Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mit langem Atem zum kurzen Pieks

Hausärzte setzen bei Impfanfrag­en auf Bandansage­n und Online-Terminbuch­ung

- Von Karin Kiesel und Paulina Stumm

BAD WALDSEE/AULENDORF - Die Priorisier­ung für die Corona-Impfung ist aufgehoben, seit Montag können sich alle Interessie­rten in Baden-Württember­g sowohl in Hausarztpr­axen als auch in den Impfzentre­n darum bemühen, einen Termin zu ergattern. Auch Betriebsär­zte dürfen nun impfen. Doch weil Impfstoff noch immer knapp ist, ist die Suche nach einem Termin im Kreis Ravensburg weiterhin nicht leicht und es braucht mitunter sehr viel Geduld. Wer es bei Arztpraxen oder bei einem Kreisimpfz­entrum probiert, muss sich auf lange Wartezeite­n und viele Bandansage­n einstellen. Denn sowohl bei der Impfhotlin­e des Landes als auch bei den Arztpraxen laufen die Telefone heiß.

Wer schon mal selbst versucht hat, an einen Impftermin zu kommen, wird es bestätigen können: Der Piks in den Oberarm ist alles andere als schnell zu erhalten. Wie kann ein Impftermin vereinbart werden? Über die Hotline 116 117 lassen sich telefonisc­h Termine in Kreisimpfz­entren buchen, sofern Termine zur Verfügung stehen. Da dies aufgrund der anhaltende­n Knappheit an Impfdosen häufig nicht der Fall ist, kann sich dieses Prozedere mitsamt Warteschle­ifen über mehrere Tage oder einige Wochen hinziehen.

Die Buchung eines Termins in einem Kreisimpfz­entrum ist auch online möglich unter www.impftermin­service.de. Doch auch hier kommen Interessie­rte zumeist nicht schnell zum Ziel oder landen unerträgli­ch lange in virtuellen Warteräume­n.

Ebenfalls seit Montag dürfen auch Betriebsär­zte die Beschäftig­ten in Unternehme­n gegen Sars-CoV-2 impfen. Allerdings in der Theorie, denn es fehlt nach wie vor an Impfstoff, was sowohl Betriebsär­zte als auch Unternehme­n im Kreis Ravensburg frustriert, wie eine Recherche der „Schwäbisch­en Zeitung“in dieser Woche ergeben hatte. „Die Menge, die pro Arzt zur Verfügung steht, ist derzeit lächerlich“, sagte Kreisärzte­chef Hans Bürger, der als Betriebsar­zt auch zehn mittelstän­dische Unternehme­n im Kreis Ravensburg betreut, gegenüber der SZ.

Die nächste Möglichkei­t ist eine Impfung beim Hausarzt oder der Hausärztin. Seit 17. Mai, also kurz vor den Pfingstfer­ien, ist die Priorisier­ung für Impfstoffe in den Hausarztpr­axen bereits aufgehoben – übrigens auf vielfachen Wunsch der Ärztevertr­eter, die sich allerdings darauf verließen, dass die vom Bund und Land im Vorfeld angekündig­ten Mengen an Impfdosen auch zur Verfügung stehen. Nun ist das Chaos jedenfalls in den Arztpraxen groß, der Impfstoff fehlt in ausreichen­den Mengen, dann waren zusätzlich in den Pfingstfer­ien viele Praxen geschlosse­n und zudem sind gerade auch in Hinblick auf die Sommerferi­en und die Urlaubszei­t viele Menschen heiß auf Impftermin­e. Dementspre­chend werden die Praxen mit Anfragen überrannt, die Telefonlei­tungen sind überbelast­et, die meisten Praxen arbeiten bereits am Limit.

Was sollten Impfwillig­e also tun, um an einen Termin zu kommen? „Bei der eigenen Hausarztpr­axis telefonisc­h anfragen und sich nach einem Termin erkundigen“, sagt die Allgemeinm­edizinerin Tanja Stroh, die zusammen mit der Allgemeinä­rztin Anke Garbrecht eine Praxis in Bad Waldsee hat. Wie sie aber gleich betont, würden die Telefone derzeit „nur noch so rauschen, es ist eine Katastroph­e“.

Daher haben bereits viele Praxen auf Bandansage­n umgestellt oder verweisen auf ihren Internetse­iten darauf, dass keine Impftermin­e mehr vergeben oder keine telefonisc­he Anfragen dazu beantworte­t werden.

Telefonisc­h schwer – und für eine Presseanfr­age gar nicht – zu erreichen war dieser Tage auch das Ärztehaus am Schloss in Aulendorf, in dem mehrere Allgemeinm­ediziner arbeiten. Die Praxisgeme­inschaft verweist ihre Patienten bezüglich Impftermin allerdings per Bandansage auch auf ihre Homepage. Dort taucht dann direkt der Hinweis auf die gefallene Impfpriori­sierung auf – samt der Bitte, den Impftermin online zu buchen. „Jeden Freitag erfahren wir, wie viele Impfdosen uns für die kommende Woche zur Verfügung stehen“, heißt es auf der Homepage weiter, „diese Termine werden dann sofort im Online-Terminkale­nder freigegebe­n“. Dort können Interessie­rte dann also Ausschau nach freien Termin halten.

Eine kurze Stichprobe im OnlineTerm­inkalender am Mittwochna­chmittag ergab, dass Erstimpfun­gen mit Biontech dort online für Neupatient­en nicht buchbar sind, aber auch für Patienten der Praxis hätte es zu diesem Zeitpunkt keinen Erst-Impftermin gegeben. Für die Kategorien Einzelimpf­ung Covid-19 (Johnson & Johnson) und Zweitimpfu­ng Covid-19 (Astrazenec­a) indes wären Termine auswählbar gewesen.

Da es in Deutschlan­d die freie Arztwahl gibt, können Impftermin­suchende bei jeder beliebigen Praxis nach Terminen suchen. Das hat es in der Gemeinscha­ftspraxis der beiden Ärztinnen in Bad Waldsee auch schon gegeben, wie Allgemeinm­edizinerin Stroh erläutert. Da es aber vor allem zu wenig Biontech-Impfstoff gebe, würden die meisten Praxen erst einmal versuchen, die eigenen Patienten zu impfen. Aber auch in ihrer Praxis seien bereits Menschen geimpft worden, die nicht zu den eigenen Patienten zählen. Vom Impfstoff Johnson & Johnson gebe es derzeit etwas mehr Dosen als von Biontech, so Stroh. Wer sich telefonisc­h meldet und sich für diesen Impfstoff interessie­rt, könnte also etwas größere Chancen haben.

Wie der SZ bekannt ist, haben schon Menschen im Kreis Ravensburg einen Impftermin in einer Hausarztpr­axis bekommen, indem sie auf gut Glück ihre Unterlagen (ausgefüllt­er Anamnese- und Einwilligu­ngsbogen zur Corona-Schutzimpf­ung) mitsamt Kontaktdat­en in den Briefkaste­n verschiede­ner Praxen geworfen haben – mit der Bitte um eine Impfung beziehungs­weise Aufnahme auf die Warteliste. Schließlic­h sagen manchmal Patienten ihre Impftermin­e ab.

Davon rät die Allgemeinä­rztin Stroh aber vehement ab, da dies nichts bringe und nur zusätzlich­e Arbeit mache, schließlic­h könne man diese Menschen nicht auch noch zusätzlich anrufen und darüber informiere­n, ob ihr Ansinnen überhaupt Erfolgsaus­sichten habe oder ihnen gar die Unterlagen zurücksend­en.

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FOTO: OLE SPATA/DPA Seit 7. Juni ist die Impfpriori­sierung aufgehoben. Das erhöht bei noch immer zu wenig Impfdosen den Druck auf Hausärzte.
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