Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Augenzeuge kritisiert Polizeieinsatz
Einsatz gegen 70 Personen auf Parkplatz sei maßlos übertrieben – Das sagt die Polizei
WEINGARTEN - Es war keine Versammlung, keine Protestaktion, keine Corona-Party. Trotzdem hat es am Samstagabend auf einem Parkplatz in Weingarten einen Polizeieinsatz gegeben. Dort standen laut Polizeimeldung vom Sonntag (SZ berichtete) etwa 35 Autos mit 70 Personen. Sie sollen gegen die Corona-Verordnung verstoßen haben. Die Personen hätten beispielsweise den Mindestabstand nicht eingehalten.
Ein Zeuge, der sich mit seinem Auto auf dem besagten Parkplatz befand, kritisiert heftig den Einsatz der Beamten. Das sei eine „maßlos übertriebene Aktion“gewesen, echauffiert er sich im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Er sei zufällig auf dem Parkplatz gewesen wie alle anderen auch. Mit der Zeit hätten immer mehr Autos auf dem Parkplatz gehalten. Es habe sich weder um eine Protestaktion noch um eine Versammlung oder eine CoronaParty gehandelt. Niemand habe gegen die Corona-Auflagen verstoßen. Als die Polizei anrückte, wollte er den Parkplatz verlassen. Doch das sei nicht mehr möglich gewesen. Die Beamten hätten den Parkplatz so abgesperrt, das niemand mehr wegfahren konnte. „Das war wie eine Hexenjagd“, sagt der Zeuge.
Personalien seien aufgenommen, Kennzeichen fotografiert und Personen auf Drogen durchsucht worden. Als ein Beteiligter das mit seinem Handy filmen wollte, sei ihm das von der Polizei verboten worden. „Das ist mir völlig unverständlich“, sagt der Zeuge. „Wir brauchen doch einen Beweis, falls es zu rechtlichen Schritten
kommt. Ich bin kein CoronaLeugner. Aber ich bin kritisch gegenüber den Maßnahmen.“
Wie die Polizei auf SZ-Anfrage bestätigt, habe am Samstagabend um 21.29 Uhr ein Anrufer der Polizei mitgeteilt, dass beim Getränkemarkt Finkenbier 10 bis 15 Fahrzeuge mit mehreren Personen stehen würden. Ein Streifenwagen habe das überprüft und konnte das bestätigen. Mehrere Personen hätten dicht beieinander gestanden und hätten sich über die Beamten lustig gemacht. Sie seien ausgelacht und beklatscht worden. Man habe den Beamten hinterhergepfiffen.
Als dann die Polizei mit 18 Beamten zum Einsatzort kam, seien mehrere Personen weggerannt, hätten sich paarweise in Autos gesetzt oder seien schnell auseinandergegangen. Zunächst habe man nur noch vier bis sechs Personengruppen von jeweils zwei bis drei Personen feststellen können, sagt Hauptkommissarin Daniela Baier von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Ravensburg. Während der Kontrollen hätten sich, so Baier weiter, keine weiteren Anhaltspunkte für ein ordnungswidriges Verhalten im Sinne der Corona-Verordnung ergeben. Jedoch konnten beim Eintreffen der ersten Polizeibeamten augenscheinlich Verstöße gegen den Mindestabstand festgestellt werden.
Deshalb seien auch die Kontrollen gerechtfertigt gewesen, sagt Baier. Da der Verdacht, gegen die Corona-Verordnung verstoßen zu haben, bestanden habe, habe die
Polizei die Personalien der Personen und deren Fahrzeuge aufgenommen. Verstöße gegen die Verordnung seien Ordnungswidrigkeiten, zu deren Verfolgung die Polizei Personalien erheben darf.
Ein Verbot zur Videoaufnahme sei nicht ausgesprochen worden. Der Beamte der Verkehrspolizei habe einer Person, die ein SnapchatVideo der Kontrolle aufnehmen wollte, auf den Paragrafen 201 des Strafgesetzbuchs hingewiesen und gebeten, dies zu unterlassen. Der Paragraf schützt die Vertraulichkeit des Wortes. Wer ohne Erlaubnis Ton- oder Videoaufnahmen mache, macht sich strafbar.
Schlussendlich konnten nicht alle 70 Personen festgestellt werden, da einige Personen zu Fuß geflüchtet sind. Der Sachverhalt sei dem Ordnungsamt der Stadt Weingarten zur näheren Prüfung mitgeteilt. Nach jetzigem Kenntnisstand und Beurteilung des Ordnungsamts reicht die Beweislage nicht aus, um Ordnungswidrigkeiten zu ahnden. Nach jetzigem Kenntnisstand und Beurteilung des Ordnungsamts reiche die Beweislage aber nicht aus, um Ordnungswidrigkeiten zu ahnden. Verstöße gegen die Corona-Verordnung konnten letztlich nicht beweiskräftig verifiziert werden, sagt Baier. Teils sei dies dem Umstand geschuldet gewesen, dass die Personen beim Eintreffen der Polizei entweder flüchteten, sich in die Autos setzten, den Abstand untereinander vergrößerten oder auch einem gemeinsamen Hausstand zugehörig waren. Schließlich könne man nur bei gesicherter Erkenntnis das Verfahren weiterverfolgen.