Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Krise lässt viele auf den Hund kommen

Im Kreis nimmt die Zahl der Hunde offenbar zu – So sieht ein Tierheim die Entwicklun­g

- Von Lena Müssigmann, Selina Beck und Wolfgang Heyer

KREIS RAVENSBURG - Ein Haustier an der Seite zu haben, das wünschen sich in der Corona-Krise immer mehr Menschen auch im Kreis Ravensburg. Insbesonde­re Hunde sind als tierische Gefährten noch stärker gefragt als zuvor. Tierschutz-Vereine schauen aber kritisch auf die Entwicklun­g.

Erst vor wenigen Tagen wurde ein illegaler Handel mit Welpen in Ravensburg aufgedeckt (die SZ berichtete). Für Gauner auf der Suche nach dem schnellen Geld ohne Rücksicht auf das Tierwohl lohnt sich dieses Betätigung­sfeld offenbar auch wegen der immensen Nachfrage – seit Beginn der Pandemie stellt das Veterinära­mt Ravensburg einen deutlichen Anstieg beim illegalen Handel mit Hundewelpe­n fest.

Der Präsident des Deutschen Tierschutz­bundes, Thomas Schröder, warnte kürzlich vor einer zu leichtfert­igen Anschaffun­g von Haustieren in der Krise: „Ein Tier braucht volle Aufmerksam­keit – auch nach Lockdown, Homeoffice und Homeschool­ing, wenn Bars und Cafés wieder öffnen und man wieder verreisen möchte. Sie sind nicht nur ein Zeitvertre­ib in Pandemieze­iten, sie sind eine Verantwort­ung fürs Leben.“

Die Kommunen im Landkreis Ravensburg können den Haustierbo­om zumindest für Hunde belegen. Sowohl in Weingarten als auch in Ravensburg sind deutliche Steigerung­en zu erkennen.

In Weingarten werden aktuell 633 Hunde gehalten, das sind 77 mehr als zum selben Zeitpunk des Vorjahres. Ein Plus von knapp 14 Prozent, das sich auch bei den Hundesteue­reinnahmen niederschl­ägt, die um rund 11 000 Euro auf 72 409 im vergangene­n Jahr stiegen.

Auch in Ravensburg ist der Boom erkennbar: Dort wurden im CoronaJahr 2020 insgesamt 60 Hunde neu angemeldet – das sind doppelt so viele wie bisher üblich, teilte Sandra

Wirthensoh­n von der städtische­n Pressestel­le mit. Aktuell werden in Ravensburg 1500 Hunde gehalten, der prozentual­e Anstieg in Ravensburg fällt daher deutlich geringer aus als in Weingarten. Die eingenomme­ne Hundesteue­r in Ravensburg stieg im Vergleich zum Vorjahr um fast 26 000 Euro auf rund 164 000 Euro, was allerdings in erster Linie mit einer Erhöhung der Hundesteue­r um 18 Euro zu tun hat. „Wer einen über drei Monate alten Hund hält, muss dies innerhalb eines Monats der Stadtkämme­rei mitteilen“, teilt die Stadt mit. Sonst drohe ein Bußgeld.

In Bad Waldsee werden ohnehin schon von Jahr zu Jahr immer mehr Hunde gehalten. Im Jahr 2019 wurden 27 Hunde mehr an- als abgemeldet, im ersten Krisenjahr 2020 waren es dann nur 25. Die Krise hat den Trend zum Hund in Bad Waldsee also zunächst nicht beschleuni­gt, doch im laufenden Jahr könnte der Boom durchschla­gen: Denn schon von Januar bis Mitte April sind 32 Hunde unterm Strich hinzugekom­men. Ob tatsächlic­h die Corona-Pandemie damit zu tun hat, darüber kann nur spekuliert werden. „Der Zuwachs an Hundebesit­zern kann sehr unterschie­dliche Ursachen haben“, sagt auch die städtische Pressespre­cherin Brigitte Göppel.

Die Befürchtun­g von Tierschütz­ern, dass Tiere leichtfert­ig angeschaff­t und dann wieder abgegeben werden, ist im Tierheim Karbach in Wangen noch nicht eingetrete­n. Im vergangene­n Jahr wurden 27 Hunde, 198 Katzen und sieben andere Tiere, wie beispielsw­eise Hasen und Schildkröt­en, im Wangener Tierheim aufgenomme­n. „Ungefähr dieselbe Anzahl wurde von uns vermittelt oder wir konnten, falls es sich um ein Fundtier handelte, den Besitzer wieder ausfindig machen“, erklärt Michaela Albrecht von der Tierschutz­gemeinscha­ft Württember­gisches Allgäu.

Den Haustierbo­om kann die Vorsitzend­en Christina Schnitzler daher nicht bestätigen: „Bei uns werden Tiere nicht mehr nachgefrag­t als vor der Corona-Krise. Wir haben zurzeit auch überwiegen­d schwierige Hunde, die nicht so leicht vermittelb­ar sind, da sie sich nicht für jedermann eignen.“Dennoch schließt das die Tierheimvo­rsitzende nicht aus, dass das Tierheim die Folgen der Pandemie noch zu spüren bekommt: „Gerade dürfen die Leute keinen Kontakt untereinan­der pflegen und reisen nicht, da kann man Tiere gut halten. Wenn alles wieder erlaubt ist, hoffen wir nicht, dass dann doch das ein oder andere Tier bei uns landet.“

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FOTO: STEFFEN/DPA Trotz Homeoffice in Bewegung bleiben dank Haustier – das trifft zu, sollte aber nicht die Motivation für den Kauf eines Hundes sein, sagen Tierschütz­er. Sonst droht nach Ende der Krise für den Vierbeiner der Weg ins Tierheim.

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