Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
14-Nothelfer-Insolvenz wird viel günstiger
Gläubigerforderungen geringer – Sanierungsgeschäftsführer vom Vorgehen überrascht
WEINGARTEN - Die Insolvenz des ehemaligen Weingartener Krankenhauses 14 Nothelfer wird den Medizin-Campus Bodensee (MCB) und damit die Stadt Friedrichshafen höchstwahrscheinlich deutlich weniger Geld kosten als ursprünglich angenommen. Das hat Sanierungsgeschäftsführer Christian Köhler-Ma am Mittwoch bei einem Pressegespräch erklärt. Damit kassierte er die Aussage des neuen MCB-Geschäftsführers Franz Klöckner wieder ein, der vor zwei Wochen noch verkündet hatte, die Insolvenz werde Friedrichshafen mehr als die ursprünglich angesetzten 13 Millionen Euro kosten. Doch nicht nur das: Auch das Vorgehen der Weingartener Stadtverwaltung, die am Dienstag ihre Rückkaufabsichten öffentlich gemacht hatte, überraschte Köhler-Ma. Gleichwohl räumte er den Plänen gute Chancen ein.
Denn letztlich ist es seine Hauptaufgabe, den rund 65 Gläubigern ihr Geld zu beschaffen und die Kosten für die Klinikum Friedrichshafen GmbH als 95-prozentigem Hauptgesellschafter der Krankenhaus 14 Nothelfer GmbH so gering wie möglich zu halten. Dabei kommt einem möglichen Verkauf des rund 2,5 Hektar großen Grundstückes an der Ravensburger Straße in Weingarten mitsamt den Gebäuden eine zentrale Rolle zu. Wie hoch das Angebot der Stadt Weingarten ist, wollte Köhler-Ma nicht verraten. Allerdings orientiert sich der Betrag an Verkehrswerten, die unter anderem von den Nutzungsmöglichkeiten beeinflusst werden. Köhler-Ma spricht diesbezüglich von einer sehr großen Bandbreite.
Und genau an diesem Punkt kommt der Weingartener Stadtverwaltung eine beim Verkauf im Jahr 2013 festgeschriebene Zweckbindung zugute, die dem MCB einzig die medizinische Nutzung des Areals erlaubt. „Ich kann es nur als Krankenhaus verkaufen“, sagt der Sanierungsgeschäftsführer. Da über eine anderweitige, deutlich lukrativere Nutzung, wie beispielsweise Wohnen oder Gewerbe, nur der Weingartener Gemeinderat entscheiden kann, dürfte sich das Angebot der Stadt Weingarten im niedrigen Millionenbereich bewegen. Wie schon die Verwaltung wollte auch KöhlerMa eine konkrete Summe nicht nennen. Seine Gesamtrechnung gibt aber doch sehr konkrete Anhaltspunkte.
Denn insgesamt stehen aktuell 8,7 Millionen Euro der Gläubiger als Forderungen im Raum. Diese können durch zweierlei Erlöse gedrückt werden. Einerseits sollen zeitnah alle medizinischen Geräte, Betten und sonstiges Inventar aus dem Krankenhaus öffentlich versteigert werden. Andererseits soll das Areal verkauft werden. Da Köhler-Ma aktuell davon ausgeht, dass nach diesen Verkäufen nur noch rund 5,5 Millionen Euro an
Kosten auf die Klinikum Friedrichshafen GmbH zukommen und die Geräte rund 900 000 Euro bringen werden, bleiben 1,3 Millionen Euro für den Verkauf des Areals.
Auch diese Summe möchte Köhler-Ma nicht bestätigen, verschweigt aber auch nicht, dass er das Areal gerne – wie ursprünglich angedacht – gemeinsam mit der Stadt Weingarten entwickelt hätte. Denn so hätte die Nutzung verändert und wohl ein deutlich höherer Erlös erzielt werden können. Doch im Laufe des Prozesses änderte die Verwaltung ihre Meinung und verwies auf die politischen Rahmenbedingungen. Ohne entsprechende Bürgerbeteiligungen – die laut Köhler-Ma wohl Jahre gedauert hätten – könne man das Areal nicht entwickeln. „Ich lebe in einer Welt der kommerziellen Entscheidungen und nicht der Kommunalpolitik“, kommentierte der Sanierungsgeschäftsführer.
Zwar habe es immer wieder Anfragen zum Kauf des Areals von anderen Interessenten gegeben, die teilweise auch noch überlegen. Doch bislang habe niemand ein Angebot abgegeben. Das liege, so glaubt er, auch an der Zweckbindung und der sogenannten Heimfallklausel. Letztere kann als Vorkaufsrecht der Stadt Weingarten verstanden werden. Auch wenn noch nicht klar sei, wie hoch dann der Verkaufswert sei, schrecke das potenzielle Interessenten ab. Wahrscheinlich müsse der angemessene Verkehrswert gar von Gerichten bestimmt beziehungsweise darüber entschieden werden. Das könne mehrere Jahre dauern. So lange will Köhler-Ma nicht warten. „Ich möchte den Gläubigern in möglichst naher Zeit das Geld zurückgeben“, sagt er. Das Insolvenzverfahren soll also zeitnah einen Abschluss finden. Bereits in den kommenden Wochen will er über das Angebot der Stadt verhandeln.
Darüber hinaus sieht der Sanierungsgeschäftsführer eine weitere Möglichkeit, den Verlust für die Klinik GmbH zu reduzieren. So würde er gerne die Betten-Freihaltepauschale im Zuge der Corona-Pandemie im dritten Quartal 2020 noch abrechnen. Das würde rund vier Millionen Euro bringen. Das baden-württembergische Gesundheitsministerium sehe das aber etwas anders. „Es gab strittige Gespräche mit dem Ministerium. Wir sind der Meinung, dass wir da noch Geld bekommen“, sagt er. Sollte es diesbezüglich keine Einigung geben, scheut er auch die juristische Auseinandersetzung nicht: „Das könnte auch gerichtlich geklärt werden. Aber das dauert Jahre, daher ist das nicht sehr attraktiv.“Auch könnte es sein, dass das Ministerium seinerseits Rückzahlungsforderungen für das bereits abgerechnete zweite Quartal stellt, wenn es aufgrund des Leerstandes nur die Hälfte der Betten anrechnet.
Was all das für die Geriatrische Notfallversorgung (Gerinove) bedeutet, die weiterhin in einem Anbau des 14-Nothelfer-Krankenhauses untergebracht ist, ist noch unklar. Nach einem fünfmonatigen coronabedingten Stillstand im vergangenen Jahr wurde im September der Betrieb wieder aufgenommen. Eigentlich würde das Pilotprojekt – gefördert durch 4,6 Millionen Euro durch den Bund – Ende September 2021 enden. Doch weil das Konzept eine Versorgungslücke schließt, würden die Verantwortlichen gerne daran festhalten. „Gerinove ist eklatant sinnvoll, ich bin geradezu begeistert“, sagt Köhler-Ma. Das Problem dabei: „Im Sozialgesetzbuch gibt es gerade keine kostendeckende Lösung.“
Eine gesetzliche Grundlage – gerade mit Blick auf die Abrechnung – muss also erst noch geschaffen werden. Bislang wird alles über die Förderung vom Bund finanziert. Krankenkassen oder die Rentenversicherungen zahlen gar nichts, obwohl bei Gerinove Senioren aufgenommen, für ein paar Tage gepflegt und umsorgt und bei weiteren Schritten unterstützt werden. „Wir organisieren auch eine Kurzzeitpflege oder einen Pflegeheimplatz und helfen bei den Anträgen“, sagt Gerinove-Projektleiterin Barbara Birnbaum. „Das schaffen pflegende 85-jährige Angehörige nicht mehr. Das ist eine Versorgungslücke im System.“
So vermeide man teilweise einerseits eine langfristige Pflege, da viele Senioren nach ihrem Aufenthalt bei Gerinove wieder nach Hause gehen, sorge aber auch dafür, dass keine Betten im Krankenhaus unnötig belegt würden. Damit die Evaluation des Projektes nicht im Bundestagswahlkampf untergeht und dann ganz verschwindet, hat Köhler-Ma bereits einen Antrag auf eine Verlängerung von sechs Monaten gestellt. Schließlich wurden wegen der coronabedingten Zwangspause bereits bewilligte Gelder nicht abgerufen. Er sei optimistisch, dass das klappe, sagte Köhler-Ma.
In einem zweiten Schritt wird es dann darum gehen, ob in der Insolvenz doch noch Gelder für Gerinove aufgebracht werden. Das Ziel sei es, Gerinove in der 14-Nothelfer-GmbH zu erhalten. Und mit Blick auf den künftigen Standort hat Birnbaum auch schon eine Idee: „Das könnte man gut in Weingarten machen.“