Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Gold kommt schwer aus den Startlöchern
Die Preise für das Edelmetall stagnieren zu Beginn dieses Jahres trotz Inflation
STUTTGART - Gold kommt auch in diesem Jahr schwer aus den Startlöchern. Nachdem die Preise für das gelbe Edelmetall 2021 unter hohen Schwankungen in US-Dollar insgesamt rund vier Prozent nachgaben, stagnieren sie derzeit mehr oder weniger auf einem Niveau von um die 1822 US-Dollar pro Feinunze (31,1 Gramm) beziehungsweise rund 1600 Euro.
„Gegenwind bekommen die Goldpreise auch zu Jahresbeginn von höheren Kapitalmarktzinsen“, wie Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank, feststellt. Dabei schlägt neben einer leichten Aufwertung des US-Dollars insbesondere der steigende Realzins zu Buche. Er ist zwar weiterhin negativ, was grundsätzlich für das gelbe Metall sprechen würde. Entscheidender ist aktuell jedoch die Richtung. Der Realzins, der sich aus den nominalen Renditen abzüglich der Inflationserwartungen ergibt, fällt nicht mehr, sondern er steigt.
Allein im Dezember ist er in den USA von minus 1,1 auf minus 0,75 Prozent angestiegen. Unterstützung erhalten die Notierungen des Edelmetalls zwar von Befürchtungen, dass die Inflationsraten noch länger auf hohem Niveau verharren könnten. Der etwas raue Jahresauftakt an einigen Aktienbörsen sorgt zudem möglicherweise für stärkere Nachfrage nach vermeintlich „sicheren Häfen“. In einem Umfeld steigender Realzinsen und erwarteter Leitzinserhöhungen, insbesondere in den USA, aber dürfte laut Stephan das Kurspotenzial des gelben Metalls dennoch höchstens moderat sein. Längst wird am Kapitalmarkt spekuliert, dass die US-Notenbank Fed bereits am 16. März ihre erste Zinserhöhung in diesem Jahr beschließen wird. Grundsätzlich
gelten anziehende Zinsen als Gift für Gold. Schließlich gibt es auf Gold weder Zinsen noch Dividenden. Sind aber die Marktzinsen bei null, wird Gold interessant, da keine Opportunitätskosten anfallen. Zwar wirkt derzeit die Inflation eher preistreibend für Gold. Doch schießt sein Preis angesichts einer Teuerungsrate von 3,1 Prozent in Deutschland im Gesamtjahr 2021 und im Dezember von 5,3 Prozent dennoch nicht nach oben. Denn der gegenläufig wirkende Impuls höherer Realzinsen hält den Anstieg in Schach.
Im vergangenen Jahr dämpften insbesondere die Verkäufe von mit physischem Gold hinterlegten börsengehandelten Produkten seitens einiger Großinvestoren in den USA die Preise. Insgesamt verkauften diese aus ihren Beständen netto knapp 200 Tonnen im Gegenwert von rund 10,8
Milliarden US-Dollar. Die Frage ist nun, ob die im letzten Jahr zu beobachtenden Abflüsse aus internationalen Gold-ETCs auch in den kommenden Wochen und Monaten noch anhalten. Erst wenn diese Geldflüsse sich umkehren, hat das Gold wieder eine Chance, stärker zu glänzen.
Die Nachfrage europäischer und asiatischer Anleger über netto 26 Tonnen konnte die Abflüsse der USProfi-Investoren bei Weitem nicht wettmachen. Begehrt sind indessen weiterhin die börsengehandelten deutschen Inhaberschuldverschreibungen wie Xetra-Gold, die von einer Tochter der Deutschen Börse herausgegeben wird.
So ist der Goldbestand dieses ETCs zum Jahresende 2021 auf 237,6 Tonnen oder einem verwalteten Vermögen von 12,2 Milliarden Euro angestiegen. Das ist ein Plus von 20,7 Tonnen im Jahresverlauf oder 9,5 Prozent. Anfang Januar 2021 lag der Bestand noch bei 216,9 Tonnen Gold. Xetra-Gold bleibt damit das führende physisch hinterlegte Gold-Wertpapier
in Europa. Euwax Gold II, ein ähnlich strukturiertes Papier der Börse Stuttgart, konnte seinen Bestand 2021 um 27 Prozent auf 17,5 Tonnen steigern. Die Bestände erhöhen sich immer dann, wenn Anteile dieser Schuldverschreibungen über die Börse gekauft werden.
Anleger haben einen Anspruch auf Auslieferung des verbrieften physischen Goldes. Seit der Einführung von Xetra-Gold im Jahr 2007 ist davon 1604-mal Gebrauch gemacht worden. Dabei wurden insgesamt 7,2 Tonnen Gold ausgeliefert.
Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs von 2015 fallen Gewinne aus der Veräußerung oder Einlösung derartiger Inhaberschuldverschreibungen nach einer Mindesthaltedauer von einem Jahr nicht unter die Abgeltungssteuer. Somit sind der Erwerb und die Einlösung oder der Verkauf steuerlich wie ein unmittelbarer Erwerb und unmittelbarer Verkauf physischen Goldes zu beurteilen – also beispielsweise wie Goldbarren oder Goldmünzen.