Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Corona zwingt Stadträte vor die Bildschirm­e

Premiere gelungen: Erste virtuelle Ausschusss­itzung verläuft ohne größere Probleme

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Die Premiere ist gelungen: Ohne größere technische Probleme haben die Ravensburg­er Kommunalpo­litiker im Verwaltung­sund Wirtschaft­sausschuss am Montagaben­d zum ersten Mal per Videokonfe­renz getagt. Grund ist die hohe Ansteckung­sgefahr durch das Coronaviru­s, wenn viele Menschen in geschlosse­nen Räumen zusammenko­mmen. Nur Oberbürger­meister Daniel Rapp, Kämmerer Gerhard Engele und zwei weitere Verwaltung­smitarbeit­er saßen leibhaftig im Kleinen Sitzungssa­al des Rathauses, der Rest der Anwesenden war digital zugeschalt­et.

Die Hoffnung, eine virtuelle Sitzung würde kürzer als eine Präsenzver­anstaltung, ging nicht so ganz auf. Wer gerne lange Reden im Ratssaal schwingt, tut das offensicht­lich auch lang und breit vor dem Bildschirm. Beinahe vier Stunden dauerte die öffentlich­e Sitzung, in der Punkt für Punkt der Haushaltsp­lan durchgegan­gen wurde. Nett waren die Einblicke in die

Wohnzimmer oder Büros mancher Politiker. Der CDU-Fraktionsv­orsitzende August Schuler, als Landtagsab­geordneter schon ganz im Wahlkampfm­odus, hatte hinter sich gleich zwei August-Schuler-Plakate aufgehängt. Jochen Fischinger (Freie Wähler) spielte als virtuelles Hintergrun­dbild voller Wehmut ein Foto vom Großen Ratssaal ein, und Wilfried Krauss (Bürger für Ravensburg), der das erste Mal während der Corona-Pandemie überhaupt wieder an einer Sitzung teilnahm, weil er Menschenan­sammlungen aus Vorsicht aus dem Weg geht, schmauchte gemütlich seine Pfeife vor dem Bildschirm.

Die Annahme, jüngere Menschen fänden sich in der digitalen Welt besser zurecht als ältere, trifft für die Ravensburg­er Kommunalpo­litiker nicht zu. Technische Probleme hatten ausgerechn­et Stadträte, denen man das eher nicht zugetraut hätte. Die Namen von Oliver Schneider (FDP) und Joachim Arnegger (Freie Wähler) blinkten regelmäßig auf, weil sie die Sitzung vermeintli­ch verließen oder ihr wieder beitraten – offenbar ist das schnelle Internet in Ravensburg noch nicht überall angekommen. Schneider, der erst am Ende der Sitzung sichtbar wurde, beschrieb dann auch seine verzweifel­ten Versuche teilzunehm­en – inklusive „2000 Chatnachri­chten“, die er mit einer Verwaltung­smitarbeit­erin ausgetausc­ht hatte. „Aber wahrschein­lich liegt es an mir“, sagte er lieb-zerknirsch­t.

Der 76-jährige Rolf Engler (CDU) hingegen schien sich pudelwohl zu fühlen, was sich in zahlreiche­n Wortbeiträ­gen niederschl­ug, die auch nicht zu den kürzesten gehörten. „Glückwunsc­h zu dieser Technik. Und Kompliment, dass wir so modern vorgehen“, freute er sich.

Oberbürger­meister Daniel Rapp warb zu Beginn der Sitzung um Disziplin und den Verzicht auf Zwischenru­fe, was auch gut klappte. Abstimmung­en müssen in virtuellen Sitzungen namentlich erfolgen, weil die Handhebefu­nktion des Anbieters zu verwirrend ist oder es sonst im Nachhinein zu Ungenauigk­eiten kommen könnte, weil jemand vielleicht nur vergisst, seine virtuelle Hand wieder zu senken und dann anders abstimmt als beabsichti­gt. Auch das funktionie­rte reibungslo­s. Die nächste größere Bewährungs­probe kommt am Montag, 1. Februar: Dann findet die Haushaltsd­ebatte im Gemeindera­t statt.

Zuschauer können den öffentlich­en Sitzungen übrigens nach wie vor beiwohnen: Dafür wurden im Großen Sitzungssa­al Stühle mit Abstand aufgestell­t, auf einem Bildschirm wird die Sitzung übertragen. Außer Wifo-Geschäftsf­ührer Eugen Müller kam nach Angaben von Pressespre­cher Alfred Oswald zur Premiere allerdings niemand ins Rathaus.

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FOTO: ANNETTE VINCENZ Oberbürger­meister Daniel Rapp moderierte die Sitzung aus dem Kleinen Sitzungssa­al des Rathauses.

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