Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das Zeitalter der Eisschwimm­er

- Untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Fürwahr, es sind eitle Zeiten. Kaum ein Mensch, der nicht gerne ein bisschen berühmt sein möchte. Manche probieren es mit avantgardi­stischem Geigenspie­l, was insbesonde­re in Übungsphas­en bei der Nachbarsch­aft nicht nur Beifallsst­ürme auslöst. Andere versuchen sich an der Poesie, kommen aber über die Qualitäten eines „Zickezacke, Zickezacke, hoi, hoi, hoi!“kaum hinaus. Wieder andere verlegen sich auf Leibesertü­chtigung, um Aufmerksam­keit zu erheischen.

Dazu gehört auch die bei sinkenden Temperatur­en allüberall an die

Tümpel der Republik drängende Spezies des Eisschwimm­ers, wobei damit ausdrückli­ch nicht der hübsch blau-orange gefiederte Eisvogel gemeint ist. Während sommers die Konkurrenz an den Seen zu groß wäre, die Strände zu voll, um durch simples Badengehen für eine Schlagzeil­e zu sorgen, nutzen diese Personen die in der Regel ungünstige Witterung aus, um doch noch ein bisschen Rampenlich­t abzubekomm­en. Dabei ist der Begriff Eisschwimm­er naturgemäß vollkommen irreführen­d. Denn Eis kann man vielleicht schlecken, man kann darüber laufen oder es ins Erfrischun­gsgetränk tun. Aber schwimmen geht nur, wenn’s getaut ist. Aber von Tauschwimm­ern hat noch nie jemand etwas gehört.

Es gibt eine Menge Menschen, die es morgens vorziehen, statt warm sehr kalt zu duschen. Aber nur die Wenigsten unter ihnen kommen auf die Idee, die Öffentlich­keit davon in Kenntnis zu setzen. An ihnen sollten sich Eisschwimm­er ein Beispiel nehmen. Oder es ersatzweis­e mal mit Geigenspie­l versuchen. Oder doch lieber mit Poesie. (nyf )

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FOTO: V. GERDO/IMAGO IMAGES Man kann alles übertreibe­n, sogar die Eisschwimm­erei – wie hier im frostigen Moskau.

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