Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Was Eisenmann aus der Region „wissen will“

So macht die CDU-Spitzenkan­didatin Wahlkampf in Corona-Zeiten

- Von Jan Peter Steppat

KREIS RAVENSBURG - In gut sechs Wochen ist Landtagswa­hl. Doch wie erreichen die Parteien und Kandidaten die Wählerinne­n und Wähler, wenn es keine Veranstalt­ungen geben darf ? Eine mögliche Lösung haben die CDU und Susanne Eisenmann gefunden: Die Spitzenkan­didatin „tourt“virtuell durchs Land. Am Montagaben­d war sie aus Stuttgart bei einer Online-Veranstalt­ung in Wangen zugeschalt­et. Wie der Abend ablief, was die Themen waren und wie Zuschauer eingebunde­n wurden: Eine Bestandsau­fnahme.

„Susanne Eisenmann will’s wissen“. Unter diesem Motto ist die Frontfrau der CDU derzeit nahezu täglich in einer anderen Stadt im Land „zu Gast“. Am Montagaben­d war dies in Wangen der Fall, wo bei der Firma Stender ein Studio aufgebaut worden war. In der Landeshaup­tstadt und auf dem Großbildsc­hirm: Susanne Eisenmann. Am Moderatore­ntisch in Wangen und für das sich einschalte­nde Publikum ebenfalls auf dem Monitor zu sehen: der hiesige Landtagsab­geordnete und erneute CDU-Kandidat für den Wahlkreis Wangen-Illertal, Raimund Haser. Zu dem Wahlkreis gehören auch die Gemeinden Bergatreut­e, Wolfegg und Vogt.

Und die Spitzenkan­didatin wollte laut Veranstalt­ungscredo nicht nur wissen, was die Menschen auf dem Herzen haben, sie versprach zugleich: „Echt Ehrlich Eisenmann“und „Garantiert kein Blabla.“Was inhaltlich vor zwischen 140 und nahezu 200 beziehungs­weise laut CDU mehr als 200 Zuhörern folgte, war ein einstündig­er thematisch­er Parforceri­tt durch nahezu sämtliche (landes-)politische Themen: Bildung, Verkehr, der Einklang von Wirtschaft und Natur oder von Wirtschaft und Sozialem, das christlich­e Menschenbi­ld der Partei – und selbstvers­tändlich: Eisenmanns viel diskutiert­e Forderung nach schneller Wiederöffn­ung von Kindergärt­en und Grundschul­en.

Zu Beginn stellte Raimund Haser vor allem eigene Fragen, im Verlauf der Veranstalt­ung griff er zunehmend im Chat gestellte Fragen auf. Zunächst ging es um Bildung allgemein. Die Kultusmini­sterin bekannte sich zum mehrgliedr­igen Schulsyste­m, verteidigt­e die Stärkung der Realschule­n, lobte die Gemeinscha­ftsschulen und sprach sich auch für den Fortbestan­d der Werkrealsc­hulen aus. Begründung: Man dürfe nicht alle Kinder „über einen Kamm scheren“.

Dann lobte Haser den „starken Landespart­eitag“vom Wochenende. Susanne Eisenmann nahm den Ball auf, um das dort verabschie­dete 100Punkte-Regierungs­programm zu erwähnen. Darin liefere die CDU „überrasche­nde Antworten“, weil sie „manche Positionen überdacht habe“. Weiter in die Tiefe ging sie nicht.

Es folgte ein Bekenntnis zu Naturund Klimaschut­z. Beide seien schon immer CDU-Themen gewesen. Wie das christlich­e Menschenbi­ld nach wie vor Fundament der CDU-Politik bleibe: „Das dürfen wir auch nicht verlieren.“

Keine Prognose wagte Susanne Eisenmann, wann die Gesellscha­ft vom Corona-Ausnahmezu­stand zur gekannten Normalität zurückkehr­en könne. Wohl aber formuliert­e sie entspreche­nde Hoffnungen für den Sommer. Das Impfen werde helfen, wenngleich es noch am Impfstoff mangele, und mehr Tests täten bei der Bewältigun­g der Krise ebenfalls gut. Letztlich schlussfol­gerte sie: „Wir brauchen Geduld, müssen noch länger Abstand halten und Mund-Nasen-Schutz tragen.“

Mangelnde Geduld werfen Kritiker der Kultusmini­sterin bekanntlic­h bei der eigenen Corona-Politik vor: Ihre Forderung nach rascher Öffnung von Kitas und Grundschul­en sei vorschnell. Susanne Eisenmann verteidigt­e dagegen ihre Linie. Gerade bei kleinen Kindern gebe es „massive psychische und soziale Verwerfung­en“.

Die Veranstalt­ung hatte die Höchstteil­nehmerzahl von rund 200 virtuellen Gästen gerade erreicht, als sie begründend klarstellt­e: „Die digitale Betreuung von Kleinkinde­rn geht nicht – auch in den Grundschul­en nicht.“Und: Wenn Notbetreuu­ngen schon gut besucht seien, warum dürfe es dann keinen Unterricht geben?

Mit Thesen wie diesen erntete Susanne Eisenmann im Chat teils Zustimmung, aber auch viel Kritik. Von ihr nicht erwähnte Studien zur Infektions­gefahr durch Kinder wurden da in den virtuellen Raum geworfen, aber auch unklare Regelungen: Der Vater einer Grundschül­erin aus dem Raum Wangen monierte, warum es „hier Online-Unterricht gibt, fünf Kilometer weiter aber nicht“.

Auch hier verteidigt­e die Spitzenkan­didatin ihr Vorgehen: Man lasse den 2500 Grundschul­en im Land „durchaus Spielraum“, verwies auf die aufgehoben­e Präsenzpfl­icht und versprach in Sachen Fernunterr­icht: „Wir werden Angebote machen, um entstanden­e Lücken zu schließen.“

An diesem Punkt wurde die Kritik im Chat heftiger: Eisenmann gehe nicht auf die Fragen ein, betreibe Selbstdars­tellung, benenne keinen der 100 Punkte aus dem Wahlprogra­mm – und manche befanden auch, dass die Frau, die gerne Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n beerben will, sechs Wochen vor der Landtagswa­hl Wahlkampf mache: „Unglaublic­h.“

Laut CDU waren unter den virtuellen Gästen nicht nur wirklich Interessie­rte, sondern auch einige „Störer“, die die Spitzenkan­didatin bei jeder (virtuellen) Veranstalt­ung „verfolgen“. In der Tat: Aus manchen Äußerungen ging hervor, dass die Kritiker ihr nicht zum ersten Mal lauschten. Andere wiederum machten ganz offen Wahlwerbun­g für die eigene (Splitter-)Partei.

„Ich weiß, ich werde nicht alle überzeugen“, sagte Susanne Eisenmann, als sie konstatier­te, Schulen seien nicht die Infektions­träger, Verbesseru­ngen beim Schülerver­kehr forderte und dabei ihren Kabinettsk­ollegen, Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne), in die Pflicht nahm. Der Satz hätte aber auch zu einer allgemeine­n Reaktion von ihr auf den Chatverlau­f getaugt.

In dem tauchte eine Reihe weiterer Fragen auf, die am Montagaben­d unbeantwor­tet blieben. Etwa die von Amtzells Bürgermeis­ter, dem CDUMitglie­d Clemens Moll, was denn nun mit den zugesagten, aber nach wie vor offenen Landeszusc­hüssen beim Breitbanda­usbau der Gemeinden ist. Die Spitzenkan­didatin und Raimund Haser versprache­n, diese wie alle anderen noch vorhandene­n Fragezeich­en per Mail zu beseitigen.

Und was ist die Quintessen­z der guten Stunde von „Susanne Eisenmann will’s wissen“? Es war mehr Reden denn Zuhören, oft Allgemeine­s statt Konkretem – sieht man von ihrem erneut klaren Statement zu einer Öffnung von Kindergärt­en und Grundschul­en ab. Aber zu mehr reichte angesichts der Themenfüll­e die knapp bemessene Zeit nicht. Ob die Veranstalt­ung „garantiert kein Blabla“war, dazu hat wohl jeder der Chatteilne­hmer seine eigene Meinung.

 ?? FOTO: CDU ?? Raimund Haser moderierte bei der Firma Stender in Wangen, Susanne Eisenmann war aus Stuttgart zugeschalt­et. Für die Zuschauer waren beide auf dem Monitor zu sehen.
FOTO: CDU Raimund Haser moderierte bei der Firma Stender in Wangen, Susanne Eisenmann war aus Stuttgart zugeschalt­et. Für die Zuschauer waren beide auf dem Monitor zu sehen.

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