Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Krise lässt viele auf den Hund kommen
Im Kreis nimmt die Zahl der Hunde offenbar zu – So sieht ein Tierheim die Entwicklung
KREIS RAVENSBURG - Ein Haustier an der Seite zu haben, das wünschen sich in der Corona-Krise immer mehr Menschen auch im Kreis Ravensburg. Insbesondere Hunde sind als tierische Gefährten noch stärker gefragt als zuvor. Tierschutz-Vereine schauen aber kritisch auf die Entwicklung.
Erst vor wenigen Tagen wurde ein illegaler Handel mit Welpen in Ravensburg aufgedeckt (die SZ berichtete). Für Gauner auf der Suche nach dem schnellen Geld ohne Rücksicht auf das Tierwohl lohnt sich dieses Betätigungsfeld offenbar auch wegen der immensen Nachfrage – seit Beginn der Pandemie stellt das Veterinäramt Ravensburg einen deutlichen Anstieg beim illegalen Handel mit Hundewelpen fest.
Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, warnte kürzlich vor einer zu leichtfertigen Anschaffung von Haustieren in der Krise: „Ein Tier braucht volle Aufmerksamkeit – auch nach Lockdown, Homeoffice und Homeschooling, wenn Bars und Cafés wieder öffnen und man wieder verreisen möchte. Sie sind nicht nur ein Zeitvertreib in Pandemiezeiten, sie sind eine Verantwortung fürs Leben.“
Die Kommunen im Landkreis Ravensburg können den Haustierboom zumindest für Hunde belegen. Sowohl in Weingarten als auch in Ravensburg sind deutliche Steigerungen zu erkennen.
In Weingarten werden aktuell 633 Hunde gehalten, das sind 77 mehr als zum selben Zeitpunk des Vorjahres. Ein Plus von knapp 14 Prozent, das sich auch bei den Hundesteuereinnahmen niederschlägt, die um rund 11 000 Euro auf 72 409 im vergangenen Jahr stiegen.
Auch in Ravensburg ist der Boom erkennbar: Dort wurden im CoronaJahr 2020 insgesamt 60 Hunde neu angemeldet – das sind doppelt so viele wie bisher üblich, teilte Sandra
Wirthensohn von der städtischen Pressestelle mit. Aktuell werden in Ravensburg 1500 Hunde gehalten, der prozentuale Anstieg in Ravensburg fällt daher deutlich geringer aus als in Weingarten. Die eingenommene Hundesteuer in Ravensburg stieg im Vergleich zum Vorjahr um fast 26 000 Euro auf rund 164 000 Euro, was allerdings in erster Linie mit einer Erhöhung der Hundesteuer um 18 Euro zu tun hat. „Wer einen über drei Monate alten Hund hält, muss dies innerhalb eines Monats der Stadtkämmerei mitteilen“, teilt die Stadt mit. Sonst drohe ein Bußgeld.
In Bad Waldsee werden ohnehin schon von Jahr zu Jahr immer mehr Hunde gehalten. Im Jahr 2019 wurden 27 Hunde mehr an- als abgemeldet, im ersten Krisenjahr 2020 waren es dann nur 25. Die Krise hat den Trend zum Hund in Bad Waldsee also zunächst nicht beschleunigt, doch im laufenden Jahr könnte der Boom durchschlagen: Denn schon von Januar bis Mitte April sind 32 Hunde unterm Strich hinzugekommen. Ob tatsächlich die Corona-Pandemie damit zu tun hat, darüber kann nur spekuliert werden. „Der Zuwachs an Hundebesitzern kann sehr unterschiedliche Ursachen haben“, sagt auch die städtische Pressesprecherin Brigitte Göppel.
Die Befürchtung von Tierschützern, dass Tiere leichtfertig angeschafft und dann wieder abgegeben werden, ist im Tierheim Karbach in Wangen noch nicht eingetreten. Im vergangenen Jahr wurden 27 Hunde, 198 Katzen und sieben andere Tiere, wie beispielsweise Hasen und Schildkröten, im Wangener Tierheim aufgenommen. „Ungefähr dieselbe Anzahl wurde von uns vermittelt oder wir konnten, falls es sich um ein Fundtier handelte, den Besitzer wieder ausfindig machen“, erklärt Michaela Albrecht von der Tierschutzgemeinschaft Württembergisches Allgäu.
Den Haustierboom kann die Vorsitzenden Christina Schnitzler daher nicht bestätigen: „Bei uns werden Tiere nicht mehr nachgefragt als vor der Corona-Krise. Wir haben zurzeit auch überwiegend schwierige Hunde, die nicht so leicht vermittelbar sind, da sie sich nicht für jedermann eignen.“Dennoch schließt das die Tierheimvorsitzende nicht aus, dass das Tierheim die Folgen der Pandemie noch zu spüren bekommt: „Gerade dürfen die Leute keinen Kontakt untereinander pflegen und reisen nicht, da kann man Tiere gut halten. Wenn alles wieder erlaubt ist, hoffen wir nicht, dass dann doch das ein oder andere Tier bei uns landet.“