Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Was Eisenmann aus der Region „wissen will“
So macht die CDU-Spitzenkandidatin Wahlkampf in Corona-Zeiten
KREIS RAVENSBURG - In gut sechs Wochen ist Landtagswahl. Doch wie erreichen die Parteien und Kandidaten die Wählerinnen und Wähler, wenn es keine Veranstaltungen geben darf ? Eine mögliche Lösung haben die CDU und Susanne Eisenmann gefunden: Die Spitzenkandidatin „tourt“virtuell durchs Land. Am Montagabend war sie aus Stuttgart bei einer Online-Veranstaltung in Wangen zugeschaltet. Wie der Abend ablief, was die Themen waren und wie Zuschauer eingebunden wurden: Eine Bestandsaufnahme.
„Susanne Eisenmann will’s wissen“. Unter diesem Motto ist die Frontfrau der CDU derzeit nahezu täglich in einer anderen Stadt im Land „zu Gast“. Am Montagabend war dies in Wangen der Fall, wo bei der Firma Stender ein Studio aufgebaut worden war. In der Landeshauptstadt und auf dem Großbildschirm: Susanne Eisenmann. Am Moderatorentisch in Wangen und für das sich einschaltende Publikum ebenfalls auf dem Monitor zu sehen: der hiesige Landtagsabgeordnete und erneute CDU-Kandidat für den Wahlkreis Wangen-Illertal, Raimund Haser. Zu dem Wahlkreis gehören auch die Gemeinden Bergatreute, Wolfegg und Vogt.
Und die Spitzenkandidatin wollte laut Veranstaltungscredo nicht nur wissen, was die Menschen auf dem Herzen haben, sie versprach zugleich: „Echt Ehrlich Eisenmann“und „Garantiert kein Blabla.“Was inhaltlich vor zwischen 140 und nahezu 200 beziehungsweise laut CDU mehr als 200 Zuhörern folgte, war ein einstündiger thematischer Parforceritt durch nahezu sämtliche (landes-)politische Themen: Bildung, Verkehr, der Einklang von Wirtschaft und Natur oder von Wirtschaft und Sozialem, das christliche Menschenbild der Partei – und selbstverständlich: Eisenmanns viel diskutierte Forderung nach schneller Wiederöffnung von Kindergärten und Grundschulen.
Zu Beginn stellte Raimund Haser vor allem eigene Fragen, im Verlauf der Veranstaltung griff er zunehmend im Chat gestellte Fragen auf. Zunächst ging es um Bildung allgemein. Die Kultusministerin bekannte sich zum mehrgliedrigen Schulsystem, verteidigte die Stärkung der Realschulen, lobte die Gemeinschaftsschulen und sprach sich auch für den Fortbestand der Werkrealschulen aus. Begründung: Man dürfe nicht alle Kinder „über einen Kamm scheren“.
Dann lobte Haser den „starken Landesparteitag“vom Wochenende. Susanne Eisenmann nahm den Ball auf, um das dort verabschiedete 100Punkte-Regierungsprogramm zu erwähnen. Darin liefere die CDU „überraschende Antworten“, weil sie „manche Positionen überdacht habe“. Weiter in die Tiefe ging sie nicht.
Es folgte ein Bekenntnis zu Naturund Klimaschutz. Beide seien schon immer CDU-Themen gewesen. Wie das christliche Menschenbild nach wie vor Fundament der CDU-Politik bleibe: „Das dürfen wir auch nicht verlieren.“
Keine Prognose wagte Susanne Eisenmann, wann die Gesellschaft vom Corona-Ausnahmezustand zur gekannten Normalität zurückkehren könne. Wohl aber formulierte sie entsprechende Hoffnungen für den Sommer. Das Impfen werde helfen, wenngleich es noch am Impfstoff mangele, und mehr Tests täten bei der Bewältigung der Krise ebenfalls gut. Letztlich schlussfolgerte sie: „Wir brauchen Geduld, müssen noch länger Abstand halten und Mund-Nasen-Schutz tragen.“
Mangelnde Geduld werfen Kritiker der Kultusministerin bekanntlich bei der eigenen Corona-Politik vor: Ihre Forderung nach rascher Öffnung von Kitas und Grundschulen sei vorschnell. Susanne Eisenmann verteidigte dagegen ihre Linie. Gerade bei kleinen Kindern gebe es „massive psychische und soziale Verwerfungen“.
Die Veranstaltung hatte die Höchstteilnehmerzahl von rund 200 virtuellen Gästen gerade erreicht, als sie begründend klarstellte: „Die digitale Betreuung von Kleinkindern geht nicht – auch in den Grundschulen nicht.“Und: Wenn Notbetreuungen schon gut besucht seien, warum dürfe es dann keinen Unterricht geben?
Mit Thesen wie diesen erntete Susanne Eisenmann im Chat teils Zustimmung, aber auch viel Kritik. Von ihr nicht erwähnte Studien zur Infektionsgefahr durch Kinder wurden da in den virtuellen Raum geworfen, aber auch unklare Regelungen: Der Vater einer Grundschülerin aus dem Raum Wangen monierte, warum es „hier Online-Unterricht gibt, fünf Kilometer weiter aber nicht“.
Auch hier verteidigte die Spitzenkandidatin ihr Vorgehen: Man lasse den 2500 Grundschulen im Land „durchaus Spielraum“, verwies auf die aufgehobene Präsenzpflicht und versprach in Sachen Fernunterricht: „Wir werden Angebote machen, um entstandene Lücken zu schließen.“
An diesem Punkt wurde die Kritik im Chat heftiger: Eisenmann gehe nicht auf die Fragen ein, betreibe Selbstdarstellung, benenne keinen der 100 Punkte aus dem Wahlprogramm – und manche befanden auch, dass die Frau, die gerne Ministerpräsident Winfried Kretschmann beerben will, sechs Wochen vor der Landtagswahl Wahlkampf mache: „Unglaublich.“
Laut CDU waren unter den virtuellen Gästen nicht nur wirklich Interessierte, sondern auch einige „Störer“, die die Spitzenkandidatin bei jeder (virtuellen) Veranstaltung „verfolgen“. In der Tat: Aus manchen Äußerungen ging hervor, dass die Kritiker ihr nicht zum ersten Mal lauschten. Andere wiederum machten ganz offen Wahlwerbung für die eigene (Splitter-)Partei.
„Ich weiß, ich werde nicht alle überzeugen“, sagte Susanne Eisenmann, als sie konstatierte, Schulen seien nicht die Infektionsträger, Verbesserungen beim Schülerverkehr forderte und dabei ihren Kabinettskollegen, Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), in die Pflicht nahm. Der Satz hätte aber auch zu einer allgemeinen Reaktion von ihr auf den Chatverlauf getaugt.
In dem tauchte eine Reihe weiterer Fragen auf, die am Montagabend unbeantwortet blieben. Etwa die von Amtzells Bürgermeister, dem CDUMitglied Clemens Moll, was denn nun mit den zugesagten, aber nach wie vor offenen Landeszuschüssen beim Breitbandausbau der Gemeinden ist. Die Spitzenkandidatin und Raimund Haser versprachen, diese wie alle anderen noch vorhandenen Fragezeichen per Mail zu beseitigen.
Und was ist die Quintessenz der guten Stunde von „Susanne Eisenmann will’s wissen“? Es war mehr Reden denn Zuhören, oft Allgemeines statt Konkretem – sieht man von ihrem erneut klaren Statement zu einer Öffnung von Kindergärten und Grundschulen ab. Aber zu mehr reichte angesichts der Themenfülle die knapp bemessene Zeit nicht. Ob die Veranstaltung „garantiert kein Blabla“war, dazu hat wohl jeder der Chatteilnehmer seine eigene Meinung.