Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Polizist kniet auf Mann

Prozess nach Einsatz in Müncher S-Bahn-Station

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MÜNCHEN (dpa) - Nach einem Polizeiein­satz in einer Münchner SBahn-Station beginnt am kommenden Freitag der Prozess gegen einen Mann wegen des Vorwurfs der Körperverl­etzung, Beleidigun­g und tätlichen Angriffs auf Vollstreck­ungsbeamte. Das teilte das Amtsgerich­t am Freitag auf Anfrage mit.

Der Vorfall aus dem Februar 2020 machte im Juli dieses Jahres Schlagzeil­en, nachdem das Nachrichte­nmagazin Focus ein Video des Einsatzes veröffentl­icht hatte. Darin ist zu sehen, wie ein Polizist auf Kopf- und Halsregion eines um Hilfe rufenden Mannes kniet. Dieser Mann ist nun angeklagt, weil die Bundespoli­zei Anzeige gegen ihn erstattet hat.

„Focus online“zufolge war der Mann bei einer Fahrkarten­kontrolle ins Visier der Polizisten geraten, obwohl er eine gültige Fahrkarte gehabt habe. „Ein Mann kniete auf meinem Hals. Ich hatte wirklich Todesangst“, zitiert das Portal einen 53-Jährigen, bei dem es sich um den Mann auf dem Video handeln soll.

Laut Bundespoli­zei stammt es aus einer Polizisten-Bodycam. Wie es an die Öffentlich­keit gelangte, ist unklar. Die Staatsanwa­ltschaft München I hatte nach Bekanntwer­den des Videos mitgeteilt, das Vorgehen der Bundespoli­zei überprüfen zu wollen. Es handele sich um Vorermittl­ungen, um zu klären, ob ein Verfahren eingeleite­t wird.

Das Video erinnert auf den ersten Blick, auch wenn die Folgen nicht zu vergleiche­n sind, an den tödlichen Polizeiein­satz gegen George Floyd in den USA, der eine Welle des Entsetzens und Massenprot­este ausgelöst hatte. Floyd war am 25. Mai 2020 in Minneapoli­s bei einem Polizeiein­satz getötet worden. Beamte nahmen den 46-Jährigen fest, weil er eine Schachtel Zigaretten mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt haben soll. Videos von Passanten dokumentie­rten, wie Polizisten den unbewaffne­ten Mann zu Boden drückten. Ein Polizist presste dabei sein Knie gut neun Minuten lang auf Floyds Hals. Er wurde bewusstlos und starb wenig später. Der Polizist wurde zu 22 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

Das Knien auf dem Hals von Verdächtig­en ist aus Sicht der Polizeigew­erkschafte­n in Bayern nicht zum Fixieren vorgesehen. Um Menschen, die Gegenwehr leisten, zu fixieren, würden Einsatz- und Haltegriff­e „zwar zumeist auf dem Boden liegend, aber nicht auf dem Hals kniend“vermittelt, sagte der Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft der Polizei, Peter Pytlik, nach Bekanntwer­den des Vorfalls. Der bayerische Landesvors­itzende der Deutschen Polizeigew­erkschaft, Jürgen Köhnlein, sagte, dass bei massiver Gegenwehr „das Knie einer Einsatzkra­ft einmal abrutschen“könne.

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