Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Vertrauensfrage nach Tokio
DOSB-Spitze folgt dem Rat der Ethikkommission in Teilen
FRANKFURT (SID/dpa) - Das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) will der Empfehlung der unabhängigen Ethikkommission in der Affäre um schwere Mitarbeitervorwürfe gegen DOSBChef Alfons Hörmann nur zu einem Teil folgen und sich zunächst einer Vertrauensfrage stellen. Ob es danach, wie von der Kommission empfohlen, zu Neuwahlen kommt, ist noch offen. Dies teilte der DOSB jetzt nach dreitägigen Beratungen mit.
„Zum Wohl des deutschen Sports soll diese (die Vertrauensfrage, d. Red.) zeitnah und unmittelbar nach den Olympischen und Paralympischen Spielen in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung umgesetzt werden“, hieß es. Diesen Vorschlag wird das DOSB-Präsidium den Mitgliedsorganisationen in den anstehenden Konferenzen unterbreiten.
Ob es bei der ordentlichen DOSBMitgliederversammlung im Dezember auch Wahlen geben wird, steht damit in den Sternen. Dazu dürfte es wohl nur dann kommen, wenn Hörmann und seinen Kollegen in der Umfrage vom Großteil der DOSB-Mitglieder das Vertrauen entzogen wird.
Die Ethikkommission unter dem Vorsitz des früheren Bundesinnenministers Thomas de Maizière hatte einen anderen Weg im Sinn. Sie empfahl im Dezember Wahlen und sah diese als Vertrauensabstimmung an. Damit sollte der Weg für einen Neuanfang im Dachverband des deutschen Sports freigemacht werden.
Der DOSB will mit der Vertrauensabstimmung offenbar das Tempo erhöhen und sich so schneller ein Bild über das Verhältnis von Basis zu Führung machen. Nicht einverstanden mit diesem Vorgehen zeigte sich Athletenvertreter Jonathan Koch. Er hatte sich bereits Mitte Mai von einer Erklärung des sieben Personen starken DOSB-Präsidiums distanziert, in der Hörmann das „uneingeschränkte Vertrauen“ausgesprochen worden war.
Der DOSB hatte die Kommission um Aufklärung und eine Bewertung gebeten, nachdem am 6. Mai ein anonym versendeter, vermutlich aus der DOSB-Belegschaft stammender offener Brief mit expliziten Vorwürfen gegen Hörmann wegen mangelnder Führungsqualitäten („Kultur der Angst“) für Aufregung gesorgt hatte.