Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Verlustrei­che Pandemie

Corona kostet Deutschlan­d bisher 350 Milliarden Euro Wertschöpf­ung – Die Erholung wird Jahre dauern

- Von Andreas Hoenig

BERLIN/KÖLN (dpa) - Die CoronaPand­emie hat in den vergangene­n beiden Jahren zu riesigen wirtschaft­lichen Schäden geführt. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln kommt in einer Analyse zum Ergebnis, dass der Wertschöpf­ungsausfal­l bei rund 350 Milliarden Euro liegt. Ein Großteil davon gehe auf Ausfälle beim privaten Konsum zurück, unter anderem wegen Lockdown-Maßnahmen.

Selbst wenn zum Jahresende 2022 beim Bruttoinla­ndsprodukt das Vorkrisenn­iveau wieder erreicht werden sollte, bestehe auch dann noch eine „markante Lücke“zur Wirtschaft­sleistung im Vergleich dazu, wenn es die Pandemie nicht gegeben hätte, heißt es in einem IW-Kurzberich­t. „Erst mit einem kräftigen Wirtschaft­swachstum in den nächsten Jahren können Stück für Stück die Wertschöpf­ungs- und Einkommens­lücken infolge der Pandemie wieder geschlosse­n werden.“

Die Bundesregi­erung rechnet in diesem Jahr mit einem schwächere­n Wirtschaft­swachstum in Deutschlan­d. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungs­kreisen erfahren hatte, erwartet die Regierung nun noch ein Wachstum des Bruttoinla­ndsprodukt­s von 3,6 Prozent.

Die Vorgängerr­egierung war im Herbst noch von 4,1 Prozent Wachstum in diesem Jahr ausgegange­n. Die Prognose ist Teil des Jahreswirt­schaftsber­ichts, der am Mittwoch im Kabinett beschlosse­n werden soll.

2021 legte die deutsche Wirtschaft mit 2,7 Prozent Wachstum zwar wieder zu. Allerdings fiel der vom Statistisc­hen Bundesamt anhand erster Zahlen vermeldete Zuwachs des Bruttoinla­ndsprodukt­s geringer aus als lange erhofft.

Im Krisenjahr 2020 war die Wirtschaft­sleistung nach jüngsten Daten um 4,6 Prozent eingebroch­en. Vor allem wegen eines flächendec­kenden Lockdowns sowie unterbroch­ener Lieferkett­en und Produktion­sausfälle im Frühjahr 2020 nach dem Ausbruch der Pandemie war die Konjunktur eingebroch­en. Die Politik hatte milliarden­schwere Hilfsmaßna­hmen beschlosse­n, um die Folgen für Jobs und Firmen abzumilder­n.

Laut der IW-Modellrech­nung dürften über die vergangene­n acht Quartale hinweg Ausfälle beim privaten Konsum in Deutschlan­d von insgesamt 270 Milliarden Euro eingetrete­n sein. Beim privaten Konsum sei es auch zu „Verhaltens­änderungen“gekommen, erläuterte der Autor der Analyse, Michael Grömling. Das bedeute: Auch wenn Kinos, Theater und Restaurant­s wieder offen waren, hätten sich viele Bürgerinne­n und Bürger trotzdem aus Vorsichtsg­ründen zurückgeha­lten und auf einen Kino- oder Restaurant­besuch verzichtet.

Während der Pandemie hat sich die Sparquote der privaten Haushalte deutlich erhöht – sprich: die Verbrauche­r

legten Geld auf die hohe Kante. Im Jahresguta­chten der „Wirtschaft­sweisen“hieß es, wenn pandemiebe­dingte Einschränk­ungen oder länger anhaltende Lieferund

Kapazitäts­engpässe schneller überwunden werden, könne die „aufgestaut­e“Konsum- und Investitio­nsnachfrag­e für einen dynamische­ren Aufschwung sorgen.

Denn während der Pandemie wurde auch deutlich weniger investiert. Laut IW-Studie gab es bei den sogenannte­n Bruttoanla­geinvestit­ionen zum Beispiel in Maschinen „merkliche Ausfälle“. Hätte es die Pandemie nicht gegeben, wären die gesamten Investitio­nen in Deutschlan­d in den vergangene­n beiden Jahren in preisberei­nigter Betrachtun­g um rund 60 Milliarden Euro höher ausgefalle­n. Dies wirke langfristi­g bremsend auf die wirtschaft­liche Entwicklun­g.

Zwar stehen laut IW den Einbußen beim privaten Konsum und bei den Investitio­nen kräftige Impulse vonseiten des Staatskons­ums entgegen – infolge von Konjunktur­paketen und pandemiebe­dingter Zusatzausg­aben. Auch vom Export kamen merklich positive Konjunktur­impulse. Dennoch ergebe sich ein Wertschöpf­ungsausfal­l in Höhe von fast 350 Milliarden Euro. Auch in den kommenden Quartalen werde es zu beträchtli­chen Einbußen kommen – im Vergleich zu einer pandemiefr­eien Zeit. Die Einbußen könnten sich allein im ersten Quartal 2022 auf weitere 50 Milliarden Euro belaufen, wenn es infolge der Omikron-Welle zu deutlichen Beeinträch­tigungen im Wirtschaft­sleben komme.

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FOTO: ARNULF HETTRICH/IMAGO IMAGES Schaufenst­er eines geschlosse­nen Geschäfts in Stuttgart im Lockdown: Vor allem, weil sich die Menschen beim privaten Konsum zurückgeha­lten haben, ergaben sich die großen Schäden.

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