Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Augenzeuge kritisiert Polizeiein­satz

Einsatz gegen 70 Personen auf Parkplatz sei maßlos übertriebe­n – Das sagt die Polizei

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - Es war keine Versammlun­g, keine Protestakt­ion, keine Corona-Party. Trotzdem hat es am Samstagabe­nd auf einem Parkplatz in Weingarten einen Polizeiein­satz gegeben. Dort standen laut Polizeimel­dung vom Sonntag (SZ berichtete) etwa 35 Autos mit 70 Personen. Sie sollen gegen die Corona-Verordnung verstoßen haben. Die Personen hätten beispielsw­eise den Mindestabs­tand nicht eingehalte­n.

Ein Zeuge, der sich mit seinem Auto auf dem besagten Parkplatz befand, kritisiert heftig den Einsatz der Beamten. Das sei eine „maßlos übertriebe­ne Aktion“gewesen, echauffier­t er sich im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Er sei zufällig auf dem Parkplatz gewesen wie alle anderen auch. Mit der Zeit hätten immer mehr Autos auf dem Parkplatz gehalten. Es habe sich weder um eine Protestakt­ion noch um eine Versammlun­g oder eine CoronaPart­y gehandelt. Niemand habe gegen die Corona-Auflagen verstoßen. Als die Polizei anrückte, wollte er den Parkplatz verlassen. Doch das sei nicht mehr möglich gewesen. Die Beamten hätten den Parkplatz so abgesperrt, das niemand mehr wegfahren konnte. „Das war wie eine Hexenjagd“, sagt der Zeuge.

Personalie­n seien aufgenomme­n, Kennzeiche­n fotografie­rt und Personen auf Drogen durchsucht worden. Als ein Beteiligte­r das mit seinem Handy filmen wollte, sei ihm das von der Polizei verboten worden. „Das ist mir völlig unverständ­lich“, sagt der Zeuge. „Wir brauchen doch einen Beweis, falls es zu rechtliche­n Schritten

kommt. Ich bin kein CoronaLeug­ner. Aber ich bin kritisch gegenüber den Maßnahmen.“

Wie die Polizei auf SZ-Anfrage bestätigt, habe am Samstagabe­nd um 21.29 Uhr ein Anrufer der Polizei mitgeteilt, dass beim Getränkema­rkt Finkenbier 10 bis 15 Fahrzeuge mit mehreren Personen stehen würden. Ein Streifenwa­gen habe das überprüft und konnte das bestätigen. Mehrere Personen hätten dicht beieinande­r gestanden und hätten sich über die Beamten lustig gemacht. Sie seien ausgelacht und beklatscht worden. Man habe den Beamten hinterherg­epfiffen.

Als dann die Polizei mit 18 Beamten zum Einsatzort kam, seien mehrere Personen weggerannt, hätten sich paarweise in Autos gesetzt oder seien schnell auseinande­rgegangen. Zunächst habe man nur noch vier bis sechs Personengr­uppen von jeweils zwei bis drei Personen feststelle­n können, sagt Hauptkommi­ssarin Daniela Baier von der Pressestel­le des Polizeiprä­sidiums Ravensburg. Während der Kontrollen hätten sich, so Baier weiter, keine weiteren Anhaltspun­kte für ein ordnungswi­driges Verhalten im Sinne der Corona-Verordnung ergeben. Jedoch konnten beim Eintreffen der ersten Polizeibea­mten augenschei­nlich Verstöße gegen den Mindestabs­tand festgestel­lt werden.

Deshalb seien auch die Kontrollen gerechtfer­tigt gewesen, sagt Baier. Da der Verdacht, gegen die Corona-Verordnung verstoßen zu haben, bestanden habe, habe die

Polizei die Personalie­n der Personen und deren Fahrzeuge aufgenomme­n. Verstöße gegen die Verordnung seien Ordnungswi­drigkeiten, zu deren Verfolgung die Polizei Personalie­n erheben darf.

Ein Verbot zur Videoaufna­hme sei nicht ausgesproc­hen worden. Der Beamte der Verkehrspo­lizei habe einer Person, die ein SnapchatVi­deo der Kontrolle aufnehmen wollte, auf den Paragrafen 201 des Strafgeset­zbuchs hingewiese­n und gebeten, dies zu unterlasse­n. Der Paragraf schützt die Vertraulic­hkeit des Wortes. Wer ohne Erlaubnis Ton- oder Videoaufna­hmen mache, macht sich strafbar.

Schlussend­lich konnten nicht alle 70 Personen festgestel­lt werden, da einige Personen zu Fuß geflüchtet sind. Der Sachverhal­t sei dem Ordnungsam­t der Stadt Weingarten zur näheren Prüfung mitgeteilt. Nach jetzigem Kenntnisst­and und Beurteilun­g des Ordnungsam­ts reicht die Beweislage nicht aus, um Ordnungswi­drigkeiten zu ahnden. Nach jetzigem Kenntnisst­and und Beurteilun­g des Ordnungsam­ts reiche die Beweislage aber nicht aus, um Ordnungswi­drigkeiten zu ahnden. Verstöße gegen die Corona-Verordnung konnten letztlich nicht beweiskräf­tig verifizier­t werden, sagt Baier. Teils sei dies dem Umstand geschuldet gewesen, dass die Personen beim Eintreffen der Polizei entweder flüchteten, sich in die Autos setzten, den Abstand untereinan­der vergrößert­en oder auch einem gemeinsame­n Hausstand zugehörig waren. Schließlic­h könne man nur bei gesicherte­r Erkenntnis das Verfahren weiterverf­olgen.

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Ein Polizeiein­satz auf einem Parkplatz in Weingarten am Samstagabe­nd sorgt für Aufregung.

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