Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mit langem Atem zum kurzen Pieks
Hausärzte setzen bei Impfanfragen auf Bandansagen und Online-Terminbuchung
BAD WALDSEE/AULENDORF - Die Priorisierung für die Corona-Impfung ist aufgehoben, seit Montag können sich alle Interessierten in Baden-Württemberg sowohl in Hausarztpraxen als auch in den Impfzentren darum bemühen, einen Termin zu ergattern. Auch Betriebsärzte dürfen nun impfen. Doch weil Impfstoff noch immer knapp ist, ist die Suche nach einem Termin im Kreis Ravensburg weiterhin nicht leicht und es braucht mitunter sehr viel Geduld. Wer es bei Arztpraxen oder bei einem Kreisimpfzentrum probiert, muss sich auf lange Wartezeiten und viele Bandansagen einstellen. Denn sowohl bei der Impfhotline des Landes als auch bei den Arztpraxen laufen die Telefone heiß.
Wer schon mal selbst versucht hat, an einen Impftermin zu kommen, wird es bestätigen können: Der Piks in den Oberarm ist alles andere als schnell zu erhalten. Wie kann ein Impftermin vereinbart werden? Über die Hotline 116 117 lassen sich telefonisch Termine in Kreisimpfzentren buchen, sofern Termine zur Verfügung stehen. Da dies aufgrund der anhaltenden Knappheit an Impfdosen häufig nicht der Fall ist, kann sich dieses Prozedere mitsamt Warteschleifen über mehrere Tage oder einige Wochen hinziehen.
Die Buchung eines Termins in einem Kreisimpfzentrum ist auch online möglich unter www.impfterminservice.de. Doch auch hier kommen Interessierte zumeist nicht schnell zum Ziel oder landen unerträglich lange in virtuellen Warteräumen.
Ebenfalls seit Montag dürfen auch Betriebsärzte die Beschäftigten in Unternehmen gegen Sars-CoV-2 impfen. Allerdings in der Theorie, denn es fehlt nach wie vor an Impfstoff, was sowohl Betriebsärzte als auch Unternehmen im Kreis Ravensburg frustriert, wie eine Recherche der „Schwäbischen Zeitung“in dieser Woche ergeben hatte. „Die Menge, die pro Arzt zur Verfügung steht, ist derzeit lächerlich“, sagte Kreisärztechef Hans Bürger, der als Betriebsarzt auch zehn mittelständische Unternehmen im Kreis Ravensburg betreut, gegenüber der SZ.
Die nächste Möglichkeit ist eine Impfung beim Hausarzt oder der Hausärztin. Seit 17. Mai, also kurz vor den Pfingstferien, ist die Priorisierung für Impfstoffe in den Hausarztpraxen bereits aufgehoben – übrigens auf vielfachen Wunsch der Ärztevertreter, die sich allerdings darauf verließen, dass die vom Bund und Land im Vorfeld angekündigten Mengen an Impfdosen auch zur Verfügung stehen. Nun ist das Chaos jedenfalls in den Arztpraxen groß, der Impfstoff fehlt in ausreichenden Mengen, dann waren zusätzlich in den Pfingstferien viele Praxen geschlossen und zudem sind gerade auch in Hinblick auf die Sommerferien und die Urlaubszeit viele Menschen heiß auf Impftermine. Dementsprechend werden die Praxen mit Anfragen überrannt, die Telefonleitungen sind überbelastet, die meisten Praxen arbeiten bereits am Limit.
Was sollten Impfwillige also tun, um an einen Termin zu kommen? „Bei der eigenen Hausarztpraxis telefonisch anfragen und sich nach einem Termin erkundigen“, sagt die Allgemeinmedizinerin Tanja Stroh, die zusammen mit der Allgemeinärztin Anke Garbrecht eine Praxis in Bad Waldsee hat. Wie sie aber gleich betont, würden die Telefone derzeit „nur noch so rauschen, es ist eine Katastrophe“.
Daher haben bereits viele Praxen auf Bandansagen umgestellt oder verweisen auf ihren Internetseiten darauf, dass keine Impftermine mehr vergeben oder keine telefonische Anfragen dazu beantwortet werden.
Telefonisch schwer – und für eine Presseanfrage gar nicht – zu erreichen war dieser Tage auch das Ärztehaus am Schloss in Aulendorf, in dem mehrere Allgemeinmediziner arbeiten. Die Praxisgemeinschaft verweist ihre Patienten bezüglich Impftermin allerdings per Bandansage auch auf ihre Homepage. Dort taucht dann direkt der Hinweis auf die gefallene Impfpriorisierung auf – samt der Bitte, den Impftermin online zu buchen. „Jeden Freitag erfahren wir, wie viele Impfdosen uns für die kommende Woche zur Verfügung stehen“, heißt es auf der Homepage weiter, „diese Termine werden dann sofort im Online-Terminkalender freigegeben“. Dort können Interessierte dann also Ausschau nach freien Termin halten.
Eine kurze Stichprobe im OnlineTerminkalender am Mittwochnachmittag ergab, dass Erstimpfungen mit Biontech dort online für Neupatienten nicht buchbar sind, aber auch für Patienten der Praxis hätte es zu diesem Zeitpunkt keinen Erst-Impftermin gegeben. Für die Kategorien Einzelimpfung Covid-19 (Johnson & Johnson) und Zweitimpfung Covid-19 (Astrazeneca) indes wären Termine auswählbar gewesen.
Da es in Deutschland die freie Arztwahl gibt, können Impfterminsuchende bei jeder beliebigen Praxis nach Terminen suchen. Das hat es in der Gemeinschaftspraxis der beiden Ärztinnen in Bad Waldsee auch schon gegeben, wie Allgemeinmedizinerin Stroh erläutert. Da es aber vor allem zu wenig Biontech-Impfstoff gebe, würden die meisten Praxen erst einmal versuchen, die eigenen Patienten zu impfen. Aber auch in ihrer Praxis seien bereits Menschen geimpft worden, die nicht zu den eigenen Patienten zählen. Vom Impfstoff Johnson & Johnson gebe es derzeit etwas mehr Dosen als von Biontech, so Stroh. Wer sich telefonisch meldet und sich für diesen Impfstoff interessiert, könnte also etwas größere Chancen haben.
Wie der SZ bekannt ist, haben schon Menschen im Kreis Ravensburg einen Impftermin in einer Hausarztpraxis bekommen, indem sie auf gut Glück ihre Unterlagen (ausgefüllter Anamnese- und Einwilligungsbogen zur Corona-Schutzimpfung) mitsamt Kontaktdaten in den Briefkasten verschiedener Praxen geworfen haben – mit der Bitte um eine Impfung beziehungsweise Aufnahme auf die Warteliste. Schließlich sagen manchmal Patienten ihre Impftermine ab.
Davon rät die Allgemeinärztin Stroh aber vehement ab, da dies nichts bringe und nur zusätzliche Arbeit mache, schließlich könne man diese Menschen nicht auch noch zusätzlich anrufen und darüber informieren, ob ihr Ansinnen überhaupt Erfolgsaussichten habe oder ihnen gar die Unterlagen zurücksenden.