Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Harry Wijnvoord will Schlagerbü­hne erobern

25 Jahre nach der RTL-Show „Der Preis ist heiß“erscheint sein Lied „Wind im Gesicht“

- Von Jonas-Erik Schmidt

SENDEN (dpa) – Harry Wijnvoord hat eine Stimme, die einen wie eine warme Decke einwickeln und in die 1990er-Jahre zurückschi­cken kann. Wenn der Niederländ­er spricht, mit diesem eigenen Zungenschl­ag, hat man plötzlich alles wieder vor Augen: ihn selbst im Anzug, seinen Sidekick Walter Freiwald, diese blinkende Jahrmarkt-Kulisse und ein Publikum, das wie von Sinnen „Weniger!“, „Mehr!“oder „50!“brüllt. „Der Preis ist heiß“, eine RTL-Show, bei der es galt, Preise von Produkten zu raten, war Wijnvoords großes Ding. Von 1989 bis 1997.

Rund 25 Jahre später hat Wijnvoord nun entschiede­n, seine Stimme noch für etwas anderes zu verwenden. Er singt – man darf staunen – einen Schlager. „Ich bin kein Typ, der still sitzt“, sagt Wijnvoord, der heute im Münsterlan­d lebt, der Deutschen Presse-Agentur. „Ich strebe keine Popstar-Karriere mehr an“, versichert er zugleich. „Aber ich habe ja eine Stimme und die kann ich zu Gehör bringen.“

In den vergangene­n Jahren hat es immer mehr Show- und Pop-Personal auf die Schlagerbü­hne gezogen. Das einst etwas belächelte Genre gilt spätestens seit dem immensen Erfolg von Helene Fischer (37) als entstaubt, vorzeigbar und überdies auch als recht krisenfest. Dass sich nun aber ausgerechn­et ein 72-jähriger Gameshow-Veteran noch mal berufen fühlt, da mitzumisch­en, kann dennoch ein bisschen wundern.

Wijnvoord begründet es auch ganz anders. Zum einen ist da Corona. Kürzlich sei er auf Fuertevent­ura gewesen, sagt er, er habe einfach „rausgemuss­t“. Um dieses von der Pandemie geboostert­e Fernweh-Gefühl – seit jeher ein Grundmotiv schmachtvo­ller Schlagerst­ücke – dreht sich auch sein Lied, das „Wind im Gesicht“heißt und am 25. Januar erscheinen soll. Wijnvoord Text darin: „Ich will endlich wieder raus. Will die Schönheit fremder Länder sehen. Und mit Menschen, die ich mag, tanz' ich in den neuen Tag.“Musikalisc­h kann man das irgendwo zwischen Howard Carpendale und den Amigos verorten.

Er und seine Frau – die eine Damenbouti­que in Lüdinghaus­en habe

– seien leidenscha­ftliche Reisende, schildert Wijnvoord. Und was das Singen angehe: Da habe er überhaupt keine Scheu. „Rein in das Studio und singen“, sei seine Devise gewesen. „Ich war noch nie ein Schisser.“Früher habe er bereits häufig irische und englische Folklore gesungen. Und: „Ich kann sechs Griffe auf der Gitarre.“

Wer sich angesichts dessen näher mit dem Wijnvoord'schen Gesamtwerk beschäftig­t, stellt auch fest, dass „Wind im Gesicht“bei Weitem nicht sein erster Ausflug ins Musikfach ist. Es gibt vereinzelt­e Aufnahmen und aus dem Jahr 1996 sogar ein ganzes Album. Auch damals ging es in gewisser Weise um Fernweh, denn der Titel lautete „Olé Mallorca, wir kommen“. Textlich war Wijnvoord allerdings deutlich offensiver unterwegs als heute. Ein Lied trug den Titel „Damenwahl in Arenal“, ein anderes „Ja die Oma will nach Palma“. Es waren die 90er.

„Das war im Prinzip mein letztes Werk“, sagt Wijnvoord. Dass „Wind im Gesicht“, das ihm der Kölner Musikprodu­zent Jürgen Triebel geschriebe­n hat, aber sein letzter Schlager ist, davon ist nicht auszugehen. „Es wird noch mehr kommen“, sagt Wijnvoord. Und im Geiste hört man Menschen enthemmt „Weniger!“, „Mehr!“und „50!“brüllen.

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Harry Wijnvoord am Klavier im Wohnzimmer seines Hauses: Der GameshowVe­teran will erneut seine Stimme zu Gehör bringen.

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