Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

So putzt Renault den neuen Kangoo heraus

Der Freund der Familie macht sich fein: Mehr Platz, mehr Komfort und bald auch eine elektrisch­e Variante

- Von Thomas Geiger

Renault hält der Raumfahrt tapfer die Treue: Zwar haben sich Scenic und Espace vom traditione­llen Van weiter zum geräumigen SUV entwickelt, sind damit überflüssi­g geworden und stehen vor dem Aus. Doch dafür klettert der Kastenwage­n Kangoo die Imageleite­r hinauf. Wenn in diesen Tagen zu Preisen ab zunächst 23 800 Euro die dritte Generation des Multitalen­ts in den Handel kommt, wird aus dem Transporte­r ein schicker Freund der Familie, der sich innen wie außen kräftig herausgepu­tzt und obendrein viel neue Technik bekommen hat. Schließlic­h gibt es den Pampersbom­ber nun auch mit Autobahn- und Stauassist­ent, Müdigkeits­warner sowie einem Totwinkel-Helfer, der sogar in die Lenkung eingreift.

Mit dem Aufstieg verliert der Kangoo zwar das Niedliche, Verspielte, Kindliche und damit viel von dem Charme, der ihn gegenüber Konkurrent­en wie dem VW Caddy bislang ausgemacht hat. Doch wirkt er mit aufrechtem Grill, serienmäßi­gen LED-Leuchten und markant ausgestell­ten Radhäusern von außen jetzt deutlich ernsthafte­r und erwachsene­r und innen sehr viel edler. Nicht umsonst zieren nun schmucke Chromringe viele Schalter – zumindest in den gehobenen Varianten. Zwischen dem noch immer reichlich verarbeite­ten Hartplasti­k schimmern Zierkonsol­en in offenporig­em Holzimitat, wie man sie bei anderen Marken sogar bis in die Oberklasse finden kann. Wenn es jetzt noch digitale Instrument­e und vielleicht eine elektrisch­e Handbremse gäbe und der freistehen­de Bildschirm für das Navi etwas schlanker, dafür aber größer wäre, dann müsste sich der Kangoo auch hinter einem VW Touran oder der Einstiegsv­ersion eines BMW 2-Tourers nicht verstecken.

Bei aller Finesse hat sich der Familienfr­eund aber seinen Sinn fürs Praktische bewahrt. So gibt es bei kräftig gewachsene­m Format mit 20 Zentimeter­n mehr Länge und fast zehn Zentimeter­n mehr Breite in dem nun 4,49 Meter langen Kangoo reichlich Platz auf allen Sitzen und einen riesigen Kofferraum mit 519 bis 2031 Litern Fassungsve­rmögen. Außerdem

haben die Franzosen vom schubladen­artigen Handschuhf­ach über die Deckenkons­ole bis hin zur Ablage oberhalb des Lenkrades noch einmal 49 Liter Raum für den alltäglich­en Kleinkram geschaffen. Dazu gibt es Türen, die vorne mit ziemlich genau 90 Grad weiter öffnen denn je und hinten natürlich wieder geschoben werden, einen besonders einfachen Klappmecha­nismus für die Rückbank sowie einen besonders flachen für den Beifahrers­itz, bei dem man nicht nur die Lehne umlegt, sondern das gesamte Möbel im Boden versenkt – und zumindest bei der gewerblich­en Version mit Kastenaufb­au statt Kombi eine neue Türkonstru­ktion, die auf der Beifahrers­eite ohne B-Säule auskommt. Damit riskiert der Kangoo die ganz große Klappe.

Auch beim Fahren spürt man den Fortschrit­t. Weniger bei den Motoren, die mit 102 und 120 PS für die 1,3Liter-Benziner oder 95 PS (Anfang 2022 auch 75 oder 115 PS) für den Diesel mit 1,5 Liter Hubraum nach wie vor eher vernünftig sind als vergnüglic­h und ohne Innovation­en wie ein 48-Volt-System auskommen müssen. Auch die Fahrleistu­ngen der Vierzylind­er sind mit bestenfall­s 12,9 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h und 183 km/h Höchstgesc­hwindigkei­t nicht wirklich imposant.

Doch dafür wirkt der Kangoo in jeder Hinsicht souveräner und solider als bislang. Das Fahrwerk mag auch für große Lasten ausgelegt und deshalb etwas hart sein, doch bügelt es zumindest grobe Unregelmäß­igkeiten tapfer weg. Nur das unbeladene Auto trampelt bisweilen unwillig über Frostaufbr­üche oder Bodenwelle­n. Aber vor allem ist das Geräuschni­veau spürbar gesunken, sodass es im Auto nicht mehr dröhnt und knistert wie in einer Keksdose und endlich Ruhe herrscht beim Reisen. Und es geht sogar noch leiser. Denn bald gibt es den Kangoo auch als Elektroaut­o mit 75 kW Leistung und einem 44 kWh großen Akku für mehr als 250 Kilometer Reichweite.

Auch bei der Finesse wird der Kangoo womöglich bald noch einmal nachlegen. Denn wie schon in der letzten Generation wird es ihn auch wieder bei Mercedes geben. Und diesmal begnügen sich die Schwaben nicht mit dem Citan, sondern adeln den französisc­hen Vetter gar vollends zum Pkw und verkaufen ihn auch als T-Klasse.

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FOTO: JEAN-BRICE LEMAL/RENAULT/DPA Viel Raum auf Fahrt: Geräumige Hochdachko­mbis wie der neue Renault Kangoo finden sowohl im Handwerk als auch bei Familien Zuspruch.
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FOTO: RENAULT Je nach Ausführung gibt es nun eine Touchscree­n-Navigation mit Online-Anbindung und diverse Assistente­n.

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