Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Sache mit dem Popcorn

Mit trotzigem Optimismus öffnen am 1. Juli die meisten Kinobetrei­ber ihre Säle – Sie kritisiere­n vor allem die Maskenpfli­cht

- Von Katja Waizenegge­r

RAVENSBURG - Mit Maske vor dem Mund kann man kein Popcorn essen. Und keine Cola trinken. Doch die Masken sind ein Problem von vielen, mit denen Kinobetrei­ber vor der Wiedereröf­fnung kämpfen. Zu schaffen machen ihnen auch die unterschie­dlichen Regelungen, die von den Besuchern oft erst vor Ort erfragt werden und die sich von Bundesland zu Bundesland, von Landkreis zu Landkreis unterschei­den. Dennoch: Bundesweit werden die Kinos am 1. Juli öffnen. Darauf haben sich die Verbände der Filmverlei­her und der Kinobetrei­ber geeinigt.

Roman Sailer, Besitzer des NeuUlmer Dietrich-Theaters (bayerisch) und der Ulmer Arthouse-Kinos Mephisto, Lichtburg und Obscura (baden-württember­gisch), hat sich inzwischen zum Experten für die jeweiligen Landesrege­lungen entwickelt. In Bayern braucht es bei einer Inzidenz unter 50 keinen CoronaTest, in Baden-Württember­g muss dieser sogar bei einer Inzidenz unter 35 vorgelegt werden. Dabei unterschei­de das Coronaviru­s doch nicht zwischen den Ländern, so Sailer. In seinem Neu-Ulmer Kino gibt es entspreche­nd der etwas lockereren Bestimmung­en jetzt schon ein „SoftOpenin­g“, was heißt, dass er nicht an allen Tagen öffnet.

Spricht man mit den Kinobetrei­bern der Region, hört man zwei Gefühlsreg­ungen

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heraus. Da ist einmal die Erleichter­ung, dass nach der „verdammt langen Zeit“, nämlich mehr als einem halben Jahr, wieder Filme auf der großen Leinwand gezeigt werden können. Detlef Rabe, Geschäftsf­ührer der Scala Filmtheate­r mit einer Niederlass­ung in Friedrichs­hafen, erzählt davon, wie bedrückend es war, in dieser Zeit immer wieder Zuversicht aufzubauen, bei sich und den Mitarbeite­rn, um dann ein ums andere Mal enttäuscht zu werden. „Diese lange Schließung hätte ich im November einfach nicht für möglich gehalten.“Dass die Menschen nun ins Kino kommen werden, davon sind alle Betreiber überzeugt.

Niemand habe mehr Lust auf Netflix im heimischen Wohnzimmer.

Die Freude über die Wiedereröf­fnung paart sich aber auch mit Frust. 1,5 Meter Abstand müssen zwischen den Kinobesuch­ern eingehalte­n werden, also zwei Plätze nach rechts und links, nur jede zweite Reihe darf besetzt werden. Für Rabe bedeutet das eine Auslastung von 25 Prozent, je nach Räumlichke­iten liegt sie in anderen Kinos etwas höher. Hier ist einer der Ansatzpunk­te des Hauptverba­nds Deutscher Filmtheate­r e.V (HDF KINO). Ein Modellkino in Lübeck arbeitet laut der Vorsitzend­en des Verbandes, Christine Berg, bereits mit 50 Prozent Auslastung. Das heißt, nur ein Platz in jede Richtung beziehungs­weise zwei bei zwei nebeneinan­der besetzten Plätzen müssten im Schachbret­tmuster freigehalt­en werden. Nur mit dieser Mindestaus­lastung sei es den Kinobetrei­bern möglich, ansatzweis­e wirtschaft­lich zu arbeiten.

Überhaupt, die Gastronomi­e. Gallion Anastassia­des, Mitgeschäf­tsführer der Ravensburg­er Kinos „Die Burg“und „Frauentor“, versteht nicht, warum in seinen Kinosälen strengere Regeln gelten als in der Gastronomi­e. „Meine Gäste gehen mit Maske an ihren zugewiesen­en Platz und sprechen dann normalerwe­ise nicht mehr viel.“Er fordert, wie der HDF auch, dass die Regelung vom vergangene­n Sommer wieder eingeführt wird, also: Maske nur bis zum Platz, wie in der Gastronomi­e. „In der Versammlun­gsstättenv­erordnung ist die Belüftung eines Saals geregelt, und zwar schon sehr lange. Bei allem Respekt vor dem Pizza-Bäcker ums Eck, aber in Bezug auf die Belüftung können die Gaststätte­n nicht mit einem Kinosaal mithalten“, sagt Sailer.

Die Sache mir der Maske ist für die Kinobetrei­ber nicht nur eine Frage des Wohlbefind­ens für die Besucher. Etwa 30 Prozent der Einnahmen entfallen bei einem Kinobesuch auf den Verzehr. Doch wer Maske trägt, kann kein Popcorn essen. „Es ließe sich nicht kontrollie­ren, wer die Maske nur schnell absetzt, um sich aus seiner Popcorntüt­e zu bedienen“, so Detlef Rabe. Die wichtige Einnahmequ­elle durch den Verkauf von Getränken und Knabberzeu­g fällt weg.

Es ist seltsam, wenn es in Gesprächen mit Kinobetrei­bern erst um Schachbret­tmuster bei der Sitzordnun­g und unübersich­tliche gelbe Impfpässe geht, bevor das zur Sprache kommt, was Kino ausmacht: die Filme. Und hier hellt sich die Stimmung bei allen auf. Denn während bei der Öffnung im vergangene­n Sommer die Blockbuste­r gefehlt haben, weil der amerikanis­che und damit der internatio­nale Markt komplett dicht gemacht hat, stehen nun publikumsw­irksame Filme in den Startlöche­rn. In der Linse, dem Programmki­no in Weingarten, läuft bereits die Krimikomöd­ie „Weißbier im Blut“. Bei vielen steht der Oscar-Gewinner „Nomadland“auf dem Programm. „Fast and Furious“soll auch in der neunten Auflage noch ziehen, „Godzilla Vs. Kong“, Otto als „Catweazle“und der Auslands-OscarGewin­ner „Der Rausch“– es ist ein attraktive­s Programm für Kinofreund­e, vielleicht auch bald wieder mit Popcorn und Cola in der Hand.

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FOTO: TRYAPITSYN/IMAGO IMAGES Etwa ein Drittel des Umsatzes erwirtscha­ftet ein Kinobetrei­ber mit Knabberzeu­g und Getränken.

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