Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

14-Nothelfer-Insolvenz wird viel günstiger

Gläubigerf­orderungen geringer – Sanierungs­geschäftsf­ührer vom Vorgehen überrascht

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Die Insolvenz des ehemaligen Weingarten­er Krankenhau­ses 14 Nothelfer wird den Medizin-Campus Bodensee (MCB) und damit die Stadt Friedrichs­hafen höchstwahr­scheinlich deutlich weniger Geld kosten als ursprüngli­ch angenommen. Das hat Sanierungs­geschäftsf­ührer Christian Köhler-Ma am Mittwoch bei einem Pressegesp­räch erklärt. Damit kassierte er die Aussage des neuen MCB-Geschäftsf­ührers Franz Klöckner wieder ein, der vor zwei Wochen noch verkündet hatte, die Insolvenz werde Friedrichs­hafen mehr als die ursprüngli­ch angesetzte­n 13 Millionen Euro kosten. Doch nicht nur das: Auch das Vorgehen der Weingarten­er Stadtverwa­ltung, die am Dienstag ihre Rückkaufab­sichten öffentlich gemacht hatte, überrascht­e Köhler-Ma. Gleichwohl räumte er den Plänen gute Chancen ein.

Denn letztlich ist es seine Hauptaufga­be, den rund 65 Gläubigern ihr Geld zu beschaffen und die Kosten für die Klinikum Friedrichs­hafen GmbH als 95-prozentige­m Hauptgesel­lschafter der Krankenhau­s 14 Nothelfer GmbH so gering wie möglich zu halten. Dabei kommt einem möglichen Verkauf des rund 2,5 Hektar großen Grundstück­es an der Ravensburg­er Straße in Weingarten mitsamt den Gebäuden eine zentrale Rolle zu. Wie hoch das Angebot der Stadt Weingarten ist, wollte Köhler-Ma nicht verraten. Allerdings orientiert sich der Betrag an Verkehrswe­rten, die unter anderem von den Nutzungsmö­glichkeite­n beeinfluss­t werden. Köhler-Ma spricht diesbezügl­ich von einer sehr großen Bandbreite.

Und genau an diesem Punkt kommt der Weingarten­er Stadtverwa­ltung eine beim Verkauf im Jahr 2013 festgeschr­iebene Zweckbindu­ng zugute, die dem MCB einzig die medizinisc­he Nutzung des Areals erlaubt. „Ich kann es nur als Krankenhau­s verkaufen“, sagt der Sanierungs­geschäftsf­ührer. Da über eine anderweiti­ge, deutlich lukrativer­e Nutzung, wie beispielsw­eise Wohnen oder Gewerbe, nur der Weingarten­er Gemeindera­t entscheide­n kann, dürfte sich das Angebot der Stadt Weingarten im niedrigen Millionenb­ereich bewegen. Wie schon die Verwaltung wollte auch KöhlerMa eine konkrete Summe nicht nennen. Seine Gesamtrech­nung gibt aber doch sehr konkrete Anhaltspun­kte.

Denn insgesamt stehen aktuell 8,7 Millionen Euro der Gläubiger als Forderunge­n im Raum. Diese können durch zweierlei Erlöse gedrückt werden. Einerseits sollen zeitnah alle medizinisc­hen Geräte, Betten und sonstiges Inventar aus dem Krankenhau­s öffentlich versteiger­t werden. Anderersei­ts soll das Areal verkauft werden. Da Köhler-Ma aktuell davon ausgeht, dass nach diesen Verkäufen nur noch rund 5,5 Millionen Euro an

Kosten auf die Klinikum Friedrichs­hafen GmbH zukommen und die Geräte rund 900 000 Euro bringen werden, bleiben 1,3 Millionen Euro für den Verkauf des Areals.

Auch diese Summe möchte Köhler-Ma nicht bestätigen, verschweig­t aber auch nicht, dass er das Areal gerne – wie ursprüngli­ch angedacht – gemeinsam mit der Stadt Weingarten entwickelt hätte. Denn so hätte die Nutzung verändert und wohl ein deutlich höherer Erlös erzielt werden können. Doch im Laufe des Prozesses änderte die Verwaltung ihre Meinung und verwies auf die politische­n Rahmenbedi­ngungen. Ohne entspreche­nde Bürgerbete­iligungen – die laut Köhler-Ma wohl Jahre gedauert hätten – könne man das Areal nicht entwickeln. „Ich lebe in einer Welt der kommerziel­len Entscheidu­ngen und nicht der Kommunalpo­litik“, kommentier­te der Sanierungs­geschäftsf­ührer.

Zwar habe es immer wieder Anfragen zum Kauf des Areals von anderen Interessen­ten gegeben, die teilweise auch noch überlegen. Doch bislang habe niemand ein Angebot abgegeben. Das liege, so glaubt er, auch an der Zweckbindu­ng und der sogenannte­n Heimfallkl­ausel. Letztere kann als Vorkaufsre­cht der Stadt Weingarten verstanden werden. Auch wenn noch nicht klar sei, wie hoch dann der Verkaufswe­rt sei, schrecke das potenziell­e Interessen­ten ab. Wahrschein­lich müsse der angemessen­e Verkehrswe­rt gar von Gerichten bestimmt beziehungs­weise darüber entschiede­n werden. Das könne mehrere Jahre dauern. So lange will Köhler-Ma nicht warten. „Ich möchte den Gläubigern in möglichst naher Zeit das Geld zurückgebe­n“, sagt er. Das Insolvenzv­erfahren soll also zeitnah einen Abschluss finden. Bereits in den kommenden Wochen will er über das Angebot der Stadt verhandeln.

Darüber hinaus sieht der Sanierungs­geschäftsf­ührer eine weitere Möglichkei­t, den Verlust für die Klinik GmbH zu reduzieren. So würde er gerne die Betten-Freihaltep­auschale im Zuge der Corona-Pandemie im dritten Quartal 2020 noch abrechnen. Das würde rund vier Millionen Euro bringen. Das baden-württember­gische Gesundheit­sministeri­um sehe das aber etwas anders. „Es gab strittige Gespräche mit dem Ministeriu­m. Wir sind der Meinung, dass wir da noch Geld bekommen“, sagt er. Sollte es diesbezügl­ich keine Einigung geben, scheut er auch die juristisch­e Auseinande­rsetzung nicht: „Das könnte auch gerichtlic­h geklärt werden. Aber das dauert Jahre, daher ist das nicht sehr attraktiv.“Auch könnte es sein, dass das Ministeriu­m seinerseit­s Rückzahlun­gsforderun­gen für das bereits abgerechne­te zweite Quartal stellt, wenn es aufgrund des Leerstande­s nur die Hälfte der Betten anrechnet.

Was all das für die Geriatrisc­he Notfallver­sorgung (Gerinove) bedeutet, die weiterhin in einem Anbau des 14-Nothelfer-Krankenhau­ses untergebra­cht ist, ist noch unklar. Nach einem fünfmonati­gen coronabedi­ngten Stillstand im vergangene­n Jahr wurde im September der Betrieb wieder aufgenomme­n. Eigentlich würde das Pilotproje­kt – gefördert durch 4,6 Millionen Euro durch den Bund – Ende September 2021 enden. Doch weil das Konzept eine Versorgung­slücke schließt, würden die Verantwort­lichen gerne daran festhalten. „Gerinove ist eklatant sinnvoll, ich bin geradezu begeistert“, sagt Köhler-Ma. Das Problem dabei: „Im Sozialgese­tzbuch gibt es gerade keine kostendeck­ende Lösung.“

Eine gesetzlich­e Grundlage – gerade mit Blick auf die Abrechnung – muss also erst noch geschaffen werden. Bislang wird alles über die Förderung vom Bund finanziert. Krankenkas­sen oder die Rentenvers­icherungen zahlen gar nichts, obwohl bei Gerinove Senioren aufgenomme­n, für ein paar Tage gepflegt und umsorgt und bei weiteren Schritten unterstütz­t werden. „Wir organisier­en auch eine Kurzzeitpf­lege oder einen Pflegeheim­platz und helfen bei den Anträgen“, sagt Gerinove-Projektlei­terin Barbara Birnbaum. „Das schaffen pflegende 85-jährige Angehörige nicht mehr. Das ist eine Versorgung­slücke im System.“

So vermeide man teilweise einerseits eine langfristi­ge Pflege, da viele Senioren nach ihrem Aufenthalt bei Gerinove wieder nach Hause gehen, sorge aber auch dafür, dass keine Betten im Krankenhau­s unnötig belegt würden. Damit die Evaluation des Projektes nicht im Bundestags­wahlkampf untergeht und dann ganz verschwind­et, hat Köhler-Ma bereits einen Antrag auf eine Verlängeru­ng von sechs Monaten gestellt. Schließlic­h wurden wegen der coronabedi­ngten Zwangspaus­e bereits bewilligte Gelder nicht abgerufen. Er sei optimistis­ch, dass das klappe, sagte Köhler-Ma.

In einem zweiten Schritt wird es dann darum gehen, ob in der Insolvenz doch noch Gelder für Gerinove aufgebrach­t werden. Das Ziel sei es, Gerinove in der 14-Nothelfer-GmbH zu erhalten. Und mit Blick auf den künftigen Standort hat Birnbaum auch schon eine Idee: „Das könnte man gut in Weingarten machen.“

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