Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Klassensportgesellschaft
In einer Zeit, in der die Statussymbole – etwa eine vollständige Impfung – neu definiert werden, sollten wir die alten nicht ganz vergessen. Die Rede ist nicht etwa von monströs motorisierten Automobilen, sondern von Sportarten. Gerade im Sport gibt es gewaltige Klassenunterschiede. Während nur üppig begüterte Menschen es sich leisten können, ein eigenes Pferd zum Zwecke des Dressurreitens zu halten, reicht es bei anderen höchstens zum Sackhüpfen. Denn so ein Rupfensack ist im Unterhalt viel billiger als handelsübliche Trakehner oder Holsteiner,
die mit ihrem gewaltigen Hunger auf Heu dem Besitzer bei schlechter Bonität sprichwörtlich die Haare vom Kopf fressen können.
Ähnlich verhält es sich mit dem Golfsport, der einen immensen Geländeverbrauch bedeutet. Denn 18Loch-Anlagen lassen sich halt schlecht im Schrebergarten oder auf dem Balkon realisieren. Außerdem schlägt die Ausrüstung teuer zu Buche. Denn neben dem bunten Potpourri an Schlägern braucht es natürlich auch Bälle, die gerade der Anfänger gerne verschlägt und daher steten Nachschub kaufen muss.
Finanziell betrachtet ist das Spazierengehen naturgemäß die günstigste Methode der Leibesertüchtigung. Denn sie bedarf weder eines Sackes oder Pferdes noch eines Schlägers. Sportmediziner beklagen, dass während der Corona-Seuche der Amateursport besonders gelitten habe. Im Lichte ernüchternder Nachrichten und merkwürdiger Verhaltensweisen muss aber davon ausgegangen werden, dass insbesondere der Denksport noch wesentlich stärker betroffen war. (nyf)