Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gourmet Bayildi

- Buoch von guoter

Eine wahre Geschichte aus unserer Küche: Dieser Tage kam die Gattin mit Zucchini-Setzlingen vom Wochenmark­t zurück. „Wunderbar! Dann gibt es ja bald wieder Imam Bayildi!“, merkte man freudig an – und wurde flugs korrigiert: „Imam Bayildi macht man aus Auberginen!“Neidappt, sagt da der Schwabe.

In der Tat werden für diese türkische Spezialitä­t Auberginen – und nicht Zucchini! – halbiert, angebraten, dann ausgehöhlt, mit einer in Olivenöl gedünstete­n Mischung aus dem Fruchtflei­sch, Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch, Mandeln sowie Gewürzen gefüllt und schließlic­h überbacken. Etwas aufwendig, aber ein Gedicht! Und Imam Bayildi heißt ganz einfach: Der Imam fiel in Ohnmacht. Warum, kann man sich aussuchen: entweder weil ihm diese Köstlichke­it so umwerfend gut schmeckte, oder weil er zu viel davon in sich hineinstop­fte.

Aber wie auch immer: Dieser Name ist ein hübsches Beispiel dafür, wie bei der Benennung von Speisen die Fantasie ins Kraut schießt. Zwar ging es früher zunächst einmal um eine klare Aussage. Laut Institut für deutsche Sprache finden sich die ersten deutschen Rezepte im Spise um 1350. Da war die Rede von einem gebraten gefülten ferhelin, und so wusste man sofort, dass ein Spanferkel auf den Tisch kam. Aber das blieb nicht so. Heute bekommen Gerichte ihre Namen auf die verschiede­nsten Arten verpasst, oft auch verrätselt. Königsberg­er Klopse, Wiener Backhendl, Zürcher Geschnetze­ltes oder Szegediner Gulasch, benannt nach ihrem Herkunftso­rt, darf man noch als allgemein bekannt voraussetz­en. Aber bei einer regionalen Spezialitä­t wie dem Gaisburger Marsch wird es – zumindest für Nicht-Einheimisc­he – schon schwierige­r. Für manche kulinarisc­hen Erfindunge­n standen ihre Schöpfer Pate: der Wiener Franz Sacher für seine Schokolade­ntorte oder der Italiener Cesare Cardini für seinen Caesar Salat – nur gut mit dem weichen Eigelb. Etliche Gerichte tragen den Namen von Personen, deren Leibspeise sie waren: Filet Wellington nach dem britischen Schlachten­lenker, Boeuf Stroganoff nach dem russischen Adelshaus, Tournedos Rossini nach dem italienisc­hen Komponiste­n – aber stets geht es um Rinderfile­t, mal im Teigmantel,

mal in Streifen mit säuerliche­r Soße, mal mit Stopfleber und Trüffeln garniert.

Viele Speisekart­en zeugen von jener Kreativitä­t, die gerne mit Gaumenfreu­den einhergeht. Gegen Wichtigtue­rei ist allerdings kein Küchenkrau­t gewachsen: Hinter mancher Potage Semiramis steckt auch nicht mehr als eine schlichte Gemüsesupp­e, und ein Paar ordinäre Blut- und Leberwürst­e Pas de deux vom Traiteur zu nennen, klingt nur albern. Eine besondere Spezies sind schließlic­h mehr oder weniger witzige Namen wie Bienenstic­h, Bärentatze­n, Katzenzung­en, Wackelpete­r, Armer Ritter, Strammer Max … Ihr Prinzip ist die Verbrämung, aber man weiß ja meistens Bescheid. Dass ein Kalter Hund kein Vierbeiner ist, sondern ein zweifelhaf­tes Konstrukt aus Keksen, Schokolade und Fett, wurde einem schon bei Kindergebu­rtstagen leidvoll bewusst – allemal nichts für Gourmets. Oder für Gourmands?

Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

Hier noch kurz zu dieser alten Streitfrag­e: Als Gourmet wird ein Feinschmec­ker bezeichnet, der raffiniert­e Speisen und Getränke genießt, ohne dabei jedoch zu übertreibe­n. Der Gourmand dagegen ist zwar ebenfalls ein kundiger Freund ausgesucht­er Delikatess­en, hat aber einen leichten Hang zur Schlemmere­i, um nicht zu sagen Völlerei.

Nehmen wir zugunsten jenes ohnmächtig­en Imams an, dass er ein Gourmet war.

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Rolf Waldvogel

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