Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Reha-Kliniken schlagen Alarm wegen Covid-19
Pandemie bringt Einrichtungen in finanzielle Schieflage
RAVENSBURG - Die Hauptlast der Corona-Pandemie bei der Rettung von Menschenleben tragen die Gesundheitsämter und Akutkrankenhäuser. Während die Behörden fieberhaft versuchen, Kontakte nachzuverfolgen, damit sich Sars-CoV-2 nicht weiter ausbreitet und auf den Intensivstationen um das Leben der Covid-19-Patienten gerungen wird, sind die Rehakliniken im Land in wirtschaftliche Not geraten. Paradoxerweise müssen sie Ärzte und Pflegepersonal in Kurzarbeit schicken, weil vor allem die Anträge auf Rehabilitationsleistungen und die Operationszahlen stark zurückgegangen sind. Jetzt will das Bundesgesundheitsministerium auch noch einen fünfprozentigen Corona-Abschlag auf den Erlös der Krankenhäuser einführen. „Eine absurde Situation“, meint Ellio Schneider, Geschäftsführer der Waldburg-Zeil Kliniken (WZK) mit Sitz in Isny.
Das Dilemma: Wenn Akutkrankenhäuser nicht zwingend notwendige Behandlungen oder Operationen verschieben oder stark zurückfahren, fällt auch keine Reha an. Zudem scheuen viele Patienten während der Pandemie Krankenhäuser und Arztpraxen aus Angst, sich anzustecken, sodass viele ernsthafte Krankheiten wie Krebs gar nicht erst entdeckt werden. „Dabei haben wir die sichersten Hygienekonzepte in Deutschland“, meint Schneider, aber gegen irrationale Ängste lasse sich schwer argumentieren. Gleiches gelte bei Therapieangeboten: „Psychosomatische Erkrankungen zum Beispiel verschwinden ja nicht einfach, aber wir mussten die Klinik Alpenblick an unserem Hauptsitz wochenlang schließen, weil wir keine Patienten hatten.“
Anfangs, also ab März 2020, mussten die Rehakliniken zudem Betten für Covid-Patienten freihalten, weil niemand wusste, wie schlimm die erste Welle über Deutschland hereinbrechen würde. Nur kamen diese Patienten (glücklicherweise) nie in den Behelfskrankenhäusern an, weil die erste Welle schnell durch einen strengen, harten Lockdown gebrochen wurde. Was in den vergangenen zwölf Monaten dazu führte, dass einige der 3000 Mitarbeiter phasenweise in Kurzarbeit geschickt werden mussten. „Sie können einem Arzt oder einer Pflegekraft aber nicht einfach 60 Prozent des Gehalts anbieten, daher haben wir es auf 100 Prozent aufgestockt“, sagt Schneider im Hinblick auf den Fachkräftemangel, der vor der Pandemie gravierend war, sich mittlerweile aber etwas abgeschwächt habe, unter anderem durch die Schließung des Krankenhauses 14 Nothelfer in Weingarten.
Wegen der strengen Hygienevorschriften und geringerer Nachfrage könnten die Kliniken derzeit nur noch zu 70 oder 75 Prozent belegt werden: Alle Patienten bekämen ein Einzelzimmer. Insgesamt sei der Umsatz deutlich eingebrochen. „Wir haben im Januar und Februar 2021 etwa 60 bis 70 Prozent der Umsätze des Vorjahres. Dabei waren die zwölf Häuser der WZK im Jahr 2020 sehr unterschiedlich betroffen: Die psychosomatische Klinik Alpenblick in Isny-Neutrauchburg war für einige Zeit komplett geschlossen, während die Rehaklinik für Orthopädie, Onkologie und Pneumologie in Bad Salzelmen weniger Einbußen hatte – weil Sachsen-Anhalt lange Zeit von der Pandemie weitgehend verschont geblieben war. Die Krankenkassen würden in diesem Zusammenhang trotz eindeutiger Gesetzeslage einen adäquaten Corona-Zuschlag und einen Ausgleich für die Minderbelegung verweigern, klagt Schneider.
Der Umsatzrückgang wäre weniger schlimm, wenn die Hilfen für Krankenhäuser in vollem Umfang ausgezahlt würden, verweist der WZK-Geschäftsführer auf eine Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Privatkliniken (BDPK) zu einem Verordnungsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums. Denn die Bundesregierung habe am Anfang der Pandemie versprochen, dass wegen Corona keine Klinik ins Defizit kommen müsse. Nach dem Verordnungsentwurf aus dem Ministerium sollen die Krankenkassenund Klinikverbände nun aber bis zum 30. November am Verhandlungstisch einen Gesamterlösausgleich für 2021 vereinbaren. Grundlage dafür sollen die Krankenhauserlöse aus dem Vorpandemiejahr 2019 sein, allerdings nur in Höhe von 95 Prozent. „Dieser Vorweg-Abzug um fünf Prozent ist durch nichts zu rechtfertigen“, meinen BDPK-Präsidentin Katharina Nebel und BDPKHauptgeschäftsführer Thomas Bublitz. Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen hätten einen wesentlichen Anteil an der Versorgung der Patienten während der Corona-Pandemie geleistet. „Ärztliches und pflegerisches Personal wurde zur Behandlung der Covid-Patienten aus anderen Abteilungen zusammengezogen und planbare Krankenhausbehandlungen verschoben. Dazu kommen verschärfte Hygieneauflagen und die Zurückhaltung der Patienten, die aus Angst vor Ansteckung auch medizinisch notwendige Behandlungen absagen.“
Gleichzeitig seien die Kosten der Kliniken gegenüber 2019 ja nicht geringer geworden, sondern deutlich gestiegen, zum Beispiel durch zusätzliche Schutzmaterialien und -maßnahmen sowie zusätzliches Personal zur Sicherstellung der verschärften Hygienerichtlinien und Testeinrichtungen. „Ohne finanzielle Hilfen, die die Einnahmen auf dem Niveau von 2019 sicherstellen, geraten alle Kliniken in finanzielle Schieflage“, erklären die BDPK-Vertreter. Es werde ohnehin schon schwierig genug, mit den Krankenkassen einen ausreichenden Ausgleichssatz zu verhandeln. Ein zusätzlicher fünfprozentiger CoronaAbschlag verschärfe die Misere der Kliniken weiter. Zwischenzeitlich scheint immerhin die Bereitschaft zu bestehen, dass statt 95 Prozent 98 Prozent gezahlt werden sollen.
Insgesamt, findet WZK-Chef Schneider, sei in der Pandemie ein absurdes Gefälle in den Krankenhäusern entstanden. Die Ärzte und Pflegekräfte in den Akutkrankenhäusern würden, vor allem auf den CovidStationen, teilweise bis zur Erschöpfung arbeiten, während die Reha-Kliniken ihre ähnlich ausgebildeten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dagegen teilweise in Kurzarbeit schicken müssen. „Ich kann nicht einfach Mitarbeiter an die OSK entsenden, weil ich ja keine Leiharbeitsfirma bin, dabei müssten in einer solchen Jahrhundert-Pandemie doch eigentlich Ausnahmen möglich sein.“