Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Konsequenzen des Klimaschutzes
Was die verschärften Ökoziele für Verbraucher in Zukunft bedeuten
BERLIN - In knapp 25 Jahren soll der Treibhausgas-Ausstoß auf nahezu null sinken. Das ist kein langer Zeitraum: Er umfasst beispielsweise die Lebensspanne eines Kindes, das heute geboren wird, etwa bis zum Ende seines Studiums. Der materielle Alltag wird sich in diesen zweieinhalb Jahrzehnten deutlich verändern. Benzinbetriebene Fahrzeuge, wie sie heute auf hiesigen Straßen unterwegs sind, gibt es dann kaum noch. In den Kellern der Häuser werden auch keine Brennkessel mehr stehen. Diese und weitere Veränderungen löst das neue Klimaschutzgesetz aus, das das Bundeskabinett wohl am Mittwoch verabschiedet.
Was das Gesetz grundsätzlich bedeutet
Alles, was Treibhausgase, vor allem Kohlendioxid (CO2), verursacht, wird sehr teuer. Denn die Preise für die Verschmutzungsrechte im Rahmen des europäischen und deutschen Emissionshandels steigen. Das betrifft sowohl die Erzeugung von Energie aus fossilen Ressourcen wie Kohle und Erdgas in Kraftwerken, als auch die Verwendung der daraus gewonnenen Treib- und Heizstoffe in Industrie, Gebäuden, Verkehr und Landwirtschaft. Die Details stehen in weiteren Gesetzen, die noch in diesem Sommer, wahrscheinlich aber erst nach der Bundestagswahl beschlossen werden.
Was im Klimagesetz steht
Der wesentliche Punkt ist, dass für die einzelnen Sektoren der Wirtschaft festgelegt wird, in welchen Schritten ihr Kohlendioxidausstoß sinken muss. Während beispielsweise die Kraftwerke 2020 noch 280 Millionen Tonnen CO2 verursachten, sollen es 2040 nur noch 27 Millionen Tonnen sein. Beim Verkehr sinkt die Menge von 150 Millionen auf 25 Millionen. Dazwischen gibt es teilweise konkrete Jahresstufen für die Reduktion. Damit reagiert die Bundesregierung auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz vom 29. April.
Der Autoverkehr der Zukunft Die Preise für Benzin und Diesel werden deutlicher steigen als bisher geplant – um wieviel, ist aber noch unklar. Das ergeben demnächst erst die Verhandlungen über das Emissionshandelsgesetz (BEHG). Ein Klimaaufschlag von 30 Cent auf den heutigen Preis eines Liters Super im Jahr 2025 erscheint aber nicht unwahrscheinlich. Damit dürfte die Attraktivität von Benzinfahrzeugen sinken, die von Elektroautos dagegen steigen. In diese Richtung wirken auch staatliche Kaufzuschüsse für Stromvehikel. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) brachte kürzlich selbst Subventionen für den Kauf von E-Bikes und Fahrrädern ins Gespräch.
Heizkessel werden ausrangiert Die heute gängigen Öl- und Gasheizungen in den Kellern von Wohnund
Fabrikgebäuden müssen einer „Kombination aus Solarthermie und Wärmepumpen“Platz machen, sagte Patrick Graichen von der Organisation Agora Energiewende. Während die Pumpen Wasser mittels Erdwärme erhitzen, holen Kollektoren auf den Dächern ihre Heizenergie aus dem Sonnenlicht. Als Anreiz für die Umrüstung wirkt der zunehmende CO2-Aufschlag für fossil befeuerte Heizungen. Damit steigt die Rechnung der Privathaushalte. Möglicherweise müssen die Immobilienbesitzer einen Teil der Nebenkosten der Mieter übernehmen.
Moderater Preisanstieg beim Fliegen
Die Kostensteigerung für Urlaubsund Geschäftsflüge dürfte sich bis 2030 in Grenzen halten, meint Graichen. Ein Grund: Außereuropäische Flüge unterliegen bisher nicht dem Emissionshandel. Ab 2030 allerdings werden wohl auch die Flugtickets massiv teurer. Flüge für 80 Euro nach Mallorca und zurück sind dann ein Auslaufmodell.
Geringe Auswirkungen für Lebensmittel
Die Landwirtschaft unterliegt zwar auch dem nationalen Emissionshandel. Ihr eingeplanter Reduktionsbeitrag ist aber vergleichsweise gering. Auf die Landwirte kommen höhere Treibstoffkosten für Schlepper und Maschinen sowie Heizwärme für Treibhäuser und Ställe zu. In den Preisen der Nahrungsmittel wird sich das eher wenig niederschlagen.
Der soziale Ausgleich
Damit nicht alles einfach nur teurer wird, will die Regierung den Strom verbilligen, den Privathaushalte und Firmen verbrauchen. Elektrizität aus Windrädern und Solaranlagen ist künftig der entscheidende Energieträger – dafür will man Anreize setzen. Deshalb stehen die Chancen gut, dass die Umlage für die Förderung der erneuerbaren Energien, ein Bestandteil der Stromrechnung, in den kommenden Jahren wegfällt. Heute beträgt die EEG-Umlage etwa ein Fünftel der Elektrizitätskosten. Fraglich erscheint jedoch, ob die Stromversorger die Preissenkung weitergeben.
Die Landschaft
Um die wachsenden Strommengen zu produzieren, müssen deutlich mehr Windräder an Land entstehen – vermutlich auch in Gegenden wie Bayern und Baden-Württemberg, wo sich bisher nur wenige finden. Wenn 2040 dreimal so viel Windstrom benötigt wird wie heute, verdreifacht sich allerdings nicht die Zahl der Rotoren. Schließlich werden die Anlagen größer und leistungsfähiger. Allerdings dürfte die nötige Landfläche von heute etwa einem auf zwei Prozent steigen. Zusätzlich braucht man weitere Windparks auf Nord- und Ostsee, die vom Land aus meist aber nicht zu sehen sind. In den Städten müssen viele Dächer mit Solaranlagen ausgestattet werden.