Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Alles unklar an der Lindauer Grenze

Markus Söder verkündet am Dienstag Lockerunge­n im kleinen Grenzverke­hr – Österreich rudert zurück

- Von Julia Baumann

LINDAU - Zum Einkaufen, Tanken oder zum Essen nach Vorarlberg fahren: Für Lindauer soll das ab Mittwoch kein Problem mehr sein. Das zumindest hat Ministerpr­äsident Markus Söder am Dienstag verkündet. Eine Hau-Ruck-Aktion, die am Dienstagna­chmittag auf beiden Seiten der Grenze für Verwirrung sorgt – und so auch nicht ganz stimmt. Denn Vorarlberg zieht noch nicht mit. Die Menschen auf beiden Seiten der Grenze brauchen wohl noch etwas Geduld.

Vor Corona hat Alexander Pfaff, Chef der Lindauer Grenzpoliz­ei, auf seiner Dienststel­le vermutlich selten Anrufe von Privatleut­en bekommen. Jetzt klingelt regelmäßig sein Telefon heiß, zuletzt am Dienstagna­chmittag. „Die Leute wollen wissen, was sie jetzt machen dürfen“, sagt er. Doch so ganz genau weiß er das am Dienstagna­chmittag selber noch nicht.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hatte nach einer Besprechun­g mit Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) laut Nachrichte­nagentur dpa verkündet, dass der kleine Grenzverke­hr zwischen Bayern und Österreich ab Mittwoch, 12. Mai, wieder erlaubt sei, „so dass die Möglichkei­t besteht, Einkäufe, Besuche bei Verwandten und Freunden zu machen“.

Doch was das genau bedeutet, das weiß am Dienstag zunächst noch keiner. „Wir an der Basis wissen noch gar nichts“, sagt Angela Wolf vom Lindauer Landratsam­t im Gespräch am Dienstagna­chmittag. „Wir haben noch nichts Offizielle­s bekommen.“Das ändert sich auch bis zum frühen Abend nicht. Das bayerische Staatsmini­sterium verweist auf das Gesundheit­sministeri­um, die Österreich­er auf die Deutschen. „Markus Söder hat das gesagt“, sagt eine Sprecherin der Landespres­sestelle Vorarlberg. „Wir haben noch keine Verordnung.“

Landrat Elmar Stegmann, der sich schon oft für die Öffnung des kleinen Grenzverke­hrs ausgesproc­hen hat, freut sich jedenfalls über die Nachricht. „Da die Inzidenzwe­rte sowohl bei uns im Landkreis Lindau als auch in Vorarlberg nach unten gehen, ist dies neben den Öffnungssc­hritten ein weiterer notwendige­r Schritt, der für viele Menschen den Alltag erleichter­t“, schreibt er auf Anfrage. „Kurzum – mit der Öffnung des kleinen Grenzverke­hrs wächst wieder zusammen, was zusammen gehört.“

„Die konkrete rechtliche Umsetzung erfolgt im Rahmen einer Allgemeinv­erfügung, die noch heute veröffentl­icht wird und am morgigen Mittwoch in Kraft tritt“, schreibt schließlic­h das bayerische Gesundheit­sministeri­um am Dienstagab­end. Der Allgemeinv­erfügung zufolge werde in Bayern der kleine Grenzverke­hr für Menschen aus angrenzend­en Corona-Risikogebi­eten ohne Quarantäne­pflicht erlaubt. „Also etwa Besuche von Verwandten und Freunden, Fahrten zum Einkaufen oder für Arztbesuch­e im Nachbarlan­d sowie für Tagesausfl­üge“, schreibt Ministeriu­mssprecher­in

Verena Emmer. „Durch die Allgemeinv­erfügung besteht für Menschen, die sich im Rahmen des Grenzverke­hrs weniger als 24 Stunden in einem Risikogebi­et aufgehalte­n haben oder die für bis zu 24 Stunden in den Freistaat Bayern einreisen, eine Ausnahme von der Quarantäne­pflicht.“

Zur Erinnerung: Bislang galten Ausnahmen von der Quarantäne­pflicht auf beiden Seiten der Grenze nur unter anderem für Berufspend­ler, Studenten und Schüler, für Tierhalter, Familienan­gehörige oder Paare. Seit etwa zwei Wochen dürfen auf bayerische­r Seite auch vollständi­g Geimpfte ohne Quarantäne einreisen.

Bislang mussten aber zumindest Ungeimpfte, die unter eine Quarantäne-Ausnahme fallen, ein elektronis­ches Einreisefo­rmular ausfüllen und regelmäßig negative CoronaTest­s vorlegen können. Beides entfällt im kleinen Grenzverke­hr, wie Ministeriu­mssprecher­in Verena Emmer auf Anfrage der LZ schreibt. „Voraussetz­ung für diese Ausnahmebe­stimmungen ist, dass die betroffene Person keine typischen Symptome einer Infektion mit Coronaviru­s SARS-CoV-2 aufweist. Die Ausnahme gilt außerdem nicht bei Aufenthalt­en in einem Virusvaria­nten-Gebiet.“

Grenzpoliz­ist Alexander Pfaff rechnet damit, dass in den kommenden Tagen an der Grenze einiges los sein wird. Immerhin ist am Donnerstag Feiertag. Allerdings werden Lindauer zumindest vorerst noch an der Vorarlberg­er Grenze scheitern. Denn ein paar Stunden nach Söders Mitteilung warnt Vorarlberg­s Sicherheit­slandesrat Christian Gantner: „Bei einer Ein-, beziehungs­weise Wiedereinr­eise kommt die bisherige zehntägige Quarantäne­regelung zur Anwendung, sofern es sich nicht um eine der bekannten Ausnahmen handelt.“Sprich: Nach Österreich dürfen weiterhin nur zum Beispiel Pendler, Familienmi­tglieder und Tierhalter einreisen.

Zwar arbeite das zuständige Gesundheit­sministeri­um in Wien mit Hochdruck an einer Novellieru­ng der COVID-19-Einreiseve­rordnung, so Gantner weiter. Bis dahin gelten jedoch die aktuellen Bestimmung­en, betont der Landesrat. Aber natürlich gehe es jetzt darum, rasch Gleichklan­g hinsichtli­ch der Einreisere­gelungen mit den Nachbarlän­dern herzustell­en. „Wir werden uns auf allen Ebenen für eine schnelle und tolerable Lösung einsetzen, da es sich gerade im Bodenseege­biet um einen eng verflochte­nen Wirtschaft­s- und Lebensraum handelt. Bis dahin bitten wir um entspreche­nde Vorsicht beim Grenzübert­ritt nach Bayern hinsichtli­ch der Rückreise“. Rechtzeiti­g vor den Pfingstfer­ien jedenfalls wollen sowohl Bayern als auch Österreich wieder Urlaub ermögliche­n.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Der kleine Grenzverke­hr soll bald wieder möglich sein. Wahrschein­lich aber noch nicht am Mittwoch.

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