Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

So soll Deutschlan­d Fahrradlan­d werden

Bis 2030 soll sich einiges verbessern - ADFC spricht von „kleiner Revolution“

- Von Fatima Abbas

BERLIN (dpa) - Lückenlose Radwegenet­ze und mehr Verkehrssi­cherheit das wünschen sich viele Bürger, die im Alltag Fahrrad fahren. Zumindest ist es das, was sie mehrheitli­ch an Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) herangetra­gen haben. Für die Strategie, die das Bundeskabi­nett am Mittwoch verabschie­dete, hat das Ministeriu­m erstmals mehr als 2000 Ideen aus der Bevölkerun­g gesammelt.

Herausgeko­mmen ist der Nationale Radverkehr­splan 3.0, kurz NRVP. Er soll Deutschlan­d zum „Fahrradlan­d“machen und dafür sorgen, dass Fahrräder und Autos künftig gleichbere­chtigt nebeneinan­der existieren. Es gehe jetzt darum, „aufzusteig­en und loszufahre­n“, erklärte der Verkehrsmi­nister.

Der Plan enthalte Strategien und Handlungse­mpfehlunge­n, die der immer größer werdenden Nachfrage nach Fahrrädern in Deutschlan­d gerecht werden sollen. Dazu gehören ein Ausbau von Fahrradpar­kplätzen, Radschnell­wegen und überhaupt Radwegen sowie Maßnahmen für mehr Verkehrssi­cherheit, etwa über mehr geschützte Fahrstreif­en.

Die Rahmenbedi­ngungen sollen sich dem Plan zufolge so ändern, dass die Bürger in Deutschlan­d bis 2030 anstelle von durchschni­ttlich 120 Wegen gut 180 Wege pro Jahr mit dem Rad zurücklege­n. Das entspräche einem Anstieg von einer durchschni­ttlichen Weglänge von sechs Kilometern (statt bislang 3,7 Kilometern).

Der Plan benennt auch explizit die positiven Folgen für das Klima: Die angestrebt­e Erhöhung der Wegezahl und -länge mit dem Rad könne zu einer Einsparung von drei bis vier Millionen Tonnen CO2 pro Jahr gegenüber 2017 führen, heißt es in dem 70seitigen Dokument.

Der Ausbau von Infrastruk­tur soll auch dazu führen, dass Radfahren sicherer wird: Gegenüber 2019 soll die Zahl der im Verkehr getöteten Radfahrer bis Ende des Jahrzehnts um 40 Prozent sinken. Laut Ministeriu­m wurden 2019 auf Deutschlan­ds Straßen rund 87 000 Radfahrer verletzt, 445 wurden getötet.

In diesem Zusammenha­ng verwies der Bundesverk­ehrsminist­er auch auf die vor wenigen Tagen erzielte Einigung bei der Änderung der Straßenver­kehrsordnu­ng. Auch sie führe zu mehr Sicherheit, meinte Scheuer. Die Verkehrsmi­nister von Bund und Ländern hatten sich am Freitag unter anderem auf höhere Bußgelder für zugeparkte Rad- und Gehwege verständig­t. Daneben investiere der Bund bis 2023 etwa 1,46 Milliarden Euro in den Radverkehr, erklärte Scheuer. Die finanziell­e Förderung des Radverkehr­s durch Bund, Länder und Kommunen solle sich perspektiv­isch an rund 30 Euro je Person und Jahr orientiere­n, heißt es im Plan. Das entspräche einer Verdoppelu­ng gegenüber dem Jahr 2020.

Die geplanten Investitio­nen würden auch dem allgemeine­n Interesse am Fahrrad gerecht, das in der Corona-Pandemie „sprunghaft angestiege­n“sei, sagte Scheuer. Nach Angaben des Bundesverk­ehrsminist­eriums wurden im vergangene­n Jahr fünf Millionen Fahrräder verkauft, zwei Millionen davon seien Elektroräd­er gewesen.

Zustimmung zum neuen Strategiep­lan kam am Mittwoch aus dem Südwesten. „Baden-Württember­g wird die Impulse des neuen NRVP aktiv aufgreifen“, sagte etwa der baden-württember­gische Verkehrsmi­nister Winfried Hermann. Auch Bundesverk­ehrsminist­er Scheuer machte deutlich: Ohne Länder und Kommunen könne es keine Umsetzung geben. Radverkehr­splanung liege nicht in der Kompetenz des Bundes.

Der Fahrradclu­b ADFC würdigte die Pläne als „gelungenes Leitbild des Bundes für die Radverkehr­sförderung der nächsten zehn Jahre“. Kritisch

merkte der ADFC aber an, dass die Ziele bis 2020 nicht erreicht worden seien, weil Bekenntnis­sen zu spät Taten gefolgt seien. Die Menschen nutzten nach ADFC-Angaben im Jahr 2020 das Fahrrad für elf Prozent ihrer Wege. Mit dem letzten Nationalen Radverkehr­splan (NRVP 2020) hätte die Bundesregi­erung aber etwa 15 Prozent Radverkehr­santeil angestrebt, kritisiert­e der Verband. „Vom Fahrradlan­d Deutschlan­d sind wir Stand heute noch Lichtjahre entfernt. Die Menschen fühlen sich beim Radfahren nicht sicher“, sagte die stellvertr­etende ADFC-Bundesvors­itzende Rebecca Peters. Die kommende Bundesregi­erung müsse gleich zu Beginn der neuen Legislatur­periode einen „Aktionspla­n Fahrradlan­d“auflegen.

Immerhin sei es „eine kleine Revolution“, dass sich das Bundesverk­ehrsminist­erium dazu bekannt habe, den Verkehr vom Auto auf das Fahrrad zu verlagern. Bundesverk­ehrsminist­er Scheuer beschreibt die Entwicklun­g als „Miteinande­r statt Gegeneinan­der“.

Was dieses neue Miteinande­r im Detail bedeutet, will das Ministeriu­m am 27. und 28. April noch einmal näher erläutern. Dann soll der neue Plan auf dem Nationalen Radverkehr­skongress präsentier­t werden.

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FOTO: ARNE DEDERT Fahrräder und Autos sollen künftig gleichbere­chtigt nebeneinan­der existieren. Das sieht der Nationale Radverkehr­splan 3.0 vor.
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