Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Land besorgt über Impfquote bei sozial Schwächeren
Kliniken und Ärzte im Südwesten haben Hinweise auf mehr Erkrankungen unter anderem bei Migranten
STUTTGART (dpa) - Im Kampf gegen die nach wie vor hohe Zahl von Corona-Infektionen nehmen das Land und die Großstädte zunehmend die Stadtteile ins Visier, in denen Menschen mit geringem Einkommen und in beengten Wohnverhältnissen leben. Menschen in schwierigen sozialen Lebensumständen lebten oft in kleinen Wohnungen und arbeiteten dort, wo man sich weniger vor einer Ansteckung schützen könne, teilte das badenwürttembergische Gesundheitsministerium am Mittwoch in Stuttgart mit. Deshalb sei es in sozialen Brennpunkten wichtig, einen einfachen Zugang zur Impfung zu ermöglichen und die Menschen zum Beispiel durch andere Migranten oder Religionsgemeinschaften anzusprechen und aufzuklären.
Das Land will die Impfangebote in den betroffenen Quartieren und Stadtteilen ausbauen, wie Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) am Mittwoch mitteilte. „Wir müssen verstärkt zu jenen Menschen gehen, die ansonsten schwerer zu erreichen sind“, sagte der Ressortchef nach einem Gespräch mit Vertretern von Verbänden und Kirchen. Anlass für das Gespräch waren laut Ministerium Hinweise aus Kliniken und von niedergelassenen Ärzten, dass Menschen mit Migrationshintergrund aktuell in höherem Maße von Covid-19 betroffen seien und auch schwere Verläufe erlebten. Daten dazu gibt es allerdings nicht, weil die Gesundheitsämter einen möglichen Migrationshintergrund nicht erfassen.
Das Landesgesundheitsamt geht mit Verweis auf Studien nicht von einem direkten Zusammenhang zwischen der Einwanderungsgeschichte eines Menschen und Covid-19 aus: „Beobachtbare Unterschiede scheinen nicht migrationsspezifisch zu sein, sondern viel mehr von sozioökonomischen Situationen der Betroffenen beeinflusst zu werden.“
Die Stadt Stuttgart hat ähnliche Erfahrungen gemacht und setzt vor allem darauf, die Menschen in den betroffenen Vierteln besser zu informieren und so direkt wie möglich anzusprechen. Nach einer neuen Studie weisen auch in der Landeshauptstadt vor allem strukturschwache Viertel ein erhöhtes Infektionsgeschehen auf. „Kennzeichen für diese Bereiche sind beengte Wohnverhältnisse und ein hoher Anteil an benachteiligten Bevölkerungsgruppen, auch Umweltfaktoren wie Lärm finden Niederschlag im Infektionsgeschehen“, sagte Markus Niedergesäss, einer der Autoren der Studie.