Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Müller schreibt an Lucha wegen niedriger Impfquote
Der Weingartener CDU-Abgeordnete glaubt, dass mehr möglich wäre – Sozialministerium nennt Zahlen „veraltet“
RAVENSBURG - Das Thema Corona soll zwar aus dem Landtagswahlkampf herausgehalten werden, den Weingartener CDU-Bundestagsabgeordneten Axel Müller erreichen derzeit aber nach eigenem Bekunden viele Anfragen, warum es mit der Impfung so schleppend läuft. Daher hat sich der Abgeordnete in einem Brief an den baden-württembergischen Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) gewandt und um Auskunft darüber gebeten, warum die Impfquote im Land so niedrig ist.
„In der größten Krise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland muss es unser aller Ziel sein, das Leben und die Gesundheit der Menschen bestmöglich zu schützen. Hier darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass ein parteipolitischer Wettbewerb ausgetragen wird, auch nicht in Zeiten von Landtagswahlen“, beginnt der CDU-Politiker seinen Brief. Er sei sich auch darüber bewusst, dass es einen logistischen und organisatorischen Kraftakt bedeute, die Menschen schnell zu impfen, und bedankt sich bei allen Verantwortlichen dafür. Dennoch irritieren ihn die niedrigen Zahlen.
Müller bezieht sich auf eine Aussage im SZ-Interview mit der grünen Landtagsabgeordneten Petra Krebs aus dem Wahlkreis Wangen, wonach erst 65 325 Baden-Württemberger über 80 Jahren eine Erstimpfung und 2019 Menschen die Zweitimpfung erhalten hätten (Stand 21. Januar). Laut Müller hätten die Impfstoffhersteller Biontech-Pfizer und Moderna bis Ende vergangenen Jahres aber bereits 167 700 Dosen nach Baden-Württemberg geliefert und weitere 212 175 in den ersten Wochen des laufenden Jahres. Müllers Berechnungen zufolge hätten im Land also deutlich mehr Menschen geimpft werden können, selbst wenn man die zweite Dosis zurückhalte, um die immunisierende Wirkung nicht zu gefährden.
Müllers Zahlen seien veraltet, antwortet der Sprecher des baden-württembergischen Sozialministeriums, Markus Jox, und schreibt etwas pikiert: „Dass der Brief des Herrn Bundestagsabgeordneten Müller zeitgleich bei der Presse und in unserem Ministerium angekommen ist, setzt aus unserer Sicht ein dickes Fragezeichen hinter seinen erklärten Willen, keine parteipolitischen Spielchen mit einem wichtigen Thema wie dem knappen Impfstoff in der CoronaKrise spielen zu wollen, unter dem Bund und Länder gleichermaßen zu leiden haben.“
Bedauerlich sei, dass Müller in seinem Brief auf „veraltete Lieferzahlen“zurückgreife und nur die Impfzahlen von einer der Personengruppen zitiere, die in der ersten Priorität geimpft werden, medizinisches Personal aber beispielsweise weglasse. „Ob dies aus Unkenntnis über die erste Priorität oder mit der Absicht geschieht, eine angebliche Differenz zwischen Liefermengen und Impfzahlen möglichst groß erscheinen zu lassen, können wir nur mutmaßen. In jedem Fall sind die von ihm dazu zitierten Zahlen aus dem Zusammenhang gerissen.“
In der angesprochenen Zeit seien nach Baden-Württemberg 275 000 Impfdosen geliefert und an die Impfzentren verteilt worden. Entsprechend der Empfehlung der Bundesregierung, immer 50 Prozent für die notwendige Zweitimpfung zurückzuhalten, seien davon 137 500 für die Erstimpfung freigegeben worden.
Das Land habe mit Hochdruck daran gearbeitet, eine flächendeckende Impf-Infrakstruktur aus dem Boden zu stampfen, mit der am Tag 60 000 Menschen in Baden-Württemberg geimpft werden könnten. Der Impfstoff reiche aber nur für 7000. Dabei spielt der Sprecher des Ministeriums den Ball zurück: „Die Bundesregierung ist für die Beschaffung des Impfstoffs und die Verhandlungen mit den Herstellern zuständig, die Länder für das Verimpfen. Es ist Herrn MdB Müller unbenommen, sich bei der Bundesregierung und insbesondere beim Bundesgesundheitsministerium über die Hintergründe und Probleme bei der Impfstoff-Beschaffung zu informieren und sich für mehr Lieferungen einzusetzen.“