Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Das Soll erfüllt, aber den Titel verpasst
Gründe für die starke Hauptrunde des VfB Friedrichshafen und die klare Niederlage im Finale gegen Berlin
FRIEDRICHSHAFEN - Die Finalserie hat bei den Volleyballern des VfB Friedrichshafen für eine maximale Enttäuschung gesorgt. Drei Niederlagen gegen die Berlin Recycling Volleys und dabei zwei herbe 0:3Niederlagen – das hatten sich die Häfler anders erhofft. „Aufgrund der Entwicklung in der Saison gab es natürlich eine gewisse Erwartungshaltung und man hat gedacht: ,Vielleicht geht diesmal wieder mehr gegen Berlin und vielleicht holen wir jetzt auch mal den Titel an den See´“, sagte Friedrichshafens Geschäftsführer Thilo Späth-Westerholt. Insgesamt hat der VfB sein Soll in der Bundesliga erfüllt. „Ob wir Berlin schlagen, war immer die Frage. Unser Ziel war es, besser zu sein als die anderen Mannschaften in der Liga. Das ist uns gelungen, weshalb wir zufrieden sein können“, unterstrich Späth-Westerholt. Sowohl für den Erfolg bis zur Finalserie als auch das Scheitern gegen Berlin gab es mehrere Hauptgründe. Eine Analyse.
Fünf Gründe für das Erreichen der Vizemeisterschaft:
Zusammenhalt: „Wir haben als Team überzeugt“, sagte Diagonalspieler Linus Weber vor dem ersten Finalspiel und lieferte damit seine Erklärung für die beiden Siege in der Hauptrunde gegen Berlin. 3:0 und 3:1 hieß es da für den VfB, das Abschneiden in den zwei Spielen war ein ausschlaggebender Faktor für den ersten Platz in der regulären Saison. Webers Aussage muss jedoch nicht nur auf diese Begegnungen reduziert werden. In der gesamten Runde traten die Häfler als Einheit auf, sodass sie auch komplizierte Aufgaben wie in den Play-offs gegen Bühl und Lüneburg lösten. Die Harmonie war spürbar und die Akteure hatten große Lust, gemeinsam auf dem Feld zu stehen. Das übertrug sich auf die Leistung der Einzelnen, die sich so mit ihren Stärken perfekt ergänzten.
Kaderbreite: Bundesliga, Pokal und Champions League: Der VfB tanzte auf drei Hochzeiten. Dabei war der Spielplan teilweise sehr eng getaktet und das bedeutet eine hohe Belastung für die Spieler. Logischerweise, das hat VfB-Trainer Michael Warm immer betont, ist so etwas nicht nur mit sechs Volleyballern durchzustehen. Er setzte des Öfteren auf eine Rotation und die zweite Reihe lieferte. Sogar fast mehr, als ihr zuzutrauen war. So kompensierte etwa Zuspieler Joe Worsley den Ausfall von Kapitän Dejan Vincic beim 3:1-Rückrundensieg in Berlin. Rares Balean hatte im Play-off-Halbfinale gegen die SVG Lüneburg einen großen Anteil am Weiterkommen.
Michael Warm: Bekanntlich gab es für Friedrichshafen einige suboptimale Ereignisse. Allen voran die schwierige Saisonvorbereitung mit der plötzlichen Schließung der baufälligen ZF-Arena sowie die CoronaQuarantäne mit dem damit einhergehenden Champions-League-Aus am grünen Tisch stellte die Häfler vor eine große Aufgabe. Der Einfluss auf die sportlichen Leistungen war da, aber nur begrenzt – ein Verdienst von Warm. Er ist damit ruhig umgegangen, hat das auch nach außen hin gut moderiert und der Mannschaft durch seine Stressresistenz den Fokus auf das Wesentliche ermöglicht.
Linus Weber: Um Spiele zu gewinnen, werden Punkte benötigt. Beim VfB lastete diese Verantwortung auf den erfahrenen Angreifern Martti Juhkami und Nicolas Maréchal, doch auch der junge Diagonalspieler Linus Weber wurde dafür aus Italien ausgeliehen. Und das deutsche Toptalent startete von Beginn an durch. Der 21-Jährige schwang sich zum absoluten Leistungsträger auf. Er machte mit seinen wuchtigen Angriffsschlägen unzählige Punkte und steigerte mit seinem Ehrgeiz die Siegermentalität seines Teams. Als Belohnung wurde er Saison-MVP der Bundesliga und bekam einen Vertrag beim italienischen Erstligisten Padua.
Unterstützung der Stadt: Die Zeppelin Cat Halle A1 auf dem Messegelände ist seit November 2020 und bis April 2022 die Trainings- und Spielstätte des VfB. Dort haben die Häfler Volleyballer sich sofort wohlgefühlt und das bei der Premiere mit einem 3:0 gegen die BR Volleys erfolgreich dokumentiert. Damit hatte der VfB nur knapp vier Wochen nach der Schließung der ZF-Arena wieder gute Bedingungen, die für den Erfolg unabdingbar sind. Das ist eng mit dem Engagement der VfB-Verantwortlichen um Späth-Westerholt verbunden. Aber ein großer Dank muss auch der Stadt Friedrichshafen gelten, die dem Club trotz der Pandemieherausforderungen mit einer Bezuschussung von 1,216 Millionen Euro unter die Arme gegriffen hat.
Fünf Gründe für das Scheitern in der Finalserie:
Corona-Zwangspause: Der VfB war in Form, das Champions-League-Turnier in eigener Halle sollte weiteren Auftrieb geben. Stattdessen gab es positive Corona-Fälle bei Spielern und dem Trainerteam. Nach der Zwangspause taten sich die Friedrichshafener schwer, sie fanden nicht mehr zu ihrem Topniveau zurück. „Nach der Corona-Pause haben wir gar nicht mehr richtig überzeugen können“, sagte Markus Steuerwald. „Da hatten wir viele Probleme, dann kamen hinten raus auch noch Verletzungen dazu.“Der
Rhythmus war weg, das zeigte sich bei der Niederlage gegen Bühl im ersten Viertelfinale und auch bei den beiden knappen Siegen im Halbfinale gegen Lüneburg.
Ausfälle: Im dritten Finalspiel fehlten dem VfB der zweite Libero Avery Aylsworth (Gehirnerschütterung), Nehemiah Mote (Schulterverletzung) und Martti Juhkami. „Er musste aus persönlichen Gründen zurück nach Estland“, sagte SpäthWesterholt. Nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“wird Juhkami auch nicht mehr an den Bodensee zurückkehren. In Mote fehlte dem VfB der laut Warm „überragende Mittelblocker“. Das konnte Friedrichshafen nicht kompensieren. Am Schluss, das mussten alle beim VfB anerkennen, war gegen die Berliner nichts auszurichten. „Sie waren einfach besser“, lobte Steuerwald.
Verlauf des ersten Finales: In der Zeppelin Cat Halle A1 begann der VfB im ersten Play-off-Finale stark, führte 2:0 und mit 16:13 im dritten Satz. Dann ließen sich die Häfler aber aus dem Tritt bringen. „Wir haben uns von Schiedsrichterentscheidungen beeinflussen lassen“, sagte Warm. In der Folge verlor Friedrichshafen neun (!) Sätze in Folge. Weder in Berlin noch beim zweiten Heimspiel kam der VfB auch nur ansatzweise in die Nähe eines Satzgewinns.
„Die Enttäuschung ist natürlich riesengroß“, gestand SpäthWesterholt, der seine Mannschaft ein wenig kritisierte. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir zumindest noch mal richtig fighten und es Berlin noch mal richtig schwer machen.“
Benjamin Patch: Um den USAmerikaner zu beschreiben, reicht nach der Finalserie ein Wort: „Überragend.“Der 26-Jährige machte in den drei Finalspielen 61 Punkte. „Er ist sicher ein Unterschiedsspieler“, lobte Späth-Westerholt. Patch bekam der VfB ab dem dritten Satz im ersten Spiel nicht mehr in den Griff.
Kontinuität: Da geht es mit Patch weiter. Während die Berliner Topspieler wie Sergej Grankin oder auch Patch, Samuele Tuia und Cody Kessel halten können, verliert der VfB immer wieder seine besten Spieler – wie nach dieser Saison Steuerwald und Weber. „Sie haben das deutlich höhere Budget, da muss man gar nicht drumrumreden“, meinte der VfB-Geschäftsführer. „Wir haben, das gehört zur Wahrheit dazu, in dieser Saison einen Kader mit recht geringen Mitteln zusammengestellt. Aus diesen Mitteln haben wir alles rausgeholt.“Wenn sich beim VfB Spieler wie Weber entwickeln, „dann weckt das Begehrlichkeiten und wir können da nicht mithalten“, sagte Späth-Westerholt.