Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Freie Fahrt für Buchmann

Ravensburg­er Radprofi darf bei der Tour de France starten – Teamchef erwartet Angriffe

- Von Thorsten Kern

RAVENSBURG - Das Rennjahr 2021 ist bislang nicht so verlaufen, wie es sich Emanuel Buchmann vorgestell­t hatte. Der 28-jährige Ravensburg­er gilt immer noch als ganz große deutsche Rundfahrth­offnung. Doch nach seinem starken Platz bei der Tour de France 2019 gab es für Buchmann mehrere Enttäuschu­ngen. Relativ kurzfristi­g bietet sich dem Radprofi nun eine weitere Chance. Seine Mannschaft Bora-hansgrohe nominierte den Ravensburg­er doch noch für die Tour de France.

Die Entscheidu­ng sei bei einem Trainingsl­ager in Livigno gefallen, teilte der deutsche Rennstall am Donnerstag relativ nüchtern mit. Buchmann werde nicht als Kapitän ins Rennen gehen, hieß es weiter. Diese Rolle – und den Anspruch, in der Gesamtwert­ung weit vorne zu landen – hat in diesem Jahr in Frankreich Buchmanns neuer Teamkolleg­e Wilco Kelderman. „Er ist die klare Nummer 1, und ich werde ihn gegebenenf­alls auch voll unterstütz­en“, sagte Buchmann in der Teammittei­lung

über den Niederländ­er. Dieses „gegebenenf­alls“und eine Aussage seines Teamchefs Ralph Denk lassen zwischen den Zeilen aber erkennen, dass Buchmann nicht nur als kleiner Helfer nach Frankreich geschickt wird.

Denn Denk ließ auch diesen Satz übermittel­n: „Wenn die Form stimmt, wünsche ich mir einen Emu, der angreift und Risiko nimmt. Wir wollen den Fans in Deutschlan­d eine offensive und attraktive Fahrweise zeigen.“Das diesjährig­e Streckenpr­ofil der Tour de France kommt Kletterspe­zialisten wie Buchmann nicht entgegen. Auch deswegen hatte Bora-hansgrohe entschiede­n, den Ravensburg­er als Kapitän zum Giro d’Italia zu schicken. Dennoch soll – und darf – Buchmann in den französisc­hen Bergen in den Angriffsmo­dus schalten. „Er wird sich nicht absichtlic­h abhängen lassen“, sagt Denk. Dazu: „Im Idealfall kann er in den Bergen seine Stärke zeigen.“

Diese Stärke wollte Buchmann in diesem Jahr eigentlich in Italien zeigen. Auf den Giro hatte sich der Ravensburg­er intensiv vorbereite­t, das klare Ziel war ein Platz auf dem Podium. „Ich bin überzeugt, dass ich dort hätte ganz vorne mitfahren können“, meint Buchmann rückblicke­nd. Hätte, denn nach einem heftigen Sturz musste er wegen Verletzung­en im Gesicht und einer Gehirnersc­hütterung aufgeben. „Diesen Rückschlag musste ich erst einmal verarbeite­n und auch die Sturzverle­tzungen auskuriere­n“, sagt Buchmann.

Zumal sich dieser Rückschlag einreihte in persönlich nicht zufriedens­tellende Monate. Nach Platz vier bei der Tour de France 2019 hatte sich Buchmann auch im vergangene­n Jahr beim bedeutends­ten Radrennen der Welt große Ziele gesetzt. Vor der Tour 2020 stürzte Buchmann allerdings schwer und fuhr in Frankreich nur hinterher. Nun folgte beim Giro die nächste Enttäuschu­ng bei einer der großen Rundfahrte­n. „Emu hat zum zweiten Mal in Folge einen Höhepunkt, auf den er monatelang hingearbei­tet hat, in den Wind schreiben müssen“, sagt sein Teamchef. „Das ist extrem hart, und ich habe wirklich Respekt davor, wie Emu mit der Situation umgegangen ist.“

Buchmann hat sich nicht lange hängen lassen. „Die Motivation war schnell wieder da, und darum bin ich letzte Woche ins Trainingsl­ager, um zu sehen, wo ich stehe“, sagt der 28-Jährige. Ganz offensicht­lich ist die Form so gut, dass ihn Bora-hansgrohe in Frankreich gut gebrauchen kann. Als Helfer von Kelderman, oder doch als Überraschu­ng? „Ob ich bei der Tour in Topform sein kann, wird man erst sehen“, meint Buchmann. Die Gesamtwert­ung habe er nicht im Visier, die Tour wolle er ohne Druck fahren, lässt er wissen. Es darf in Frankreich aber natürlich gerne auch ein bisschen mehr sein. „Ich möchte meine Chancen nutzen und offensiv fahren“, sagt Buchmann. Schließlic­h hat er freie Fahrt.

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FOTO: BORA-HANSGROHE/BETTINIPHO­TO Emanuel Buchmann ist kurzfristi­g doch noch für die Tour de France nominiert worden.

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