Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Baumschutzsatzung wird zum Zankapfel
Vorschlag der Ravensburger Verwaltung scheitert überraschend am Widerstand mehrerer Stadträte
RAVENSBURG - Während Aktivisten seit Wochen die Wälder der Region besetzen und Alarm schlagen wegen der drohenden Klimakatastrophe, arbeitet sich die Stadt Ravensburg weiter an einer Baumschutzsatzung ab. Was in dieser Woche zunächst nach einem kommunalpolitischen Streit um die Detailfrage aussah, ob Bäume künftig ab 80 oder ab 100 Zentimeter Stammumfang vor der Säge geschützt werden sollen, mündete unerwartet in eine grundsätzliche, emotionale Debatte über Sinn und Unsinn eines solchen Regelwerks. Die Folge: Vorerst gibt es erst einmal gar keine Baumschutzsatzung. Die
Grünen halten das für ein „Armutszeugnis für die Stadt“und ein „Trauerspiel für den Baumschutz“.
Worum geht es?
Seit September 2019 gibt es dem Grunde nach eine vom Gemeinderat verabschiedete Baumschutzsatzung. Sie wird allerdings bislang nur im Entwurfsstadium und damit vorläufig angewendet. Weil der Entwurf überarbeitet wurde, muss er bis Ende September politisch erneut beraten und beschlossen werden. Die Stadtverwaltung will den Maßstab, ab wann ein Baum schutzwürdig ist, anheben – von 80 auf 100 Zentimeter Umfang in einem Meter Höhe. Das soll laut Baubürgermeister Dirk Bastin ein Kompromiss mit Blick auf Kritiker sein. Zugleich will die Stadt den Geltungsbereich der Satzung ausdehnen. Weil in Weingartshof und Torkenweiler große Baugebiete entstehen, soll die bislang nur für die Kernstadt geltende Satzung auf diese beiden Orte sowie auf Weißenau ausgeweitet werden. Die bisherige Abgrenzung hat teilweise zu absurden Situationen geführt: Auf einem Grundstück im Süden der Stadt beispielsweise galt auf einem Teil die Baumschutzsatzung, auf dem anderen Teil der Fläche nicht.
Was hat die vorläufige Baumschutzsatzung bislang gebracht?
Laut Blanka Rundel vom städtischen Grünamt ist in den vergangenen 20 Monaten die Fällung von insgesamt 164 Bäumen in der Kernstadt beantragt worden. In 21 Fällen wurde das auf der Grundlage der Baumschutzsatzung abgelehnt. In weiteren 16 Fällen hat eine mit der Satzung einhergehende Beratung der Grundstücksbesitzer dazu geführt, dass der Antrag zurückgezogen wurde.
Worüber gab es jetzt Streit? Zunächst um die Frage, warum die Verwaltung im finalen Entwurf nur noch Bäume ab 100 Zentimeter Umfang vor der Säge schützen will. Grüne, Naturschützer und das Bürgerforum Altstadt halten das für eine Verwässerung der bisher geltende Regeln, für die es keinerlei sachliche Begründung gebe, und für ein fatales Signal in Zeiten der Klimaerwärmung. Andere Stadträte, zum Großteil aus der CDU, halten diesen Schritt für das Mindeste, um Hausbesitzer nicht noch weiter mit einer Baumschutzsatzung zu gängeln.
Was war das Ergebnis der Sitzung des Technischen Ausschusses?
Baubürgermeister Dirk Bastin hat am Ende die Vorlage der Verwaltung zurückgezogen, nachdem – offenbar unerwartet – die Hälfte der Lokalpolitiker, allen voran aus der CDU, die Baumschutzsatzung grundsätzlich als völlig untaugliches Instrument bewertete. Der Beschluss drohte dadurch zu scheitern.
Wie wird argumentiert?
Die Grünen positionieren sich eindeutig als starke Befürworter der Baumschutzsatzung und wollten eine inhaltliche Änderung verhindern. Eine „Aufweichung“sei fachlich nicht begründbar. Fraktionschefin Maria Weithmann: „Wenn wir hinter den Stand von heute zurückfallen, wäre das ein Armutszeugnis für die Stadt und ein Trauerspiel für den Baumschutz.“Die aktuelle Situation erfordere ambitionierte Ziele für den Klimaschutz. Dass andere Fraktionen die Satzung dann komplett kippen wollten, machte die Grünen zunächst sprachlos. „Wir sind nicht gegen Bäume, aber der ganze Aufwand rechnet sich doch nicht“, sagte Markus Brunner für die CDU. Es sei ja auch nicht so, dass ständig jemand mit der Säge unterwegs sei. Brunner erkennt auch eine Bevormundung der Bürger: „Jetzt habe ich die Verwaltung auch noch bei mir im Garten, das will ich nicht.“Michael Lopez-Diaz (BfR) hält die Satzung für eine „Zumutung für die Bürger“. Markus Waidmann von der FDP sprach von einem „Riesenmonstrum der Bürokratie“. 21 abgelehnte Fälle in 20 Monaten seien „hinausgeschmissenes
Steuergeld“. Frieder Wurm (CDU) äußerte sich auch in vielen Punkten kritisch, war aber letztlich hin- und hergerissen. Alle Gegner der Satzung stellten sich aber zugleich hinter das grundsätzliche Ziel, Bäume zu schützen. Es kam auch von Hugo Adler (CDU) der Vorschlag, lieber neue Bäume auf öffentlichen Plätzen zu pflanzen.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Verwaltung will noch einmal auf die Fraktionen zugehen, Fragen beantworten und für die Regeln werben. Bis Ende September ist noch Zeit. Maria Weithmann: „Das Schlimmste wäre, am Ende gar keine Baumschutzsatzung zu haben.“So sah es auch Baubürgermeister Dirk Bastin.