Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Gelungener Spagat zwischen Sport und Komfort
Die neue Generation der Mercedes C-Klasse rollt im Juni in den Handel
Die S-Klasse war wichtig fürs Image und natürlich für den Gewinn. Doch wenn es um den Absatz und ums Volumen geht, führt bei Mercedes an der C-Klasse kein Weg vorbei. Denn von keinem Auto haben die Stuttgarter in den letzten zehn Jahren mehr Exemplare verkauft als vom Enkel des BabyBenz. Kein Wunder also, dass sie jetzt am großen Rad drehen, wenn sie das Tuch von der neuen Generation ziehen. Deutlich sportlicher, agiler und athletischer als bisher, zugleich aber komfortabel und gediegen wie eh und je, kann sie ab diesem Monat bestellt werden und kommt dann im Juni in den Handel – zum ersten Mal zeitgleich als Limousine und als T-Modell. Den alten Grundpreis von rund 36 000 Euro kann man dabei allerdings wohl getrost vergessen und muss stattdessen wahrscheinlich froh sein, wenn auch das neue Modell noch unter 40 000 Euro startet.
Den Kampf gegen die Langeweile und die Altersmüdigkeit ficht dabei vor allem Designchef Gorden Wagener aus, der den Frührentner zum Best-Ager machen möchte: Digitale Scheinwerfer mit scharfem Blick, eine Motorhaube mit Powerdomes wie bei AMG, die aber bei allen Modellen serienmäßig sind, und der prominent platzierte Zentralstern im Grill schinden bereits vorne mächtig Eindruck. Und wenn die C-Klasse dann vorbeigerollt ist, folgen die Blicke einem athletischen, sehnigen Rücken mit besseren Proportionen und weniger Polstern.
Auch unter dem Blech wartet neue Technik für mehr Fahrspaß. Die Limousine eifert dabei der großen Schwester S-Klasse nach: Wie schon im Flaggschiff gibt es künftig auch für die C-Klasse eine Hinterachslenkung. Die schlägt zwar mit ihren maximal 2,5 Grad deutlich weniger ein, hat aber dennoch eine ausgesprochen aufmunternde Wirkung, verspricht Christian Früh, als er zur Ausfahrt im Prototypen bittet. Das Grinsen auf dem Gesicht des Chefingenieurs wird breiter und seine Hände greifen das Lenkrad fester, wenn der Enkel des Baby-Benz so leichtfüßig durch die Landschaft surft, als hätte es zum Frühstück einen Vitamincocktail gegeben. Und plötzlich können die Kurven gar nicht eng genug sein. Das Auto wirkt viel handlicher und zugleich agiler, und Früh muss sehr viel weniger rotieren, um die perfekte Linie zu halten. „Der Vorteil ist hier draußen vielleicht noch größer als im Parkhaus, wo man bis zu 60 Zentimeter des Wendekreises einspart“, sagt er.
Aber man sollte den Chefingenieur nicht falsch verstehen: Die neue C-Klasse mag zwar die agilste in der langen Geschichte sein, aber sie will kein BMW-Jäger werden. Denn bei aller Fokussierung auf den Fahrspaß ist Mercedes keine Kompromisse beim Komfort eingegangen – auch wenn die optionale Luftfederung bei den meisten Modellen gestrichen wurde. Mit adaptiven Stahlfedern und dem Fahrmodus „Komfort“bleibt die C-Klasse der Hüter der Komfortzone in der gehobenen Mittelklasse – ein gemütlicher Cruiser, der den Blutdruck im gesunden Bereich hält.
Einen weiteren Beweis für diese Strategie findet man unter der Motorhaube: Nicht nur, dass Mercedes alle Motoren inklusive der Diesel diesmal mit einem 48-Volt-Startergenerator elektrifiziert, der 15 kW und 200 Newtonmeter leistet und ein häufiges Abschalten des Verbrenners sowie sanftes Wiederanfahren auch bei höheren Geschwindigkeiten ermöglicht. Sondern die Stuttgarter haben auch alle großen Motoren ausgemustert und sich auf Vierzylinder beschränkt: Der Reigen beginnt mit einem gerade mal 1,5 Liter großen C 180 mit 170 PS. Es folgen der C 200 (204 PS) sowie der vorläufige Spitzenreiter C 300 (258 PS) bei den Benzinern und der C 220d (200 PS) sowie der 300d (265 PS) als Ölbrenner. Während die Basismodelle nur über Hinterradantrieb verfügen, gibt es weiter oben in der Modellhierarchie auf Wunsch natürlich auch die 4matic für Traktion auf beiden Achsen.
Und auch wenn sich Früh noch nicht zu den Planungen von AMG äußern will, so ist es doch höchst zweifelhaft, dass in Affalterbach wieder ein Reihensechszylinder oder gar der famose V8 eingebaut wird. Dafür sind aber einige andere interessante und vielleicht sogar zukunftssichere Neuzugänge in naher Zukunft zu erwarten: Schon bald nach der Markteinführung wird Mercedes Plug-in-Hybride sowohl mit Diesel als auch mit Benziner, Hinterrad- und Allradantrieb und einer Batterie von mehr als 25 kWh anbieten – genug für eine Reichweite von über 100 Kilometern.
Auch der Innenraum zeugt vom neuen Spagat zwischen Sport und Komfort. Und von der fortschreitenden Digitalisierung, die sich mit dem nur leicht abgespeckten Cockpit der neuen S-Klasse sowie der nächsten Generation des Infotainmentsystems
MB UX Bahn bricht. So hat Früh zum einen ein bisschen mehr Platz im Innenraum geschaffen, den Radstand – bei nun 4,75 statt 4,69 Metern Länge – um knapp drei Zentimeter gestreckt, die Knie-, Schulterund Kopffreiheit vor allem für die Hinterbänkler optimiert und obendrein bequemere Sitze eingebaut.
Und zum anderen hat er erstmals in einem Mercedes das Cockpit geknickt und das Armaturenbrett um ein paar Grad dem Fahrer zugeneigt. BMW-Fahrer werden darüber nur müde lächeln, doch für Mercedes ist das fast eine kleine Revolution – und 40 Jahre nach dem Debüt des BabyBenz so langsam überfällig.