hat. Eine Erklärung, woher die Firma die Daten hat, gibt es bislang nicht. Die SZ hat beim Sozialministerium angefragt, ob die Firma bekannt ist. „Das Ministerium für Soziales und Integration arbeitet nicht mit dem von Ihnen erwähnten Unternehmen zusammen“, heißt es von deren Seite.
Peter Gessler hat ähnliche Erfahrungen gemacht. „Es ist ein Drama“, erklärt der eigenständige Bauingenieur, der ehrenamtlich helfen wollte. Dabei hatte er folgenden Grundgedanken: Er wollte an den Wochenenden ehrenamtlich unterstützen.
Eine Aufwandsentschädigung über fünf Euro pro Stunde wäre für ihn gerecht gewesen. Die wolle er an ein soziales Projekt in Uganda spenden, „damit auch die ärmeren Regionen der Welt unterstützt werden“.
Das Landratsamt habe sich zwei Tage nach seiner Anfrage gemeldet, ihn aber auf weitere erklärende Details zum Einsatz warten lassen. Seit Donnerstag weiß er aber, dass er nicht beim Betrieb des Impfzentrums helfen wird. Ihm sei vom Landratsamt gesagt worden, dass jeder Helfer einen Arbeitsvertrag benötige. Ehrenamtliche Mitarbeiter ohne Bezahlung werde es nicht geben, sagt Gessler. Der Landkreis bestätigt diese Aussage. „Aus arbeitsrechtlichen, versicherungstechnischen und datenschutzrechtlichen Gründen ist diese Form für uns am sinnvollsten“, sagt eine Sprecherin. Gessler wurde eine 60-ProzentStelle angeboten, für sechs Monate befristet. „Weil ich privatversichert bin, würde ich aus der Versicherung fliegen aufgrund des Angestelltenverhältnisses“, sagt er. „Das geht steuertechnisch nicht und ich kann meinen Betrieb nicht für ein halbes Jahr schließen.“
Ein weiterer Grund für die Absage sei, dass er keinen Nachweis für eine
Ministeriumssprecher zum geschilderten Fall
Masernimpfung erbringen kann. Denn: Gessler hatte bereits die Masern und ist daher nicht geimpft. Eine Corona-Impfung sei allerdings nicht notwendig.
Er habe allerdings einen Rat bekommen, wie er doch ehrenamtlich helfen könnte: als Mitglied des Deutschen Roten Kreuzes. Doch das ist für Gessler nach eigenen Angaben keine Option, da er gleichzeitig Spenden für Uganda sammeln möchte.
Für den administrativen und logistischen Betrieb des Kreisimpfzentrums, das nicht mehr wie geplant am 15. Januar starten soll, sondern eine Woche später am 22. Januar, hat der Landkreis Personal gesucht und „in den vergangenen Wochen zahlreiche Unterstützungsangebote erhalten, sodass derzeit kein weiterer Personalbedarf besteht“, heißt es in einer Pressemitteilung des Landratsamts. Weiterhin werde aber dringend medizinisches Fachpersonal, insbesondere impfberechtigtes, wie Krankenpfleger und Ärzte, gesucht. Eine Anmeldung erfolgt direkt bei der Kassenärztlichen Vereinigung des Landes.
„Das Ministerium für Soziales und Integration arbeitet nicht mit dem von Ihnen erwähnten Unternehmen zusammen.“