Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Und die eigenen Fans pfeifen
England-Stars setzen Zeichen gegen Rassismus – Das sorgt für Unruhe von außen
LONDON (SID) - Sie werden nicht nachgeben. Sie werden nicht weichen. Sie werden sich wieder hinknien. Komme, was da wolle von den Rängen. Auch wenn es schwierig werden könnte, Jadon Sancho, Jude Bellingham, Phil Foden, Mason Mount und Co. ziehen das jetzt durch. Für ihre Überzeugung. Gegen Rassismus.
„Sie kennen die Kraft ihrer Stimmen. Sie wissen, dass sie etwas bewegen können“, sagte Teammanager Gareth Southgate, der stolz ist auf seine Jungs: „Die Tatsache, dass wir weitermachen werden, ist beeindruckend.“Die junge Rasselbande der Three Lions sei trotz aller Widerstände „mehr denn je“entschlossen, während der EM in die Knie zu gehen, um gegen Hass und Diskriminierung zu kämpfen. „Wir glauben, dass es das Richtige ist“, sagte Marcus Rashford vor dem Auftaktspiel gegen
Vize-Weltmeister Kroatien (Sonntag, 15.00 Uhr/ARD und MagentaTV). Doch weil vielen Fußballfans in England dieser Glaube offenbar fehlt, ist das Land in Aufruhr. Schließlich hatten Teile der eigenen Fans die Mannschaft ausgebuht, als sie sich vor dem letzten Test gegen Rumänien hinkniete.
Großbritanniens Premierminister Boris Johnson verweigerte dem Team daraufhin die Rückendeckung für die Proteste, ruderte aber am Freitag zurück und ließ über einen Sprecher ausrichten, er respektiere „das Recht aller Menschen, friedlich zu protestieren und ihre Gefühle über Ungerechtigkeiten kundzutun“. Der Premierminister habe „schon früher mitgeteilt, dass er sich wünscht, dass jeder hinter der Nationalmannschaft steht und er möchte, dass jeder sie anfeuert und nicht ausbuht“.
Vielleicht wird also doch noch alles schön in diesem Fußball-Sommer – 25 Jahre nach der Heim-EM, die für England bis zum Halbfinal-Aus gegen Deutschland ein reines Spektakel war. Wahrscheinlich hatte England noch nie so viel Klasse und Esprit im Kader wie jetzt, der Mannschaft ist eigentlich alles zuzutrauen. Doch nicht erst seit der Brexit-Abstimmung ist das Land politisch und gesellschaftlich zerrüttet, die Spaltung wird nun auch bei den Kniefall-Protesten wieder deutlich. Southgate und Co. wollen es einfach nicht mehr still hinnehmen, dass Spieler wie Rashford oder Raheem Sterling online rassistisch beleidigt werden. „Warum solltest du jemanden für etwas so Lächerliches wie seine Hautfarbe beleidigen? Warum?“, fragte Southgate zuletzt: „Leider habe ich für die Leute, die sich so verhalten, eine schlechte Nachricht: Sie sind auf der Verliererseite.“
England trägt auch die weiteren Gruppenspiele gegen Schottland und Tschechien in Wembley aus, die Schotten wollen sich dem Protest vor dem UK-Duell in Solidarität anschließen. Auch die Halbfinals und das große Endspiel steigen in dem Fußball-Tempel. Doch anstatt von einer Euphorie getragen zu werden, beschleicht Sancho und Co. das Gefühl, dass sie gegen Teile der eigenen Anhängerschaft spielen. Dabei ist es wohl so, wie Gary Linker, der große weise Mann des englischen Fußballs, bei Twitter schrieb: „Wenn Sie englische Spieler ausbuhen, weil sie sich hinknien, sind Sie ein Teil des Grundes, warum Spieler sich hinknien.“