Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Von Protest zu Protest

- Von Frank Hautumm

Proteste waren die Begleitmus­ik dieser Woche. Zunächst marschiert­en die „Querdenker“, die nicht mehr „Querdenker“heißen wollen (ziemlich genau seitdem sie der Verfassung­sschutz beobachtet), von Weingarten nach Ravensburg. Nur um das Wohl ihrer Kinder besorgte Mütter und Väter waren da unterwegs, sagen sie. Von diesen kennen wir auch viele und darunter sind ebenfalls einige, die die Maskenpfli­cht an Schulen und andere Corona-Regeln nicht nur erbaulich finden. Von „Volkszorn“und „Genozid“wie auf der Bühne in Weingarten sprechen sie aber eher nicht. Und Lieder der extrem rechten HooliganBa­nd „Kategorie C“(Kostprobe: „Deutschlan­d dein Trikot, das ist schwarz und weiß, doch leider auch die Farbe deiner Spieler“) laufen beim Kitafest auch selten. Vor der Veranstalt­ung in Weingarten vergangene­n Sonntag allerdings schon, wie das Internetpo­rtal „Allgäu Rechtsauße­n“berichtet. Das Ganze stand dazu unter dem schönen Motto: „Zeig dein Gesicht für unsere Kinder.“Womit die versteckte Aufforderu­ng, keine Maske zu tragen, in etwa genauso originell in eine Überschrif­t verpackt wurde wie im vergangene­n Jahr die Provokatio­n, bei der Demo am Rutenfestw­ochenende dem „Ruf der Trommler“zu folgen.

Während die „Querdenker“zahlenmäßi­g eher kleiner werden, weitet sich ein anderer Protest aus. Die Szene von Klimaaktiv­isten aus dem Kreis, die vor Weihnachte­n mal als einsame Baumbesetz­er an der Schussenst­raße begonnen haben, vermischt sich mit selbst ernannten externen „Unabhängig­en“, die diese Woche Zufahrten zu Kiesgruben blockierte­n und inzwischen im Altdorfer Wald ein größeres Lager aufgeschla­gen haben. Der Protest wird dabei zunehmend aggressiv bis militant. Kein Wunder, sagt die Polizei, die Mitglieder einer bundesweit organisier­ten Gruppe von „Berufsdemo­nstranten“identifizi­ert hat. Bei dem, gegen das sich ihre Wut richtet, geht es wild durcheinan­der: Gegen Umweltzers­törung, gegen Nazis und auf dem gleichen Plakat gegen „Bullen“. Die Frage ist, wie lange es sich junge Menschen mit ernsthafte­n Anliegen und nachvollzi­ehbaren Argumenten erlauben können und wollen, sich mit Mitstreite­rn zu solidarisi­eren, die sogar Unfälle provoziere­n und Unbeteilig­te gefährden.

Für Offenheit, Vielfalt und Toleranz sollten diese Woche Regenbogen­streifen im Weingarten­er Stadtgarte­n ein Zeichen setzen. Ein paar Stunden später waren sie zerfetzt. Die Täter sind bislang unbekannt. Oberbürger­meister Markus Ewald hat Recht: Dieser Vandalismu­s ist wohl eine „gezielte Zerstörung, die von enormer Respektlos­igkeit gegenüber vielfältig­en Lebensform­en zeugt“. Diese Respektlos­igkeit zeigt sich an anderer Stelle ganz offen, beispielsw­eise da, wo die Redaktion Briefe bekommt, in denen unter vollem Namen von „Verschwulu­ngsförderu­ng“schwadroni­ert wird und davon, dass Homosexual­ität mal ein Straftatbe­stand war und laut Altem Testament Todsünde bleibt.

Wie gut, dass wir an dieser Stelle noch auf eine andere Veranstalt­ung verweisen können: Das „Aktionsbün­dnis 8. Mai“lädt am Samstag (12 Uhr) 76 Jahre nach der Befreiung von Faschismus und Krieg zu einer Gedenkvera­nstaltung an den Ort ein, wo in Ravensburg einst das „Rote Haus“stand. Dieses Gebäude, das ehemalige Gefängnis am Katzenlies­elesturm, galt bis zu seinem Abriss 1986 als Symbol des nationalso­zialistisc­hen Unrechtsst­aates.

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