Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Drogen an Minderjährigen in Leutkirch verkauft
Gefängnisstrafe wegen Handels und Besitzes von Drogen in nicht geringer Menge
WANGEN (sz) - Ein Geflüchteter aus Kamerun ist vom Richter und zwei Schöffen des Wangener Amtsgerichts zu drei Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt worden, weil er in größerem Umfang Drogen verkauft haben soll, auch an Minderjährige, und nicht unerhebliche Menge in einer Asylunterkunft aufbewahrt haben soll.
Vor der Stadthalle Wangen steht ein blauer Van mit der Aufschrift „Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg“. Von dort wurde der Angeklagte zu seiner heutigen Verhandlung gebracht.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Geflüchteten vor, im Zeitraum von Ende 2019 bis April 2020, Amphetamine und Marihuana veräußert zu haben. Die Übergaben fanden in einer Asylunterkunft in Leutkirch statt. Mit zu den Abnehmern habe auch ein noch nicht ganz volljähriger Drogenkonsument gehört. Zu einem späteren Zeitpunkt fand man bei ihm in einer Asylunterkunft in Argenbühl knapp ein Kilo Marihuana, wo er die Drogen auch verkauft haben soll. Insgesamt seien Betäubungsmittel mit einem Gewinn von 21 000 Euro veräußert worden.
Der Mann aus Kamerun lässt, nachdem die Anklageschrift verlesen worden ist, über seinen Dolmetscher sagen, dass er keine Angaben zu den Tatvorwürfen machen werde.
Gegen den ersten Zeugen, der nun den Saal betrat, werden bereits Ermittlungen geführt. Daher stand es ihm frei, eine Aussage zu machen, wenn er sich dadurch selbst einer Straftat bezichtigen müsse. Der Zeuge gab zu, dass er bei dem Angeklagten mehrmals „Speed“gekauft habe. Der Kontakt sei über WhatsApp zustande gekommen.
Ein weiterer Geflüchteter aus dem Irak wurde von der JVA Kempten vor den Richter und die Schöffen geführt und sollte als Zeuge verhört werden. Da aber auch für ihn die UHaft und das Verfahren gegen ihn noch nicht abgeschlossen war, stand es ihm ebenfalls frei, die Aussage zu verweigern. Dieses Recht nahm der Mann in Anspruch und verließ nach einer Minute den Zeugenstand. Noch zwei weitere Zeugen beriefen sich auf das ihnen per Gesetz zustehende Aussageverweigerungsrecht.
Der Käufer, der damals noch nicht volljährig gewesen sein soll, fehlte als Zeuge unentschuldigt. Daher versucht der Richter im Laufe der Verhandlung, ihn über die Polizei ausfindig zu machen, um ihn als Zeuge vorzuführen.
Die Verteidigerin bemerkte noch, dass ihr Mandant einige der Drogenverkäufe einräumte. Diejenigen, die über WhatsApp abgesprochen worden sein sollen sowie der Verkauf an den Minderjährigen habe er jedoch abgestritten. „Wie soll das gehen? Mein Mandant kann weder lesen noch schreiben“, gab die Anwältin dem Gericht zu bedenken. In Kamerun habe der Angeklagte nie eine Schule besucht. Mit elf habe er begonnen auf einer Baustelle zu arbeiten. Sein Land verlassen habe er, weil die Leute sagten, er sei verhext. Daher wurde er von seiner Familie ausgestoßen. Seit er in Deutschland ist, trinke er fast täglich eine Flasche Whiskey und rauche fünf Joints pro Tag. „Ich höre immer Stimmen, die sagen, dass ich mich umbringen soll“, sagte der junge Mann über seinen Dolmetscher.
Eine Fachärztin für Psychiatrie, die mit dem Angeklagten Gespräche geführt hat, erklärt in ihren Ausführungen über die seelische Situation ihres Patienten, dass man seinen Zustand schon dem schizophrenen Formenkreis zuordnen könne. Das Hauptsymptom läge hierbei auf den akustischen Hörsignalen. Nach Einstellung der Medikamente, habe sich dieser Zustand jedoch verbessert.
Was die Angaben seines Alkoholund Drogenkonsums angeht, können diese nicht stimmen, denn er habe keinerlei Entzugserscheinungen gehabt, seit er in U-Haft ist, so die Fachkundige. Es läge zwar eine starke seelische Störung vor, aber „eine Einschränkung der Schuldfähigkeit ist hier nicht gegeben“, so die Ärztin.
Der Richter gibt nach fortgeschrittener Verhandlung bekannt, dass auf den Zeugen, der damals als Minderjähriger vom Angeklagten die Drogen bekommen hat, verzichtet wird. Für die Staatsanwältin haben sich die Vorwürfe der Anklageschrift größtenteils bestätigt. Unerlaubtes Handel treiben mit Betäubungsmitteln in 16 Fällen, unerlaubter Besitz, Verkauf von Drogen an einen Minderjährigen. Sie hielt eine Gefängnisstrafe von drei Jahren und acht Monaten für angemessen.
„Wir dürfen nicht vergessen, dass mein Mandant krank ist. Es gilt ihn zu schützen als kranker Mensch“, sagte die Verteidigerin in ihrem Plädoyer. Darüber hinaus sei es unmöglich für ihn mit Chatverläufen Verkäufe zu organisieren. Sie plädiere nicht für Freispruch, da er ja einige Taten eingeräumt hat, aber im Hinblick auf die ausländerrechtlichen Konsequenzen, bat die Verteidigerin das Gericht Milde walten zu lassen und eine Mindeststrafe in Betracht zu ziehen.
Für den Richter und die Schöffen war klar, dass die vorgeworfenen Taten größtenteils auf das Konto des Angeklagten gingen. „Wenn Sie nicht lesen und schreiben können, warum ist dann überhaupt WhatsApp auf Ihrem Handy mit drauf“, sagte der Richter unter anderem in der Begründung des Urteils. Die Chatverläufe seien zudem sehr kurz und einfach gefasst, die er auch ohne Schulbildung hätte schreiben können.
Das Urteil des Gerichts lautete auf drei Jahre und zwei Monate Haft. Die Fortsetzung der Untersuchungshaft wurde vom Richter angeordnet. Der Angeklagte muss den Wertersatz von 21 000 Euro entrichten und die Kosten des Verfahrens übernehmen.