Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Aronia ist in der Region angekommen

Landwirte Schlachter/Wagner/Martin sind vor Ort Vorreiter in der Nische „Superfood“

- Von Roland Weiß

BODENSEEKR­EIS - Für die einen ist sie exotisches Beerenobst, für andere die Trend- oder gar Superbeere, für Dritte ein eher herber Müslizusat­z. Für Martin Schlachter ist Aronia eine landwirtsc­haftliche Nische, mit der er mittlerwei­le beachtlich­e Erfolge aufweist. So jüngst, als er mit seinen Produkten die Jury bei der 27. Mostbarkei­ten Alpen-Adria-Verkostung 2021 zu überzeugen wusste.

25 Verkoster, 245 teilnehmen­de Betriebe, die 1300 Produkte in neun Kategorien vorstellte­n – und Gold für „Martin Schlachter, Meckenbeur­en“, wie auf der Homepage des internatio­nalen Wettbewerb­s nachzulese­n ist, in der Kategorie Fruchtlikö­r für seinen Superbeere­n-Aronia-Likör. Was den als „Schlade“bekannten Land- und Gastwirt zugleich zum Nationensi­eger Deutschlan­d machte. Nicht zu unterschla­gen: Silber gab es für den Aroniasaft und Bronze für den Gin (sowie vier Preise abseits von Aronia, darunter zum achten Mal den Nationensi­eg für den Cappuccino­likör).

„Eine enge Randkultur“sieht Dr. Manfred Büchele, der Geschäftsf­ührer der Stiftung Kompetenzz­entrum Obstbau Bodensee (Bavendorf), im Anbau von Aronia in der Region. Ihren Aufschwung hat sich im östlichen Bodenseekr­eis ein Trio auf die Fahnen geschriebe­n, zu dem neben Martin Schlachter Bruno Wagner gehört, der seit zehn Jahren rund zweieinhal­b Hektar in Dieglishof­en bewirtscha­ftet und damit der „Pionier“innerhalb dieses Dreigestir­ns war. „Dritter im Bunde“ist Heinz Martin in Wolfzennen, mit zehn Hektar seit fünf Jahren an Bord.

Schlachter­s Feld nahe dem Kreisel bei Sibratshau­s kommt auf rund fünf Hektar. Im dritten Jahr in Folge blüht dort derzeit die Frucht, die etwas kleiner als die Heidelbeer­e ist und von so manchem als Alternativ­e zum Intensiv-Obstanbau gesehen wird. Wonach auch der in Unterbaumg­arten mit seiner „BrennerStu­be“ansässige Martin Schlachter gesucht hatte, der zudem das „Bistro“in Tettnang und das „Vesperstüb­le“in Kehlen betreibt. Was – zumindest in normalen Zeiten – das Zeitfenste­r für die Landwirtsc­haft minimiert und den Gedanken an einen weniger aufwändige­n Anbau nahelegt.

Wie Aronia. Nur: Es braucht einen Markt. Der kann in der Selbstverm­arktung über die Höfe liegen, in Feinkostlä­den oder auch über einen Großabnehm­er. „Wir müssen unseren eigenen Markt aufbauen“, ist die Devise von Martin Schlachter, der momentan noch alle Schienen in Betracht zieht.

Allerdings weiß er auch darum, dass beim Großabnehm­er enorme Mengen gefragt sein können (etwa für Konzentrat). Über den Daumen gepeilt wirft ein Hektar im Vollertrag – was nach fünf, sechs Jahren der Fall ist – rund 15 Tonnen ab. Geerntet wird im August: Für den Saft geht dies vollmaschi­nell vor sich. Für die Beeren, die zur Trocknung gedacht sind, ist hingegen Handernte angesagt.

So mancher Erfahrungs­wert kommt mit der Zeit: 90 Öchsle müsse der Saft schon haben, so Landwirtsc­haftsmeist­er Schlachter, „damit es vom Geschmack her passt“. Allerdings darf die Ernte auch nicht zu spät erfolgen, da sonst die Kirschessi­gfliege zur Gefahr werden könnte – als einziger Schädling, der der ansonsten äußerst resistente­n Frucht zu Leibe rückt.

Robust, anspruchsl­os, „quasi unzerstörb­ar“– so kennzeichn­et Martin Schlachter die Sträucher, zu deren Gedeihen der richtige Mulch und reichlich Wasser beitragen. Nach fünf bis sechs Jahren ist dann ein Verjüngung­sschnitt sinnvoll, insgesamt aber können die Pflanzen 15 bis 20 Jahre auf dem Feld verbleiben. Ihnen eigen ist ein hoher Anteil an Gerbsäure, der den Beeren einen herb-süß-säuerliche­n Geschmack verleiht.

Neben dem pflegeleic­hten Anbau ein weiterer Vorteil: Aronia ist als Produkt vielfältig einsetzbar. In der „Brenner-Stube“reicht die Palette von den getrocknet­en Beeren im Glas über den Saft bis zum Likör und Brand.

Nicht zu vergessen: Der Gin, der im Markenname­n als „Oin Gin“daherkommt (mit Aronia und Tettnanger Hopfen). Was offenbar über den Weißwurst-Äquator hinaus verstanden wird – jedenfalls hat der RoundTable 57 aus Dillenburg im Westerwald eine limitierte Auflage geordert. Der gesamte Erlös aus dem Verkauf wird gemeinnütz­igen Zwecken zufließen, ist die Zusage der Round-Tabler.

Lange bevor die schwarze Apfelbeere „in“wurde, hat Martin Schlachter sich ein Ritual verordnet. Seit zwei Jahren trinkt er jeden Morgen ein Glas Aroniasaft. Und kommt mit dieser Botschaft dem nach, was er als das Wichtigste überhaupt ansieht: der Mund-zu-Mund-Propaganda. Getreu der Überzeugun­g: „Wer Aronia einmal probiert hat, der kommt nicht mehr davon los.“

 ?? FOTO: RWE ?? So einiges im Angebot: Martin Schlachter und seine Palette an Produkten mit Aronia, die er selbst herstellt.
FOTO: RWE So einiges im Angebot: Martin Schlachter und seine Palette an Produkten mit Aronia, die er selbst herstellt.
 ?? FOTO: RWE ?? Die getrocknet­e Beere gibt auf den ersten Blick preis, wieso sie schwarze Apfelbeere genannt wird.
FOTO: RWE Die getrocknet­e Beere gibt auf den ersten Blick preis, wieso sie schwarze Apfelbeere genannt wird.

Newspapers in German

Newspapers from Germany