Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Als eine Adelsfamilie über die Region herrschte
Ein Pfullendorfer Historiker entschlüsselt die Geschichte der oberschwäbischen Ritter im Spätmittelalter
WILHELMSDORF/HORGENZELL Sie haben über viele Ländereien in Oberschwaben geherrscht und die Region geprägt: Mitglieder des Adelsgeschlechts der Gremlich. Was Burgruinen in Fronhofen und Seen bei Wilhelmsdorf mit der Ritterherrschaft zu tun haben, hat der Hobbyhistoriker Kurt Schrem erforscht.
Die Gremlichs zählen zu den ältesten nachweisbaren Adelsgeschlechtern der Stadt Pfullendorf und deren Umland, sagt Schrem. „Als Kirch- und Dorfherren bestimmten sie in den Jahren 1218 bis 1664 in den ihnen gehörenden Dörfern den Ortspfarrer.“Als Notare und Richter waren sie maßgeblich an der Gestaltung des täglichen Lebens beteiligt. Mit ihren Linien Zeller zu Linz, Zußdorf, Sandegg, Memmingen, Krauchenwies, Hasenweiler, Bittelschieß und in ihren Dörfern Einhart, Hausen am Andelsbach und Hippetsweiler herrschten sie im weiten Umland, so Schrem.
In Hasenweiler haben, nach Pfullendorf, nachweislich die meisten Gremlich gelebt. Am Friedhofeingang erinnert ein Wappen der Gremlich noch an die alte Burg. Zu dem Ort gehörten rund zehn weitere Dörfer, so Schrem.
„Die Einnahmen aus den Dorfkirchen gingen an die Gremlich“, sagt der Pfullendorfer. Hasenweiler ging 1467 in den Besitz von Wilhelm Gremlich über.
In Zußdorf sei die erste Nebenlinie des Geschlechtes aufgetaucht – ein Erbe der Hauptlinie aus Pfullendorf. Im Mittelalter soll eine Burg in der Kurve zwischen der Kirche und dem Gasthaus Bräuhaus gestanden haben.
Die Burg ging um 1300 an Konrad Gremlich zu Zußdorf, wie Kurt Schrem recherchiert hat. Zum Herrschaftsgebiet Zußdorf gehörten drei Seen bei Lengenweiler. Heute ist davon nur noch einer übrig: der Lengenweiler See. Zum Besitz zählten zudem mehrere Weiher.
Der Sohn von Konrads Bruder Ulrich, ebenfalls ein Konrad, hatte zu Beginn des 15. Jahrhunderts die Erlaubnis des Abtes in Weingarten, einen Weiher auf dem Wolfsbühl bei Esenhausen zu bauen. 1447 verkaufte Hans Gremlich Zußdorf an die Stadt Ravensburg für 9500 Gulden.
Die Adelsfamilie hat gegen Ende des 15. Jahrhunderts „ein bescheidenes Schloss“gebaut, berichtet Schrem. Ein Rest der Burgtürme stehe heute noch in Fronhofen. Ein Nachkomme von Wilhelm, Wolf Gremlich zu Hasenweiler, hat im
Jahr 1517 das Wasserschloss Bettenreute durch eine Heirat erhalten.
Wolf Gremlich sei „eine der bemerkenswertesten Persönlichkeiten“gewesen. Er hat laut Schrems Quellen zu einem friedlichen Ausgang des Bauernaufstandes 1525 in Oberschwaben beigetragen. So galt er als „Freund der Bauern“und vermittelte zwischen Bauern und städtischen Institutionen. Im Jahr 1601 ging die Herrschaft Hasenweiler durch Zwangsvollstreckung an das Kloster Weingarten. Im Jahr 1664 sei das Adelsgeschlecht ausgestorben.
Seine Recherchen hat Kurt Schrem in einem Buch niedergeschrieben. Sein Werk „Die Gremlich zu Pfullendorf und im Umland“umfasst 416 Seiten – darunter auch zwei Kapitel über Zußdorf und Hasenweiler. Für sein Buch, das im Gmeinder-Verlag erschienen ist, hat er insgesamt 1200 Urkunden und 500 Transkriptionen durchgearbeitet. „Geschichte ist mein Hobby“, sagt Schrem.
Das Kapitel über Hasenweiler umfasst 48 Seiten im Buch. Quellen zu Hasenweiler fand Schrem im Stuttgarter Staatsarchiv, weil die
Besitztümer der letzten Gremlich in Hasenweiler an das Kloster in Weingarten verkauft worden seien. „Mit der Säkularisation ging das Kloster an die Württemberger.“Die historischen Dokumente seien stets von den Ländern behütet worden, sagt Schrem.
Schrems Recherchen dauerten rund zwölf Jahre. Seine Forschung führte ihn durch das österreichische Staatsarchiv in Wien, „denn Ritter unterstanden damals allein dem Kaiser“, durch das Staatsarchiv Stuttgart, das Landesarchiv Karlsruhe sowie durch Regensburg, Sigmaringen und Freiburg. 2018 begann Schrem die Geschichten aufzuschreiben.
„Die Haupthinweise für Zußdorf habe ich im Archiv Altshausen gefunden“, sagt Schrem. Dort habe er viele Kopien von Urkunden und Transkriptionen bekommen. Auf 26 Seiten erfasst Schrem die Chronik der Gremlich zu Zußdorf. Die Akten liegen dort, weil der Ortsteil Pfrungen (Wilhelmsdorf) damals an den Ritterorden verkauft worden sei, „und dessen Sitz war in Altshausen“, so Schrem.