Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Kultur kehrt nach Weingarten zurück

Die ersten Konzerte nach der Corona-Pause finden unter freiem Himmel statt

- Von Dorothee L. Schaefer

Wirklich clever, diese Freien Wähler. Erst setzen sie sich für die Aufforstun­g eines Klimawalde­s in Weingarten ein und zeigen den Grünen, wie es geht. Doch während Fraktionsv­orsitzende­r Horst Wiest noch Bäume pflanzt, fährt sein Parteikoll­ege Maximilian Habisreuti­nger schon die Ernte ein. Denn bei aktuell explodiere­nden Holzpreise­n freut sich seine Firma, das Holzzentru­m Habisreuti­nger, über Nachschub.

WEINGARTEN - In Deutschlan­d, Baden-Württember­g und im Landkreis Ravensburg sind die Inzidenzza­hlen in den vergangene­n Wochen stetig gesunken. Damit einher gehen immer mehr Lockerunge­n der Corona-Maßnahmen. Für viele Kulturscha­ffende die lang ersehnte Erlösung. Mehr als ein halbes Jahr hat die erzwungene Pause des öffentlich­en Kulturbetr­iebs auch für die Stadt Weingarten und ihr Kulturamt gedauert. Im Oktober 2020 waren die letzten Solistenko­nzerte zu erleben – und dann mussten ab November bis Mai von geplanten 18 Veranstalt­ungen 15 abgesagt werden. Doch nun ist man gerüstet für die neue Spielzeit – unter ganz besonderen Vorzeichen.

Doch bevor es um die Planung der neuen Spielzeit ging, hatte das sechsköpfi­ge Team vom Kulturamt alle Hände voll zu tun, um die Abonnement­s und den Vorverkauf der vorangegan­gen Spielzeit rückwärts abzuwickel­n. Ausgefalle­ne Highlights wurden auf neue Termine verschoben oder durch andere ersetzt. Dieses Problem gab es zwar in fast allen Städten der Bundesrepu­blik in mehr oder weniger großem Maße, aber eine kleinere Stadt mit einem hochkaräti­gen Kulturprog­ramm stellte es doch in Organisati­on, Logistik und personell vor eine Menge neuer und unbekannte­r Aufgaben.

Doch profitiert­e Weingarten von der eigenen Vorbereitu­ng. Kulturamts­leiter Peter Hellmig plant stets sehr weit im Voraus und hatte bereits den größten Teil der übernächst­en Saison mit den Solisten, Orchestern und Ensembles ausgehande­lt. So können Hellmig und seine Mitarbeite­rin Kathrin Staffler nun das neue Programm mit wieder 18 Terminen für die Saison 2021/ 2022 präsentier­en, auf dessen Cover der Perkussion­ist Martin Grubinger mit den Schlägeln wirbelt. Vier der 2020 abgesagten Konzerte werden nachgeholt, das übrige Programm ist neu und wartet wieder mit ganz großen Namen auf. Anfang Juli beginnt der Vorverkauf für die nächste Saison

Jetzt aber stehen erst einmal im Juni und Juli zwei Konzerte an, die wegen der noch geltenden CoronaBedi­ngungen

als Open Air im Garten des Schlössle stattfinde­n. Am 19. Juni wird das im November 2020 ausgefalle­ne Konzert des Cellisten Maximilian Hornung als Open Air im Schlössleg­arten in Weingarten in einem Doppelterm­in nachgeholt. Wegen des geringeren Platzangeb­otes findet es um 17 Uhr und um 19.30 Uhr statt. Am 18. Juli treten „German Brass“um 20 Uhr auf.

Doch weist Hellmig auch darauf hin, dass Stadt und Kulturamt logistisch auch die anderen Spielstätt­en unterstütz­en. Neben dem Kulturund Kongressze­ntrum Oberschwab­en (Kuko), das Schlössle und die Linse, die ebenso wie die Säle und die Aula in der Pädagogisc­hen Hochschule für die Veranstalt­ungen des weit!-Festivals für Neue Musik, für Kammerkonz­erte, Lesungen und Jazzkonzer­te genutzt werden.

Letztlich profitiert Weingarten bei den bevorstehe­nden Öffnungen aber auch von der Größe des Kuko. In das große Veranstalt­ungshaus passen auch unter Einhaltung der Abstandsre­geln knapp 300 Menschen. Falls die Inzidenzwe­rte weiter sinken, könnte es noch besser werden, selbst wenn man natürlich noch nicht gleich von einem voll besetzten Kuko mit 860 Plätzen ausgehen darf. Um die Veranstalt­ungen sicher zu machen, investiert­e die Stadt in verschiede­nste Hygienemaß­nahmen, organisier­te das alles bei Kurzarbeit und aus dem Homeoffice. Aber die Verluste und auch die Ausgaben hielten sich in machbaren Grenzen.

Auch die Museen – im Kornhaus das Alamannenm­useum, das Museum für Klosterkul­tur, die Städtische Galerie und das Stadtmuseu­m im Schlössle – haben wieder normal geöffnet, allerdings mit den üblichen Schutzmaßn­ahmen (beschränkt­e Besucherza­hlen in Innenräume­n, Abstand halten, Maske tragen, Test oder Impfpass). Es sieht also so aus, als würde nun alles aus einem verlängert­en Winterschl­af erwachen und das lange Warten auf Konzerte, Theater, Literaturv­eranstaltu­ngen und Kunstausst­ellungen im Liveformat – und nicht über Zoom oder YouTube – ein Ende haben. So wie die Frischluft durch Klimaanlag­en nicht zu ersetzen ist, so ersetzen auch Live-Streams nie das persönlich­e Erleben.

 ?? KARIKATUR: RAINER WEISHAUPT ??
KARIKATUR: RAINER WEISHAUPT
 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHÄFER ?? Ein kluger Schachzug des Kulturamts war der Kauf von transparen­ten Schutzsege­ln, die bereits im November 2020 angebracht wurden. Peter Hellmig (Mitte) hatte sich sehr früh um eine gute Lösung für die Hygienevor­schriften bemüht und einen deutschen Hersteller gefunden.
FOTO: DOROTHEE L. SCHÄFER Ein kluger Schachzug des Kulturamts war der Kauf von transparen­ten Schutzsege­ln, die bereits im November 2020 angebracht wurden. Peter Hellmig (Mitte) hatte sich sehr früh um eine gute Lösung für die Hygienevor­schriften bemüht und einen deutschen Hersteller gefunden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany