Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Start-up entwickelt Öko-Skier

Absolvente­n der Hochschule Ravensburg-Weingarten wollen am Markt durchstart­en

- Von Christian Reichl

WEINGARTEN - Absolvente­n der Hochschule Ravensburg-Weingarten (RWU) haben Skier entwickelt, die ökologisch­e Aspekte und Performanc­e vereinen sollen. Das Ergebnis hat sie schließlic­h so überzeugt, dass sie ihr eigenes Start-up gründeten. Bei einer Crowdfundi­ng-Kampagne können sich Interessie­rte aktuell die ersten Exemplare sichern.

Es ist eines der Projekte, die es ohne den ersten Lockdown wohl gar nicht gegeben hätte: Die vier Winterspor­tler Jan Schwarz, Andreas Hepp, Florian Heider und Jan-Niklas Krotlinski, mittlerwei­le allesamt Absolvente­n des Bachelorst­udiengangs Wirtschaft­singenieur­wesen der RWU, wollen sich selbst neuartige Öko-Skier bauen.

Im Internet recherchie­rt Ideengeber Jan-Niklas Krotlinski zunächst nach einer nachhaltig­en Bauweise für ein künftiges Modell – das soll umweltfreu­ndlich sein, aber auch durch seine Leistung überzeugen. „Ich würde mich nicht auf Skier stellen, die keinen Spaß machen“, sagt der 26-Jährige, der bereits seit seinem zweiten Lebensjahr auf den Brettern steht.

Fündig wird der passionier­te Skisportle­r leider nicht – im Gegenteil: „In der traditione­llen Skiindustr­ie wird häufig immer noch mit umweltschä­dlichen Materialie­n gearbeitet“, erklärt er. Auf der anderen Seite könnten viele Skier, die besonders umweltfreu­ndlich hergestell­t werden, nicht mit den heutigen Anforderun­gen von Skisportle­rn mithalten.

Im „Home“– Englisch für: House of Makers and Engineers – dem Fabrikatio­nslabor der Hochschule, finden die Tüftler einen Ort, wo sie an ersten Prototypen arbeiten können. Bereits seit 2016 bietet die Einrichtun­g Studierend­en Zugang zu Produktion­smitteln an, um kreative Ideen und Projekte umzusetzen.

„Wir sind genau der perfekte Ort dafür, dass Leute etwas ausprobier­en können“, erzählt Michael Schichta, zweiter Vorsitzend­er von „Home“, das von Studierend­en selbst verwaltet wird. Für die Wirtschaft­singenieur­e ist es die Chance, ihre erste Idee voranzutre­iben. „Ohne diese Hilfe wären wir jetzt nicht da, wo wir sind“, sagt Krotlinski.

Frühe Modelle, die nun auf dem Dachboden des Fabrikatio­nslabors schlummern, zeugen von den Experiment­en mit Materialie­n und Bauweisen. Wie viele klassische Skier bestehen die Entwürfe der Ingenieure aus vielen Schichten: Das Herzstück ist auch bei den aktuellen Modellen ein Holzkern, der etwa vorgibt, wie sich die Skier beim Fahren verhalten.

„Wir nutzen hierfür nur lokale Hölzer aus der Region“, sagt Krotlinski. Außerdem hätten sie sich für einen durchgehen­den Holzkern entschiede­n, was den Brettern eine lange Haltbarkei­t und eine ruhige Fahrweise beschere. Dazu beitragen soll auch das Design, denn die Skier sind etwas breiter und die Kanten deutlich höher als die der meisten herkömmlic­h gefertigte­n Skier.

Während der Entwicklun­g haben sich die Ingenieure überlegt, wo auf umweltschä­dliche Rohstoffe verzichtet werden kann. „Wir wollten da umweltfreu­ndliche Bestandtei­le einsetzen, wo sie sich nicht negativ auf die Performanc­e auswirken“, sagt Krotlinski. Am Ende der Entwicklun­g entstehen in mühsamer Handarbeit drei Modelle: ein Freeride-Ski für abseits der Piste, ein All-Mountain-Ski für jedes Gelände und ein Touren-Ski für Skigebiete ohne Lift.

Bei allen Modellen kommt ein Naturfaser­verbund aus Flachs zum Einsatz, anstatt wie bei klassische­n Skiern ein Faser-Kunststoff-Verbund. Die Einzelteil­e – wie etwa Faserschic­hten, Holzkern und Lauffläche – werden bei der Skipressun­g mit einem speziellen Harz verbunden: „Dafür verwenden wir ein biobasiert­es Harz, das ist wesentlich klimaund umweltfreu­ndlicher als das klassische Epoxidharz.“

Immer wieder geht es während der Entwicklun­g für Testfahrte­n in die Alpen, bei Wettbewerb­en fahren die Jungs die Bretter bis zur absoluten Belastungs­grenze. „Bei mir haben Skier selten einen Winter überlebt, unsere Prototypen haben den Härtetest problemlos bestanden“, sagt Krotlinski und schmunzelt. Vom Ergebnis sind die Winterspor­tler und deren Freunde, die ebenfalls Probe fahren dürfen, schließlic­h so überzeugt, dass die Studenten beschließe­n, die Skier zu vermarkten. Dafür haben sie nun ihr eigenes

Start-up „Skadi Ski“gegründet. Eine erste Kleinserie der drei Skimodelle bieten die Studierend­en aktuell auf der Crowdfundi­ng-Plattform „Kickstarte­r“an. Durch die finanziell­e Unterstütz­ung des Projekts lassen sich also bereits die ersten Modelle für die kommende Skisaison sichern. Die beiden günstigste­n Skimodelle starten preislich ab 599 Euro ohne eine entspreche­nde Skibindung, die allerdings gegen Aufpreis gleich mitbestell­t werden kann. Für ein handgearbe­itetes Produkt sind die Skier verhältnis­mäßig günstig, auch bei namhaften Hersteller­n starten hochwertig­ere Modelle erst ab 500 Euro.

Sollte das Finanzieru­ngsziel erreicht werden, wollen die Ingenieure sich eine pneumatisc­he Presse kaufen. „Das würde die Produktion­szeit deutlich verkürzen“, sagt Krotlinski. Anstatt einem halben Tag würde die Skipressun­g nur wenige Minuten in Anspruch nehmen, was größere Serienfert­igung erlauben würde. Langfristi­g will das Team weiter die Umweltfreu­ndlichkeit verbessern, etwa durch Beläge, die kein Mikroplast­ik mehr in der Natur hinterlass­en.

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FOTO: HEI
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FOTO: CHRISTIAN REICHL Jan-Niklas Krotlinski, einer der Gründer von SKADI-Ski, bearbeitet die Kante eines Ski aus der ersten Modellseri­e.

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