Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Start-up entwickelt Öko-Skier
Absolventen der Hochschule Ravensburg-Weingarten wollen am Markt durchstarten
WEINGARTEN - Absolventen der Hochschule Ravensburg-Weingarten (RWU) haben Skier entwickelt, die ökologische Aspekte und Performance vereinen sollen. Das Ergebnis hat sie schließlich so überzeugt, dass sie ihr eigenes Start-up gründeten. Bei einer Crowdfunding-Kampagne können sich Interessierte aktuell die ersten Exemplare sichern.
Es ist eines der Projekte, die es ohne den ersten Lockdown wohl gar nicht gegeben hätte: Die vier Wintersportler Jan Schwarz, Andreas Hepp, Florian Heider und Jan-Niklas Krotlinski, mittlerweile allesamt Absolventen des Bachelorstudiengangs Wirtschaftsingenieurwesen der RWU, wollen sich selbst neuartige Öko-Skier bauen.
Im Internet recherchiert Ideengeber Jan-Niklas Krotlinski zunächst nach einer nachhaltigen Bauweise für ein künftiges Modell – das soll umweltfreundlich sein, aber auch durch seine Leistung überzeugen. „Ich würde mich nicht auf Skier stellen, die keinen Spaß machen“, sagt der 26-Jährige, der bereits seit seinem zweiten Lebensjahr auf den Brettern steht.
Fündig wird der passionierte Skisportler leider nicht – im Gegenteil: „In der traditionellen Skiindustrie wird häufig immer noch mit umweltschädlichen Materialien gearbeitet“, erklärt er. Auf der anderen Seite könnten viele Skier, die besonders umweltfreundlich hergestellt werden, nicht mit den heutigen Anforderungen von Skisportlern mithalten.
Im „Home“– Englisch für: House of Makers and Engineers – dem Fabrikationslabor der Hochschule, finden die Tüftler einen Ort, wo sie an ersten Prototypen arbeiten können. Bereits seit 2016 bietet die Einrichtung Studierenden Zugang zu Produktionsmitteln an, um kreative Ideen und Projekte umzusetzen.
„Wir sind genau der perfekte Ort dafür, dass Leute etwas ausprobieren können“, erzählt Michael Schichta, zweiter Vorsitzender von „Home“, das von Studierenden selbst verwaltet wird. Für die Wirtschaftsingenieure ist es die Chance, ihre erste Idee voranzutreiben. „Ohne diese Hilfe wären wir jetzt nicht da, wo wir sind“, sagt Krotlinski.
Frühe Modelle, die nun auf dem Dachboden des Fabrikationslabors schlummern, zeugen von den Experimenten mit Materialien und Bauweisen. Wie viele klassische Skier bestehen die Entwürfe der Ingenieure aus vielen Schichten: Das Herzstück ist auch bei den aktuellen Modellen ein Holzkern, der etwa vorgibt, wie sich die Skier beim Fahren verhalten.
„Wir nutzen hierfür nur lokale Hölzer aus der Region“, sagt Krotlinski. Außerdem hätten sie sich für einen durchgehenden Holzkern entschieden, was den Brettern eine lange Haltbarkeit und eine ruhige Fahrweise beschere. Dazu beitragen soll auch das Design, denn die Skier sind etwas breiter und die Kanten deutlich höher als die der meisten herkömmlich gefertigten Skier.
Während der Entwicklung haben sich die Ingenieure überlegt, wo auf umweltschädliche Rohstoffe verzichtet werden kann. „Wir wollten da umweltfreundliche Bestandteile einsetzen, wo sie sich nicht negativ auf die Performance auswirken“, sagt Krotlinski. Am Ende der Entwicklung entstehen in mühsamer Handarbeit drei Modelle: ein Freeride-Ski für abseits der Piste, ein All-Mountain-Ski für jedes Gelände und ein Touren-Ski für Skigebiete ohne Lift.
Bei allen Modellen kommt ein Naturfaserverbund aus Flachs zum Einsatz, anstatt wie bei klassischen Skiern ein Faser-Kunststoff-Verbund. Die Einzelteile – wie etwa Faserschichten, Holzkern und Lauffläche – werden bei der Skipressung mit einem speziellen Harz verbunden: „Dafür verwenden wir ein biobasiertes Harz, das ist wesentlich klimaund umweltfreundlicher als das klassische Epoxidharz.“
Immer wieder geht es während der Entwicklung für Testfahrten in die Alpen, bei Wettbewerben fahren die Jungs die Bretter bis zur absoluten Belastungsgrenze. „Bei mir haben Skier selten einen Winter überlebt, unsere Prototypen haben den Härtetest problemlos bestanden“, sagt Krotlinski und schmunzelt. Vom Ergebnis sind die Wintersportler und deren Freunde, die ebenfalls Probe fahren dürfen, schließlich so überzeugt, dass die Studenten beschließen, die Skier zu vermarkten. Dafür haben sie nun ihr eigenes
Start-up „Skadi Ski“gegründet. Eine erste Kleinserie der drei Skimodelle bieten die Studierenden aktuell auf der Crowdfunding-Plattform „Kickstarter“an. Durch die finanzielle Unterstützung des Projekts lassen sich also bereits die ersten Modelle für die kommende Skisaison sichern. Die beiden günstigsten Skimodelle starten preislich ab 599 Euro ohne eine entsprechende Skibindung, die allerdings gegen Aufpreis gleich mitbestellt werden kann. Für ein handgearbeitetes Produkt sind die Skier verhältnismäßig günstig, auch bei namhaften Herstellern starten hochwertigere Modelle erst ab 500 Euro.
Sollte das Finanzierungsziel erreicht werden, wollen die Ingenieure sich eine pneumatische Presse kaufen. „Das würde die Produktionszeit deutlich verkürzen“, sagt Krotlinski. Anstatt einem halben Tag würde die Skipressung nur wenige Minuten in Anspruch nehmen, was größere Serienfertigung erlauben würde. Langfristig will das Team weiter die Umweltfreundlichkeit verbessern, etwa durch Beläge, die kein Mikroplastik mehr in der Natur hinterlassen.