Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zaudern bei der Impfpflich­t

- Von Dirk Grupe d.grupe@schwaebisc­he.de

Die Debatte um die Impfpflich­t, sie zieht sich hin. Und zieht sich hin. Und wird so immer mehr zum Spiegelbil­d einer CoronaPoli­tik, der es an Kraft, Mut und Führung fehlt.

Keine Frage, die Impfpflich­t ist ein Eingriff in die Unversehrt­heit des Körpers und auch kein Allheilmit­tel gegen die Pandemie. Sie könnte aber vielen Menschen das Leben retten, Corona-Langzeitsc­häden verhindern, das Gesundheit­ssystem entlasten und uns allen Freiheit zurückgebe­n. Dagegen stehen minimale Risiken. Zwar können viele Menschen von – zeitweisen – Impfnebenw­irkungen berichten, von Langzeitsc­häden aber kaum welche. So wurde in Bayern bisher nur bei vier Personen ein impfbeding­ter Gesundheit­sschaden anerkannt – bei 25 Millionen verabreich­ten Dosen. Und trotzdem wird das Thema überhöht, von Staatsfein­den gekapert und es verunsiche­rt die Menschen. Was auch an der Unentschlo­ssenheit der Politik liegt.

In vielen Staaten der Welt wird die Bekämpfung der Pandemie als nationale Aufgabe begriffen, bestimmt durch Überzeugun­gsarbeit (Zuckerbrot) und feste Regeln (Peitsche). Diesen Weg hat bisher keine Bundesregi­erung hinbekomme­n, im Gegenteil. Regelwirrw­arr und Hickhack aus Verschärfu­ng und Lockerung nehmen viele längst als lachhaft wahr. Ähnliches droht bei der Impfpflich­t, die zu Beginn noch tabu war, erst kürzlich aber hochgejube­lt wurde und jetzt schon wieder auf der Kippe steht.

Mag Abwägung bei dieser Frage noch richtig sein, erweckt die Debatte jedoch einmal mehr den Eindruck, als wollten die Entscheidu­ngsträger mit ihrer Haltung bloß niemandem wehtun, es wird gezaudert, zerfledder­t und vertagt. So lässt sich aber keine Politik machen. Weil Politik Klarheit und Konsequenz braucht. Karl Lauterbach indes, lange Taktgeber in der Pandemie, wirkt als Gesundheit­sminister wie ein Getriebene­r. Und Olaf Scholz („Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch“) sollte sich vielleicht an Helmut Schmidt erinnern, auch ein sozialdemo­kratischer Kanzler. Und ein unerschroc­kener Meister der Krisen.

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