Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Vater für Missbrauch an Tochter verurteilt
Erst nach mehr als zehn Jahren zeigt die Frau den Fall an – Weitere Belästigung als Auslöser
LINDAU - Dreimal hat ein Vater aus Lindau seine damals neunjährige Tochter sexuell missbraucht. Erst Jahre später geht die junge Frau zur Polizei. Auslöser ist eine weitere Belästigung, die sie sich nicht mehr gefallen lässt.
Es ist im Sommer 2017, Vater und Tochter kommen gerade von einem Badeausflug zurück. Als er hinter ihr die Treppe hinaufging, habe er ihr immer wieder Klapse auf den Hintern gegeben, erzählt die heute 20-Jährige vor Gericht. „Er hat gesagt: Du hast einen Knackarsch.“Sie habe ihm gesagt, er solle das lassen. Doch der Vater habe nicht aufgehört.
Noch an diesem Abend erzählt sie ihrer Mutter, dass der Vater sie sieben Jahre zuvor sexuell missbraucht hat. Dreimal. Damals war das Mädchen neun Jahre alt.
Es vergeht ein weiteres Jahr, bis die junge Frau bei der Polizei Anzeige gegen den Vater erstattet. Gemeinsam mit der Mutter konfrontiert sie ihn zunächst mit seinen Taten, fordert ihn auf, sich selbst anzuzeigen. Ende 2018 geht sie dann mit ihrem Bruder zur Polizei. Der Vater gesteht – und schreibt seiner Tochter Briefe, in denen er sich entschuldigt.
Eine Aussage vor dem Lindauer Amtsgericht erspart er seinem Kind am Mittwochvormittag aber nicht. Zunächst versichert er, dass es nur einmal zum Missbrauch gekommen sei. „Ich kann mich nicht 100 Prozent erinnern“, sagt er dann. Erst als sein Anwalt ihm das eigene Geständnis vorlegt, räumt der Angeklagte ein: „Das stimmt alles.“
Es sind letztlich Details, weswegen die Tochter die Aussage, die sie bereits bei der Polizei, einer Gutachterin und Amtsgerichtsdirektorin Brigitte Grenzstein gemacht hat, in der öffentlichen Sitzung noch einmal wiederholen muss. Dass sie das viel Kraft kostet, ist ihr deutlich anzumerken. Am Ende ist klar: Der Mann hat das Mädchen mehrmals unsittlich berührt. Unklar ist, wie oft er sich dabei auch selbst befriedigt hat.
Als ihr Vater zum ersten Mal in ihre Unterhose griff, habe sie nicht gewusst, wie ihr geschieht, sagt die 20-Jährige aus. „Ich war ganz still und wusste nicht, was los ist.“Bis zum Äußersten ist der Vater mit dem Kind offenbar nicht gegangen. „Er hat mich immer gefragt, wie sich das anfühlt. Und ich habe einfach ,okay’ gesagt.“Sobald ihr etwas wehgetan habe, habe ihr Vater aufgehört. Warum nach dem dritten Missbrauch keine weiteren folgten, erklärt der Angeklagte am Mittwoch nicht.
Vor zehn Jahren, kurz nach den Taten, hatte es offenbar einen Moment gegeben, in dem sich die Neunjährige mitteilen wollte. Im Fernsehen sei ein Bericht über Kindesmisshandlung gekommen. „Das hat der Papa mit mir auch gemacht“, sagte das Kind – doch die Mutter habe ihm nicht geglaubt. „Ich habe mich damals raus gehalten, weil ich mich geschämt habe“, sagt der Angeklagte aus. Bis zur Trennung der Eltern einige Jahre später leben Vater und Tochter weiter zusammen. Jahre, die „ganz okay“gewesen seien, wie die Tochter einer Gutachterin erzählt hat. Doch die abfälligen Bemerkungen des Vaters bezüglich Frauen und Mädchen hätten sie immer wieder gestört.
Dass die junge Frau erst Jahre nach der Tat zur Polizei ging, ist für die Gutachterin, die die Glaubwürdigkeit
der Aussage des Opfers beurteilen soll, „psychologisch nachvollziehbar“. Auch, weil dem Mädchen beim ersten Versuch, soch mitzuteilen, nicht geglaubt wurde. „Und dann ist ihr erst später richtig bewusst geworden, was da war“, erklärt die Gutachterin.
Die junge Frau, die früher Leistungssportlerin war, ist mittlerweile in Behandlung in der Tagesklinik, bald beginnt eine wochenlange stationäre Therapie. Noch zweimal hat sie als Jugendliche sexuelle Gewalt erfahren. Nicht vom Vater, sondern von zwei anderen Männern. Auch gegen diese hat es bereits Gerichtsverfahren gegeben.
„Was Widerlicheres, als dass sich der Vater an seinem eigenen Kind vergeht, gibt es nicht“, sagt Amtsgerichtsdirektorin Brigitte Grenzstein in ihrer Urteilsbegründung. Das Schöffengericht verurteilt den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Damit bleibt das Gericht unter den zwei Jahren Haft, die die Staatsanwaltschaft gefordert hat. Alle Beteiligten verzichten auf Rechtsmittel, das Urteil ist somit rechtskräftig.
„Es ging darum, aufzuklären, was wirklich war“, sagt Brigitte Grenzstein. Der Angeklagte habe schon bei der Polizei seine Taten eingeräumt und auch bei Gericht nicht heruntergespielt, sondern lediglich mitgeteilt, was aus seiner Sicht von den Darstellungen der Tochter abweiche. Die Schöffenkammer folgt dem Vorschlag der Nebenklage und macht eine Schadenswiedergutmachung von 7000 Euro zur Bewährungsauflage für den Angeklagten. Er muss seiner Tochter jetzt monatlich 300 Euro überweisen. „Damit Sie sich wenigstens mal was Schönes kaufen können.“