Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ende von 2G beim Einkaufen gefordert
Vor Bund-Länder-Treffen verlangen Verbände einheitliche Regeln – Einkaufstourismus an bayerisch-baden-württembergischer Grenze nimmt zu
BERLIN (dpa/sz) - Vor dem Spitzengespräch von Bund und Ländern zur weiteren Corona-Strategie an diesem Montag dringt die Wirtschaft auf Erleichterungen und bundesweit einheitliche Regeln. So fordert der Handelsverband Deutschland (HDE), die 2G-Zugangsbeschränkungen für den Einzelhandel abzuschaffen. Gastronomie und Tourismuswirtschaft verlangten eine klare und einheitliche Linie für die Branche.
In Bayern und Niedersachsen sei die 2G-Regel, die in großen Teilen des Einzelhandels nur Geimpften und Genesenen den Zutritt gestattet, bereits aufgehoben, schrieb HDEPräsident Josef Sanktjohanser in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Am Freitag hatte auch das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes die Zutrittsbeschränkung zu Einzelhandelsgeschäften nach der 2G-Regelung vorläufig außer Vollzug gesetzt. Dem Gericht fehlten mit Blick auf Ausnahmen „einheitliche, objektivierbare Kriterien für den erweiterten Geltungsbereich der Regelung“. Sanktjohanser betonte, es sei an der Zeit, die Zugangsbeschränkungen im Handel auch bundesweit auf den Prüfstand zu stellen. „Wir bitten Sie daher, sich im Zuge der Bund-Länder-Abstimmungen bei der Ministerpräsidentenkonferenz kommenden Montag dafür einzusetzen, die strikten 2G-Zugangsbeschränkungen für den Einzelhandel mit Gütern außerhalb des täglichen Bedarfs aufzuheben – mindestens aber in Form von Stichprobenkontrollen an der Kasse zu vereinfachen“, heißt es in dem Schreiben.
Die derzeitigen unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern führten verstärkt zu Einkaufstourismus, kritisiert der Handelsverband in Baden-Württemberg und verweist auf das Beispiel Ulm (Baden-Württemberg) und Neu-Ulm (Bayern). „Die Situation ist absurd“, sagt Herman Hutter, Präsident des Handelsverbands Baden-Württemberg, „während Kundinnen und Kunden in Ulm weiterhin die 2G-Vorgaben erfüllen müssen und Händler diese am Ladeneingang minutiös kontrollieren, gibt es wenige Meter weiter in
Neu-Ulm keine Zugangsbeschränkungen mehr. Dieser Zustand ist nicht tragbar.“
Laut Modehändler Roland Reischmann, Mitgesellschafter des Familienunternehmens Reischmann mit Filialen in Baden-Württemberg und Bayern, unterscheide sich das Einkaufsverhalten in den beiden Bundesländern seit der Aufhebung der 2G-Regel in Bayern stark. „Während wir in unseren Filialen in Baden-Württemberg weiterhin massive Frequenzverluste verzeichnen müssen und die Kunden weiter ausbleiben, sehen wir, dass in Bayern wieder vermehrt Kunden in unsere Geschäfte strömen.“Jeder weitere Tag, an dem 2G im Handel in Baden-Württemberg gelte, bedeute für den Einzelhandel einen beträchtlichen zusätzlichen Umsatzverlust.
Der Verband habe es bereits sehr oft betont: „der Handel ist nachweislich kein Treiber der Pandemie“, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Südwest-Handelsverbandes, Sabine Hagmann, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Doch nicht nur der Einzelhandel stellt Forderungen. Vor den Spitzenberatungen
von Bund und Ländern verlangte auch die Tourismuswirtschaft eine klare und einheitliche Linie. „Wir müssen zurück zu klaren, verständlichen und nachvollziehbaren Regeln. Sie sind jetzt das Gebot der Stunde“, sagte der Präsident des Deutschen Tourismusverbandes (DTV), Reinhard Meyer.
Bei der vergangenen Bund-Länder-Konferenz sei die flächendeckende Einführung der 2G-plus-Vorschrift in der Gastronomie beschlossen worden. „Diese Regelung wird aber unterschiedlich angewendet und die Länder regeln selbst, ob nach einer Booster-Impfung noch ein Test für den Restaurantbesuch erforderlich ist“, stellte Meyer fest. Auch bei touristischen Übernachtungen herrsche Uneinheitlichkeit. „Für die Tourismusbranche, die ohnehin schwer an der Krise zu tragen hat, bedeutet dieser Wirrwarr Unsicherheit bei Gästen und Gastgebern.“Die Länder müssten eine einheitliche Handhabe vereinbaren.
Der Einzelhandel spricht sich zudem für eine Aussetzung von Lieferbeschränkungen aus. „Die nächtlichen Einfahrverbote für Lkw in viele Städte stehen einer Belieferung der Filialen des Handels entgegen“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er forderte zudem, das Sonntagsfahrverbot für Lkw aufzuheben, damit der Verkehr flexibler geplant und Lieferketten entlastet werden könnten.