Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die neue Brücke und der gesperrte Bahnübergang
2,3 Millionen für den Neubau in Kehlen sind in Aussicht – Nur: Wann ergibt sich ein Zeitfenster?
KEHLEN - Ein Neubau der Schussenbrücke in Kehlen ist mit Blick auf den Zustand und die Gefahr bei Hochwasser dringend angeraten. Nur wann? Bodenseekreis und Gemeinde ziehen an einem Strang, und auch vom Land liegt die Förderzusage vor: Immerhin geht es um Gesamtkosten von 2,3 Millionen Euro. Allerdings: Erst muss der Bahnübergang gerichtet und die Bundesstraße saniert sein. Acht Aspekte dazu:
Vorgeschichte: Nach dem Neubau der Südumfahrung mit Verkehrsfreigabe im Oktober 2019 wird die bisherige Ortsdurchfahrt von Kehlen von der Kreis- zur Gemeindestraße abgestuft. Auch Unterhaltungslast und Verkehrssicherungspflicht liegen nun bei der Gemeinde.
Kosten: Teil der Ablösevereinbarung und fair ist, dass der Landkreis die Sanierungskosten übernimmt. Mit Straßenausbesserung und Brückenneubau summieren die sich auf 2,2 Millionen Euro. Im Juli 2020 stimmen die Kreisräte dem Ersatzneubau zu.
Aus der Pressestelle des Landratsamts heißt es auf SZ-Anfrage: „Das Landratsamt agiert quasi als Ingenieurbüro
und trägt den Eigenanteil abzüglich der Förderung, die die Gemeinde nach dem LGVFG erhält.“Im Kreishaushalt sind jedenfalls 2,5 Millionen Euro eingeplant.
Förderung: Zumindest finanziell rückt der Neubau näher. Von Landesseite sind dafür Fördermittel in Höhe von 1,255 Millionen Euro zugesagt. Die Neuaufnahme ins Programm 2021 ist zugleich die zweitschwerste im Regierungspräsidium Tübingen (nach der Umgestaltung der Ortsdurchfahrt Unlingen). Bei Gesamtkosten von 2,37 Millionen Euro werden der Gemeinde 1,255 Millionen an Fördergeldern in Aussicht gestellt.
Da es sich aber um ein zweistufiges Verfahren handelt, muss erst die Aufnahme ins Programm im Rathaus vorliegen, ehe die Gemeinde die Förderung beantragen kann.
Bauwerk: Die Besonderheit: Die neue Brücke wird angehoben – um stolze 1,3 Meter am höchsten Punkt. Damit soll die Einstaugefahr durch die Schussen vom Tisch sein, wie sie bei einem 100-jährigen Hochwasser vorliegt – und sich zuletzt 2008 und 2021 in aller Brisanz offenbart hatte. Aufgrund der Anhebung muss es beidseits zu Angleichungen hin zur Straße, aber auch bei der Zuführung zur benachbarten Radfahrerbrücke kommen. Sie weist das geforderte Höhenniveau bereits auf.
„Eine mächtige Gründung“sieht Straßenbauamtsleiter Tobias Gähr als nötig an. Bis zu 25 Meter tief müssen die Bohrpfähle in den Boden versenkt werden.
Zeitfenster: Diffizil ist der Zeitplan, da sich drei Themen bedingen – Bahnübergang, Brückenbau und Belagssanierung B30. Klar ist: Der Bau der Schussenbrücke ist nur möglich, wenn die B30 frei ist, und beides hängt davon ab, wie es am Bahnübergang weitergeht. „Insgesamt haben die Maßnahmen der Deutschen Bahn (Bahnübergang) und des RP (B30) Vorrang. Dies würde bedeuten, dass die Baumaßnahme Schussenbrücke erst möglich ist, wenn zunächst der Bahnübergang offen ist und dann die B30 Belagssanierung abgeschlossen ist“– so bringt es Lisa Heinemann auf den Punkt.
Die Pressesprecherin der Gemeinde schränkt zugleich ein: „Hierzu konkret eine zeitliche Linie aufzustellen, ist aktuell leider nicht möglich. Die Straßenverkehrsbehörde hat berechtigte Gründe, den Bahnübergang nicht zu öffnen. Die Gemeinde beteiligt sich intensiv an den laufenden Abstimmungen mit den Gutachtern, Landratsamt und Deutsche Bahn. Alle Beteiligten sind aktuell bemüht, gute Lösungen zu finden. Der Plan ist, zunächst eine Überfahrung des BÜ mit Tempo 30 zu ermöglichen, langfristig dann auch mit Tempo 50 (dies dann aber in einem separaten Schritt).“
Und nicht zu vergessen: Während der Laichzeit (ungefähr Oktober) darf kein Abbruch der Brücke erfolgen.
Sanierung: B30: Auf dem 2,6 Kilometer langen Abschnitt zwischen dem Kreisel bei der Südumfahrung Kehlen und der Einmündung L 329/ Tettnanger Straße in Meckenbeuren ist die B30 stark beschädigt. Das Regierungspräsidium beabsichtigt, die Fahrbahn in Teilabschnitten zu sanieren. Die Kosten von rund einer Million Euro trägt der Bund.
Besonderheit: Seit August 2018 besteht für die Brücke eine Tonnagebeschränkung, von der Linienbusse ausgenommen sind. Das Schild „7,5 Tonnen“ist den Schäden am Belag und am Unterbau geschuldet und weist auf die Frage der Tragfähigkeit hin.
Geschichte: Der nicht mehr sanierbare Zustand hat auch mit dem Alter der Spannbetonbrücke zu tun. 1952, also vor fast 70 Jahren, wurde sie innerhalb von sechs Monaten von der Firma Züblin erbaut – sie trat an die Stelle einer im Jahr 1900 erbauten Eisenträgerbrücke. Aufgrund des schlechten Untergrunds musste schon 1952 ein Rost aus 28 je zehn Meter langen Pfählen gesetzt werden.