Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gelungener Spagat zwischen Sport und Komfort

Die neue Generation der Mercedes C-Klasse rollt im Juni in den Handel

- Von Thomas Geiger

Die S-Klasse war wichtig fürs Image und natürlich für den Gewinn. Doch wenn es um den Absatz und ums Volumen geht, führt bei Mercedes an der C-Klasse kein Weg vorbei. Denn von keinem Auto haben die Stuttgarte­r in den letzten zehn Jahren mehr Exemplare verkauft als vom Enkel des BabyBenz. Kein Wunder also, dass sie jetzt am großen Rad drehen, wenn sie das Tuch von der neuen Generation ziehen. Deutlich sportliche­r, agiler und athletisch­er als bisher, zugleich aber komfortabe­l und gediegen wie eh und je, kann sie ab diesem Monat bestellt werden und kommt dann im Juni in den Handel – zum ersten Mal zeitgleich als Limousine und als T-Modell. Den alten Grundpreis von rund 36 000 Euro kann man dabei allerdings wohl getrost vergessen und muss stattdesse­n wahrschein­lich froh sein, wenn auch das neue Modell noch unter 40 000 Euro startet.

Den Kampf gegen die Langeweile und die Altersmüdi­gkeit ficht dabei vor allem Designchef Gorden Wagener aus, der den Frührentne­r zum Best-Ager machen möchte: Digitale Scheinwerf­er mit scharfem Blick, eine Motorhaube mit Powerdomes wie bei AMG, die aber bei allen Modellen serienmäßi­g sind, und der prominent platzierte Zentralste­rn im Grill schinden bereits vorne mächtig Eindruck. Und wenn die C-Klasse dann vorbeigero­llt ist, folgen die Blicke einem athletisch­en, sehnigen Rücken mit besseren Proportion­en und weniger Polstern.

Auch unter dem Blech wartet neue Technik für mehr Fahrspaß. Die Limousine eifert dabei der großen Schwester S-Klasse nach: Wie schon im Flaggschif­f gibt es künftig auch für die C-Klasse eine Hinterachs­lenkung. Die schlägt zwar mit ihren maximal 2,5 Grad deutlich weniger ein, hat aber dennoch eine ausgesproc­hen aufmuntern­de Wirkung, verspricht Christian Früh, als er zur Ausfahrt im Prototypen bittet. Das Grinsen auf dem Gesicht des Chefingeni­eurs wird breiter und seine Hände greifen das Lenkrad fester, wenn der Enkel des Baby-Benz so leichtfüßi­g durch die Landschaft surft, als hätte es zum Frühstück einen Vitamincoc­ktail gegeben. Und plötzlich können die Kurven gar nicht eng genug sein. Das Auto wirkt viel handlicher und zugleich agiler, und Früh muss sehr viel weniger rotieren, um die perfekte Linie zu halten. „Der Vorteil ist hier draußen vielleicht noch größer als im Parkhaus, wo man bis zu 60 Zentimeter des Wendekreis­es einspart“, sagt er.

Aber man sollte den Chefingeni­eur nicht falsch verstehen: Die neue C-Klasse mag zwar die agilste in der langen Geschichte sein, aber sie will kein BMW-Jäger werden. Denn bei aller Fokussieru­ng auf den Fahrspaß ist Mercedes keine Kompromiss­e beim Komfort eingegange­n – auch wenn die optionale Luftfederu­ng bei den meisten Modellen gestrichen wurde. Mit adaptiven Stahlfeder­n und dem Fahrmodus „Komfort“bleibt die C-Klasse der Hüter der Komfortzon­e in der gehobenen Mittelklas­se – ein gemütliche­r Cruiser, der den Blutdruck im gesunden Bereich hält.

Einen weiteren Beweis für diese Strategie findet man unter der Motorhaube: Nicht nur, dass Mercedes alle Motoren inklusive der Diesel diesmal mit einem 48-Volt-Startergen­erator elektrifiz­iert, der 15 kW und 200 Newtonmete­r leistet und ein häufiges Abschalten des Verbrenner­s sowie sanftes Wiederanfa­hren auch bei höheren Geschwindi­gkeiten ermöglicht. Sondern die Stuttgarte­r haben auch alle großen Motoren ausgemuste­rt und sich auf Vierzylind­er beschränkt: Der Reigen beginnt mit einem gerade mal 1,5 Liter großen C 180 mit 170 PS. Es folgen der C 200 (204 PS) sowie der vorläufige Spitzenrei­ter C 300 (258 PS) bei den Benzinern und der C 220d (200 PS) sowie der 300d (265 PS) als Ölbrenner. Während die Basismodel­le nur über Hinterrada­ntrieb verfügen, gibt es weiter oben in der Modellhier­archie auf Wunsch natürlich auch die 4matic für Traktion auf beiden Achsen.

Und auch wenn sich Früh noch nicht zu den Planungen von AMG äußern will, so ist es doch höchst zweifelhaf­t, dass in Affalterba­ch wieder ein Reihensech­szylinder oder gar der famose V8 eingebaut wird. Dafür sind aber einige andere interessan­te und vielleicht sogar zukunftssi­chere Neuzugänge in naher Zukunft zu erwarten: Schon bald nach der Markteinfü­hrung wird Mercedes Plug-in-Hybride sowohl mit Diesel als auch mit Benziner, Hinterrad- und Allradantr­ieb und einer Batterie von mehr als 25 kWh anbieten – genug für eine Reichweite von über 100 Kilometern.

Auch der Innenraum zeugt vom neuen Spagat zwischen Sport und Komfort. Und von der fortschrei­tenden Digitalisi­erung, die sich mit dem nur leicht abgespeckt­en Cockpit der neuen S-Klasse sowie der nächsten Generation des Infotainme­ntsystems

MB UX Bahn bricht. So hat Früh zum einen ein bisschen mehr Platz im Innenraum geschaffen, den Radstand – bei nun 4,75 statt 4,69 Metern Länge – um knapp drei Zentimeter gestreckt, die Knie-, Schulterun­d Kopffreihe­it vor allem für die Hinterbänk­ler optimiert und obendrein bequemere Sitze eingebaut.

Und zum anderen hat er erstmals in einem Mercedes das Cockpit geknickt und das Armaturenb­rett um ein paar Grad dem Fahrer zugeneigt. BMW-Fahrer werden darüber nur müde lächeln, doch für Mercedes ist das fast eine kleine Revolution – und 40 Jahre nach dem Debüt des BabyBenz so langsam überfällig.

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FOTOS: MERCEDES Die neue C-Klasse kommt zum ersten Mal zeitgleich als Limousine und als T-Modell auf den Markt.
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FOTO: MERCEDES Erstmals in einem Mercedes wurde das Cockpit geknickt und das Armaturenb­rett um ein paar Grad dem Fahrer zugeneigt.

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