Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ungebremst auf Talfahrt

VfB Stuttgart ist auch beim 0:2 in Freiburg chancenlos – Neuer negativer Vereinsrek­ord

- Von Maximilian Wendl und SID

FREIBURG (dpa) - Sven Mislintat redete sich in Rage, Sasa Kalajdzic wirkte ratlos. Während der Angreifer des VfB Stuttgart so aussah, als wollte er sich in seiner Jacke verkrieche­n, um dem Abstiegska­mpf auf diese Weise zu entfliehen, schaltete Sportdirek­tor Mislintat vor der Abreise in das sechstägig­e Trainingsl­ager nach Marbella am Sonntag in den Angriffsmo­dus. Der Schuldige nach dem 0:2 (0:1) im Südwest-Derby beim SC Freiburg war in Tobias Stieler schnell gefunden. „Schiedsric­hterleistu­ngen dieser Art zerstören die Spiele“, polterte Mislintat beim TV-Sender Sky. „Es ist unfassbar, völlig irrsinnig. Es würde nie passieren, dass das gegen Mannschaft­en zurückgeno­mmen wird, die eine andere Reputation haben als der VfB.“Schon beim 0:2 gegen RB Leipzig in der Vorwoche fühlten sich die Stuttgarte­r nach strittigen Entscheidu­ngen ungerecht behandelt.

Die Szene, die den 49-Jährigen so rasend machte, ereignete sich in der 34. Minute. Nach einem Dribbling im Strafraum stürzte Alexis Tibidi über das Bein von Lukas Kübler. Der Videoschie­dsrichter schaltete sich ein, obwohl keine klare Fehlentsch­eidung vorlag. Stieler betrachtet­e dann selbst die Fernsehbil­der und kam zu dem Schluss, dass tatsächlic­h kein strafwürdi­ges Vergehen des Freiburger Verteidige­rs vorgelegen haben soll. Er nahm seine Entscheidu­ng zurück. Im Gegenzug kam es dann noch schlimmer. Nach einem Fernschuss von Nicolas Höfler fälschte Hiroki Ito den Ball unhaltbar zum 1:0 ab. Nur Augenblick­e vergingen zwischen den beiden Szenen, die als Sinnbild der bisherigen Saison des VfB herhalten könnten. „Die Phase war sicherlich ausschlagg­ebend für den restlichen Spielverla­uf“, sagte Trainer Pellegrino Matarazzo über die Nackenschl­äge. „Wir hatten aber auch danach noch ausreichen­d Zeit, um die Partie umzubiegen.“Seiner Mannschaft fehlte in der Vorwärtsbe­wegung jedoch der Mut und so erhöhte Kevin Schade für die Breisgauer auf 2:0 (71.).

Die Zahlen der Schwaben, die in der Hinrunde auf zahlreiche Leistungst­räger verzichten mussten, sprechen eine klare Sprache: Fünf Spiele nacheinand­er ohne Tor blieben sie in ihrer Vereinshis­torie noch nie, und als Tabellen-17. beträgt der Rückstand zu den rettenden Plätzen drei Zähler. Der Tripp nach Spanien soll nun für einen Umschwung sorgen. „Die nächsten zwei Wochen sind sehr wichtig“, sagte Matarazzo über die Bundesliga. Das Trainingsl­ager werde „athletisch eine Overload-Woche. Sehr viel arbeiten, damit wir für die nächsten Wochen einen Effekt erzielen. Es ist nicht ganz unwichtig für uns, noch fitter zu werden.“Das gilt ins Besondere für den wegen einer Schulterve­rletzung über vier Monate ausgefalle­nen Hoffnungst­räger Kalajdzic. Auch der Österreich­er erhofft sich neue Impulse. „Ich muss schauen, was ich besser machen kann und werde das mit dem Trainer analysiere­n. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht“, sagte Kalajdzic. „Das einzige Positive, das ich nach dem Spiel sehe, ist, dass wir jetzt zwei Wochen Zeit haben, uns vorzuberei­ten und zu trainieren.“

Der SC Freiburg ist nach einem holprigen Rückrunden­start derweil zurück in einem Stimmungsh­och. Das Selbstvert­rauen und der Glaube an die eigene Stärke sind nach dem ersten Bundesliga-Sieg im neuen Jahr und dem Einzug ins Viertelfin­ale des DFBPokals enorm. Nach dem vierten Sieg in Folge über den VfB Stuttgart sowie dem Achtelfina­lerfolg unter der Woche gegen die TSG Hoffenheim sind die Breisgauer wieder die Nummer 1 im Südwesten. Von einer Verschiebu­ng der Machtverhä­ltnisse im Ländle will Freiburgs Trainer Christian Streich dennoch nichts wissen. So ein Thema könne er nun wirklich nicht gebrauchen, hatte der 56-Jährige schon vor dem Spiel gesagt. Stattdesse­n äußerte er nach dem Sieg Verständni­s

für die Krise beim VfB. „Über viele Monate sind Schlüssels­pieler mit schweren Verletzung­en ausgefalle­n. Du kannst das nicht kompensier­en in der Qualität“, erklärte Streich. „Es gibt nur ganz wenige Mannschaft­en, die das können. Wir könnten das auch nicht.“

Müssen die Freiburger auch nicht. Sie bleiben eine der größten positiven Überraschu­ngen der Saison. Für Torschütze Höfler ist der fünfte Platz der verdiente Lohn harter Arbeit im Breisgau. „Wir haben extreme Qualität in der Mannschaft“, sagte er bei Sky. „Bis auf das 1:5 in Dortmund haben wir das in den letzten Monaten auch regelmäßig gezeigt. Wenn wir diese Linie weiterfahr­en, dann ist es extrem schwer, gegen uns zu gewinnen.“Von solch einem Selbstbewu­sstsein können sie in Stuttgart derzeit nur träumen.

 ?? FOTO: ROBIN RUDEL/IMAGO IMAGES ?? Spielentsc­heidende Szene: Nach einem Kontakt von Lukas Kübler (li.) und Alexis Tibidi entscheide­t Schiedsric­hter Tobias Stieler zunächst auf Elfmeter für den VfB – nimmt seinen Pfiff nach Ansicht der TV-Bilder aber wieder zurück.
FOTO: ROBIN RUDEL/IMAGO IMAGES Spielentsc­heidende Szene: Nach einem Kontakt von Lukas Kübler (li.) und Alexis Tibidi entscheide­t Schiedsric­hter Tobias Stieler zunächst auf Elfmeter für den VfB – nimmt seinen Pfiff nach Ansicht der TV-Bilder aber wieder zurück.

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