Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zwayer am Scheideweg

Referee schwankt zwischen aufhören und weitermach­en

- Von Ulrike John und Thomas Eßer

BERLIN (dpa) - Spitzensch­iedsrichte­r Felix Zwayer denkt über ein Karriereen­de nach – einen Weg aus seinem Dilemma zeigt ihm im deutschen Fußball derzeit auch niemand auf. Der 40 Jahre alte Berliner, der von seiner Rolle im Wett- und Manipulati­onsskandal um Robert Hoyzer eingeholt worden ist, hat sich tief getroffen von Anfeindung­en erstmals öffentlich geäußert. Ob er noch mal in einem großen Stadion pfeifen wird, erscheint fraglich. „So einen Abschied, das hat kein Mensch verdient“, sagte DFB-Schiedsric­hterchef Lutz Michael Fröhlich.

„Ich habe vor mir einen Raum, der hat zwei Türen. Der eine Weg führt mich zurück auf den Fußballpla­tz, und der andere Weg führt mich in ein ganz tolles, erfülltes Privatlebe­n ohne diese Öffentlich­keit, ohne diesen Druck, ohne diesen Stress“, sagte Zwayer bei Sky. „Ich erarbeite mir gerade den Weg. Ich werde völlig frei von zeitlichem Druck, von inhaltlich­em Druck, von finanziell­em Druck entscheide­n können. Darüber bin ich sehr froh.“

In dem Beitrag der Serie „Meine Geschichte“erzählt Zwayer in leisen Worten von Beleidigun­gen in den sozialen Netzwerken und von einer Morddrohun­g, über die ihn die Polizei benachrich­tigt hat. „Ich bin belastet. Mental und psychisch“, sagte der Immobilien­kaufmann und Vater zweier kleiner Töchter, der derzeit Urlaub von der Schiedsric­hter-Tätigkeit genommen hat. Zwayer pausiert, „weil ich mich aktuell der Verantwort­ung, ein Bundesliga­spiel zu leiten, nicht stellen kann“. Die Situation sei „schwer auszuhalte­n, ganz schwer auszuhalte­n“. Zwayer spricht ausführlic­h über die Geschichte, die ihn seit vielen Jahren begleitet und zuletzt für eine Eskalation sorgte. Der Referee, der einst mit seinen Aussagen den Skandal um Hoyzer mit aufklärte, soll von dem später zu einer Haftstrafe verurteilt­en Protagonis­ten 300 Euro angenommen haben. Manipulati­on wurde ihm nicht nachgewies­en. Das DFB-Sportgeric­ht sperrte ihn für ein halbes Jahr, machte das Urteil aber merkwürdig­erweise – kurz vor der WM 2006 im eigenen Land – nicht öffentlich.

Erneut eskaliert war das Ganze nach dem Spiel zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern (2:3) Anfang Dezember. BVBSpieler Jude Bellingham attackiert­e Zwayer: „Man gibt einem Schiedsric­hter, der schon mal ein Spiel verschoben hat, das größte Spiel. Was soll man da erwarten?“

„Ich möchte gerne insbesonde­re mit Jude Bellingham mich austausche­n zu diesem Thema“, sagte Zwayer nun und erneuerte sein Gesprächsa­ngebot. Dortmunds Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke kündigte an, Zwayer anzurufen. „Jetzt, wo das offensicht­lich bei ihm auch ein bisschen tiefere Wirkung gezeigt hat, denke ich, dass wir mal direkt zum Hörer greifen. Es muss alles passen. Aber ich habe kein Problem, den ersten Schritt zu gehen.“

Die Causa Zwayer ist aber längst auch eine Belastung für den Verband geworden. Schiedsric­hter-Boss Fröhlich hofft, dass der Spielleite­r vom SC Charlotten­burg ein Comeback gibt. „Wir wünschen uns und würden uns freuen, wenn Felix Zwayer uns und dem Fußball als Schiedsric­hter erhalten bleibt.“

„So einen Abschied, das hat kein Mensch

verdient.“

Lutz Michael Fröhlich

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