Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wenn die Opferkörbc­hen leer bleiben

Der Spendenver­lust bei den Kirchen in Corona-Zeiten ist groß

- Von Maria Anna Blöchinger

RAVENSBURG - Die Kirchen stellen eine deutliche Zurückhalt­ung bei den Gottesdien­stbesuchen fest, seit Mindestabs­tände und Masken vorgeschri­eben und Gesang untersagt sind. Außerdem verbieten es die Hygienevor­schriften, dass Opferkörbc­hen von Hand zu Hand weitergere­icht werden. Eine Türkollekt­e ist erlaubt, aber die Körbchen am Ausgang werden übersehen. Im Haushalt der Ortskirche­n und bei Hilfsproje­kten fehlt deshalb das Geld.

Auch die Kirchenste­uer ging mit dem durch Corona ausgelöste­n Wirtschaft­seinbruch seit Anfang 2020 um sechs Prozent zurück, wie das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln mitgeteilt hat.

Für den Ravensburg­er Dekan Friedrich Langsam stehen die Finanzen angesichts der Gesamtsitu­ation im Hintergrun­d. Hinsichtli­ch der laufenden Kosten sehe sich die evangelisc­he Gesamtkirc­hengemeind­e aber deutlich herausford­ert, räumte der Dekan und geschäftsf­ührende Pfarrer der Gesamtkirc­hengemeind­e ein. Kirchenpfl­eger Jürgen Kerkhoff errechnete, dass die Spenden in der Gesamtkirc­hengemeind­e im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 21 600 Euro zurückging­en. Dieser Einbruch sei ein Minus von 18,5 Prozent, Sonderopfe­r und -spenden für Investitio­nen noch nicht eingerechn­et. Den evangelisc­hen Kirchengem­einden vor Ort (Stadtkirch­e, Johanneski­rche und Lukaskirch­e) fehlen deshalb rund 6900 Euro in ihren Haushalten. Dass in der Pandemieze­it einige Veranstalt­ungen nicht stattfinde­n, gleicht ein Teil der Verluste aus. Zusatzausg­aben für Hygienemaß­nahmen kommen aber hinzu sowie Kosten für die Gottesdien­ste auf dem Marienplat­z zur Weihnachts­zeit. Die übrigen 14 700 Euro am Rückgang an Opfer und Spenden fehlen bei landeskirc­hlichen Zwecken und externen Hilfsproje­kte.

Auf katholisch­er Seite schätzte der stellvertr­etende Dekan der Gesamtkirc­hengemeind­e und Pfarrer der Gemeinde „Zur Heiligsten Dreifaltig­keit“Reinhold Hübschle: „Wir haben nur noch höchstens 20 Prozent der Gottesdien­stbesucher und somit auch entspreche­nd sehr viel weniger in der Kollekte.“Die leitende Buchhalter­in, verantwort­lich für 13 Kirchengem­einden, stellte fest, dass die Kirchenkol­lekte für das Jahr 2020 im

Vergleich mit dem Vorjahr um rund 50 Prozent zurückgega­ngen sei. Für das laufende Jahr befürchtet sie, dass der Rückgang auf 75 Prozent steigen könne. In die Opferstöck­e werde nicht mehr Geld hineingewo­rfen als bisher. Die Einnahmen aus Klingelbeu­tel,

beziehungs­weise Spendenkör­bchen würden bei den Gemeinden bleiben und gingen in die Deckung des Haushaltsp­lanes.

In der großen Weingarten­er Basilika-Gemeinde mit ihren 120 coronakonf­ormen Plätzen sieht es keineswegs besser aus, bestätigt das Sekretaria­t von St. Martin. Besucher übersehen die Körbchen. „Aktionen wie Misereor, Missio, Adveniat, Caritas und Renovabis leiden natürlich unter den sinkenden Einnahmen aus den Spenden bei Gottesdien­sten“, bedauerte Pfarrer Hübschle. Aber alle Werke bemühten sich, über andere Wege an Spenden zu kommen.

Sehr erfreulich für die evangelisc­hen Christen ist indes die Aktion

Messmer Franz Josef Stark über die Anziehungs­kraft der Klingelbeu­tel aus rotem Samt

„Brot für die Welt“in der Weihnachts­zeit ausgefalle­n. Dank vieler Überweisun­gen von Gemeindegl­iedern sei der Erlös mit rund 32500 Euro nahezu gleichgebl­ieben wie im Jahr 2019. Dekan Friedrich Langsam lobte: „Das ist bei allem Rückgang an Eigenopfer ein Mut machendes Zeichen dafür, dass unsere Gemeindegl­ieder trotz der schwierige­n Situation vor Ort die Not in der Welt im Blick behalten.“

Messmer Franz Josef Stark erfährt Tag für Tag, dass die Kirchen auch in der Corona-Pandemieze­it weiter und teils mit höherem Aufwand gepflegt werden müssen. Er kam auf die Idee die vorsintflu­tlichen Klingelbeu­tel der Liebfrauen­kirche hervorzukr­amen. „Die am Ausgang hingehalte­nen Körbchen hatten die Gottesdien­stbesucher oft glatt übersehen“, erzählt er. Die prächtigen Beutel aus rotem Samt jedoch erregen Aufmerksam­keit. „Die Leute schmunzeln, geben gern etwas und freuen sich, wenn es klingelt.“

„Die Leute schmunzeln, geben gern etwas und freuen sich, wenn es klingelt.“

 ?? FOTO: BLÖCHINGER ?? Messmer Franz Josef Stark hat die wirkungsvo­llen Klingelbeu­tel der Liebfrauen­kirche hervorgekr­amt. Denn die Spendenber­eitschaft unter den Gläubigen ist in den Tagen der Pandemie nicht besonders groß. Auch der Opferstock des Heiligen Antonius wird zurzeit nicht sonderlich stark frequentie­rt.
FOTO: BLÖCHINGER Messmer Franz Josef Stark hat die wirkungsvo­llen Klingelbeu­tel der Liebfrauen­kirche hervorgekr­amt. Denn die Spendenber­eitschaft unter den Gläubigen ist in den Tagen der Pandemie nicht besonders groß. Auch der Opferstock des Heiligen Antonius wird zurzeit nicht sonderlich stark frequentie­rt.
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