Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
CDU droht neuer Machtkampf
Ein Traumergebnis war das für Friedrich Merz. Mit 94,62 Prozent haben ihn die Delegierten dafür entschädigt, dass er sich so lange gedulden musste, bis er sein Ziel Parteivorsitz erreicht hat. Doch dem neuen CDU-Chef bleibt kaum Zeit, sich auf seinem Triumph im dritten Anlauf auszuruhen. Denn so geschlossen, wie die Partei gerne wäre, ist sie nicht. Wenn Merz und Ralph Brinkhaus keine Einigung in der Frage des Fraktionsvorsitzes erreichen, dann braucht es nicht einmal einen quertreibenden CSU-Chef Markus Söder, um die Spaltung in der Union wieder sichtbar werden zu lassen.
Bislang sieht es nicht danach aus, als würde Brinkhaus, der bis zum 30.April gewählt ist, freiwillig verzichten und seine Führungsposition Merz überlassen. Dass der Nordrhein-Westfale risikobereit ist, hat er bereits vor dreieinhalb Jahren mit seiner Kampfkandidatur gegen Volker Kauder bewiesen. Merz treibt er damit in eine ungute Rolle. Der neue Parteivorsitzende müht sich redlich, seine Teamfähigkeit zu demonstrieren, um nicht länger als selbstbezogen und rückwärtsgewandt zu gelten. Deshalb hat der 66-Jährige ein Team um sich geschart, das jünger und weiblicher ist als je zuvor. Mit diesen neuen Gesichtern könnte die CDU die Themen bearbeiten, die sie sich in 16 Jahren Regierungsarbeit aus der Hand nehmen ließ – und sich so neu profilieren. Doch wenn Merz seine Macht als Vorsitzender einer Oppositionspartei festigen will, muss er Brinkhaus seinen Posten streitig machen – so, wie es Angela Merkel vor 20 Jahren gemacht hat, als Merz Fraktionschef war. Dass er die Regierung angreifen kann und will, hat er mit seiner Parteitagsrede klargemacht.
Dieser Zwist in der Bundespartei kann schnell zur Belastung werden für die CDU-Ministerpräsidenten im Saarland, in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, die zur Wahl stehen. Sollten diese drei Wahlen im Frühjahr verloren gehen, würde dies auf Merz und die neue Führung zurückfallen. Frustrierte Parteimitglieder suchen sich einen Schuldigen für die Misere, auch wenn sie ihn vorher selbst gewählt haben – auch das hat das vergangene Jahr gezeigt.