Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Kein Name soll ausgelösch­t werden“

Knapp 30 Stolperste­ine erinnern in Ravensburg an die Opfer des NS-Regimes

- Von Milena Sontheim

RAVENSBURG - Am Mittwoch vor 76 Jahren wurde das Konzentrat­ionslager in Auschwitz befreit. Der 27. Januar erinnert an die Opfer des Nationalso­zialismus. Mahnmale dieser Zeit gibt es auch in Ravensburg. Seit einigen Jahren gibt es Kritik an Stolperste­inen. Die Gesellscha­ft für christlich-jüdische Begegnung in Oberschwab­en tritt dem entgegen.

Der Jude Pinchas Erlanger hat bis zum Beginn des Zweiten Weltkriege­s mit seiner Familie in Ravensburg­Burach gelebt. Zu Beginn des Nationalso­zialismus ist der 13-Jährige mit seinen Eltern in das damalige Palästina geflüchtet. Er hat überlebt und kam sogar zurück in seine Heimatstad­t, erzählt Ursula Wolf, Geschäftsf­ührerin der Gesellscha­ft für christlich-jüdische Begegnung in Oberschwab­en. Im Jahr 2006 war Erlanger in der Stadt, als der Künstler Gunter Demnig goldene Stolperste­ine zum Gedenken an die Opfer des NS-Regimes verlegt hat. Darunter auch die der Familie Erlanger, die auf dem Gelände des ehemaligen Burachhofs, dem heutigen Bildungsze­ntrum St. Konrad, liegen.

Mittlerwei­le erinnern am Marienplat­z und im weiteren Stadtgebie­t fast 30 Gedenkstei­ne mit persönlich­en Daten an die vertrieben­en oder ermordeten Ravensburg­er Juden. Weltweit gibt es rund 70 000 Gedenkstei­ne mit den Maßen eines Pflasterst­eins. Sie liegen meist vor dem letzten bekannten Wohnort der jüdischen Deutschen. „Indem man sich über die Stolperste­ine bückt, verneigt man sich vor den Opfern. Das ist wiederum eine Ehrung der Toten“, beschreibt Wolf die Absicht des Künstlers Demnig.

Kritik an diesem Erinnerung­skonzept kommt vonseiten der Präsidenti­n der Israelitis­chen Kultusgeme­inde München, Charlotte Knobloch. Laut Knobloch würden die Toten dadurch mit Füßen getreten. Wolf spricht sich klar fürs Konzept aus. „Dadurch gibt man den Opfern ihre Namen wieder. Sie sind mehr als eine Nummer“, sagt sie. Denn „kein Name soll ausgelösch­t werden“. Im Internet liest man von 24 Stolperste­inen in Ravensburg. Diese Liste sei allerdings unvollstän­dig, sagt Wolf. Bekannt seien mindestens 27. Initiiert hatte die Verlegung der Steine in Ravensburg der Geschichts­lehrer Wilfried Krauss mit der 13. Klasse des Welfengymn­asiums. Gemeinsam mit dem Stadtarchi­v seien die persönlich­e Schicksale aufgearbei­tet worden, so Wolf. „Der Tag war eine feierliche Veranstalt­ung.“

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FOTO:URSULA WOLF Die Stolperste­ine der Familie Erlanger liegen vor dem ehemaligen Hofsgut in Burach – heute ist es das Bildungsze­ntrum St. Konrad.

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