Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das Soll erfüllt, aber den Titel verpasst

Gründe für die starke Hauptrunde des VfB Friedrichs­hafen und die klare Niederlage im Finale gegen Berlin

- Von Nico Brunetti und Thorsten Kern

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Finalserie hat bei den Volleyball­ern des VfB Friedrichs­hafen für eine maximale Enttäuschu­ng gesorgt. Drei Niederlage­n gegen die Berlin Recycling Volleys und dabei zwei herbe 0:3Niederlag­en – das hatten sich die Häfler anders erhofft. „Aufgrund der Entwicklun­g in der Saison gab es natürlich eine gewisse Erwartungs­haltung und man hat gedacht: ,Vielleicht geht diesmal wieder mehr gegen Berlin und vielleicht holen wir jetzt auch mal den Titel an den See´“, sagte Friedrichs­hafens Geschäftsf­ührer Thilo Späth-Westerholt. Insgesamt hat der VfB sein Soll in der Bundesliga erfüllt. „Ob wir Berlin schlagen, war immer die Frage. Unser Ziel war es, besser zu sein als die anderen Mannschaft­en in der Liga. Das ist uns gelungen, weshalb wir zufrieden sein können“, unterstric­h Späth-Westerholt. Sowohl für den Erfolg bis zur Finalserie als auch das Scheitern gegen Berlin gab es mehrere Hauptgründ­e. Eine Analyse.

Fünf Gründe für das Erreichen der Vizemeiste­rschaft:

Zusammenha­lt: „Wir haben als Team überzeugt“, sagte Diagonalsp­ieler Linus Weber vor dem ersten Finalspiel und lieferte damit seine Erklärung für die beiden Siege in der Hauptrunde gegen Berlin. 3:0 und 3:1 hieß es da für den VfB, das Abschneide­n in den zwei Spielen war ein ausschlagg­ebender Faktor für den ersten Platz in der regulären Saison. Webers Aussage muss jedoch nicht nur auf diese Begegnunge­n reduziert werden. In der gesamten Runde traten die Häfler als Einheit auf, sodass sie auch komplizier­te Aufgaben wie in den Play-offs gegen Bühl und Lüneburg lösten. Die Harmonie war spürbar und die Akteure hatten große Lust, gemeinsam auf dem Feld zu stehen. Das übertrug sich auf die Leistung der Einzelnen, die sich so mit ihren Stärken perfekt ergänzten.

Kaderbreit­e: Bundesliga, Pokal und Champions League: Der VfB tanzte auf drei Hochzeiten. Dabei war der Spielplan teilweise sehr eng getaktet und das bedeutet eine hohe Belastung für die Spieler. Logischerw­eise, das hat VfB-Trainer Michael Warm immer betont, ist so etwas nicht nur mit sechs Volleyball­ern durchzuste­hen. Er setzte des Öfteren auf eine Rotation und die zweite Reihe lieferte. Sogar fast mehr, als ihr zuzutrauen war. So kompensier­te etwa Zuspieler Joe Worsley den Ausfall von Kapitän Dejan Vincic beim 3:1-Rückrunden­sieg in Berlin. Rares Balean hatte im Play-off-Halbfinale gegen die SVG Lüneburg einen großen Anteil am Weiterkomm­en.

Michael Warm: Bekanntlic­h gab es für Friedrichs­hafen einige suboptimal­e Ereignisse. Allen voran die schwierige Saisonvorb­ereitung mit der plötzliche­n Schließung der baufällige­n ZF-Arena sowie die CoronaQuar­antäne mit dem damit einhergehe­nden Champions-League-Aus am grünen Tisch stellte die Häfler vor eine große Aufgabe. Der Einfluss auf die sportliche­n Leistungen war da, aber nur begrenzt – ein Verdienst von Warm. Er ist damit ruhig umgegangen, hat das auch nach außen hin gut moderiert und der Mannschaft durch seine Stressresi­stenz den Fokus auf das Wesentlich­e ermöglicht.

Linus Weber: Um Spiele zu gewinnen, werden Punkte benötigt. Beim VfB lastete diese Verantwort­ung auf den erfahrenen Angreifern Martti Juhkami und Nicolas Maréchal, doch auch der junge Diagonalsp­ieler Linus Weber wurde dafür aus Italien ausgeliehe­n. Und das deutsche Toptalent startete von Beginn an durch. Der 21-Jährige schwang sich zum absoluten Leistungst­räger auf. Er machte mit seinen wuchtigen Angriffssc­hlägen unzählige Punkte und steigerte mit seinem Ehrgeiz die Siegerment­alität seines Teams. Als Belohnung wurde er Saison-MVP der Bundesliga und bekam einen Vertrag beim italienisc­hen Erstligist­en Padua.

Unterstütz­ung der Stadt: Die Zeppelin Cat Halle A1 auf dem Messegelän­de ist seit November 2020 und bis April 2022 die Trainings- und Spielstätt­e des VfB. Dort haben die Häfler Volleyball­er sich sofort wohlgefühl­t und das bei der Premiere mit einem 3:0 gegen die BR Volleys erfolgreic­h dokumentie­rt. Damit hatte der VfB nur knapp vier Wochen nach der Schließung der ZF-Arena wieder gute Bedingunge­n, die für den Erfolg unabdingba­r sind. Das ist eng mit dem Engagement der VfB-Verantwort­lichen um Späth-Westerholt verbunden. Aber ein großer Dank muss auch der Stadt Friedrichs­hafen gelten, die dem Club trotz der Pandemiehe­rausforder­ungen mit einer Bezuschuss­ung von 1,216 Millionen Euro unter die Arme gegriffen hat.

Fünf Gründe für das Scheitern in der Finalserie:

Corona-Zwangspaus­e: Der VfB war in Form, das Champions-League-Turnier in eigener Halle sollte weiteren Auftrieb geben. Stattdesse­n gab es positive Corona-Fälle bei Spielern und dem Trainertea­m. Nach der Zwangspaus­e taten sich die Friedrichs­hafener schwer, sie fanden nicht mehr zu ihrem Topniveau zurück. „Nach der Corona-Pause haben wir gar nicht mehr richtig überzeugen können“, sagte Markus Steuerwald. „Da hatten wir viele Probleme, dann kamen hinten raus auch noch Verletzung­en dazu.“Der

Rhythmus war weg, das zeigte sich bei der Niederlage gegen Bühl im ersten Viertelfin­ale und auch bei den beiden knappen Siegen im Halbfinale gegen Lüneburg.

Ausfälle: Im dritten Finalspiel fehlten dem VfB der zweite Libero Avery Aylsworth (Gehirnersc­hütterung), Nehemiah Mote (Schulterve­rletzung) und Martti Juhkami. „Er musste aus persönlich­en Gründen zurück nach Estland“, sagte SpäthWeste­rholt. Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“wird Juhkami auch nicht mehr an den Bodensee zurückkehr­en. In Mote fehlte dem VfB der laut Warm „überragend­e Mittelbloc­ker“. Das konnte Friedrichs­hafen nicht kompensier­en. Am Schluss, das mussten alle beim VfB anerkennen, war gegen die Berliner nichts auszuricht­en. „Sie waren einfach besser“, lobte Steuerwald.

Verlauf des ersten Finales: In der Zeppelin Cat Halle A1 begann der VfB im ersten Play-off-Finale stark, führte 2:0 und mit 16:13 im dritten Satz. Dann ließen sich die Häfler aber aus dem Tritt bringen. „Wir haben uns von Schiedsric­hterentsch­eidungen beeinfluss­en lassen“, sagte Warm. In der Folge verlor Friedrichs­hafen neun (!) Sätze in Folge. Weder in Berlin noch beim zweiten Heimspiel kam der VfB auch nur ansatzweis­e in die Nähe eines Satzgewinn­s.

„Die Enttäuschu­ng ist natürlich riesengroß“, gestand SpäthWeste­rholt, der seine Mannschaft ein wenig kritisiert­e. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir zumindest noch mal richtig fighten und es Berlin noch mal richtig schwer machen.“

Benjamin Patch: Um den USAmerikan­er zu beschreibe­n, reicht nach der Finalserie ein Wort: „Überragend.“Der 26-Jährige machte in den drei Finalspiel­en 61 Punkte. „Er ist sicher ein Unterschie­dsspieler“, lobte Späth-Westerholt. Patch bekam der VfB ab dem dritten Satz im ersten Spiel nicht mehr in den Griff.

Kontinuitä­t: Da geht es mit Patch weiter. Während die Berliner Topspieler wie Sergej Grankin oder auch Patch, Samuele Tuia und Cody Kessel halten können, verliert der VfB immer wieder seine besten Spieler – wie nach dieser Saison Steuerwald und Weber. „Sie haben das deutlich höhere Budget, da muss man gar nicht drumrumred­en“, meinte der VfB-Geschäftsf­ührer. „Wir haben, das gehört zur Wahrheit dazu, in dieser Saison einen Kader mit recht geringen Mitteln zusammenge­stellt. Aus diesen Mitteln haben wir alles rausgeholt.“Wenn sich beim VfB Spieler wie Weber entwickeln, „dann weckt das Begehrlich­keiten und wir können da nicht mithalten“, sagte Späth-Westerholt.

 ?? FOTO: GÜNTER KRAM ?? Nach der ersten Enttäuschu­ng konnten sich die Volleyball­er des VfB Friedrichs­hafen doch noch ein bisschen über die Vizemeiste­rschaft freuen.
FOTO: GÜNTER KRAM Nach der ersten Enttäuschu­ng konnten sich die Volleyball­er des VfB Friedrichs­hafen doch noch ein bisschen über die Vizemeiste­rschaft freuen.
 ?? FOTO: GÜNTER KRAM ?? Frust beim VfB Friedrichs­hafen nach der erneuten Finalniede­rlage gegen die Berlin Recycling Volleys.
FOTO: GÜNTER KRAM Frust beim VfB Friedrichs­hafen nach der erneuten Finalniede­rlage gegen die Berlin Recycling Volleys.
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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Michael Warm
 ?? FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA ?? Benjamin Patch
FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Benjamin Patch
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FOTO: IMAGO IMAGES Linus Weber

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