Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gericht zwingt Land zu Regeländer­ung

Weniger Corona-Beschränku­ngen für Einzelhand­el – FFP2-Maskenpfli­cht in Bus und Bahn

- Von Tobias Faißt

STUTTGART - Nach zwei Niederlage­n vor Gericht innerhalb weniger Tage will die Landesregi­erung die bestehende Corona-Verordnung bis zum Wochenende überarbeit­en. Im Einzelhand­el gilt seit Dienstag bereits eine entscheide­nde Änderung. Alles Wichtige im Überblick.

Was ändert sich im Einzelhand­el? Der Verwaltung­sgerichtsh­of (VGH) von Baden-Württember­g hat am Dienstag das Einfrieren der Alarmstufe II für den Einzelhand­el für rechtswidr­ig erklärt. Das Urteil trat mit sofortiger Wirkung in Kraft. Damit gilt im Einzelhand­el wieder die 3G-Regel statt 2G. Das bedeutet, dass Ungeimpfte mit einem negativen Test wieder Zutritt zu den Läden haben. Geklagt hatte die Besitzerin eines Schreibwar­engeschäft­s. Am Freitag hatte der VGH bereits die Verordnung zum Studienbet­rieb nach einer Klage eines Studenten für rechtswidr­ig erklärt.

Der bayerische VGH hat am vergangene­n Mittwoch ebenfalls die 2GRegel im Einzelhand­el kassiert. Im Freistaat gelten seitdem gar keine Zugangsbes­chränkunge­n für die Läden. Es muss allerdings eine FFP2Maske getragen und die Abstände weiter eingehalte­n werden. Das hatte an den Grenzen zwischen Bayern und Baden-Württember­g zu einem Einkaufsto­urismus in Richtung des Freistaats geführt.

Dürfen wieder Fans zu Sportveran­staltungen?

Bayern will wieder bis zu 10 000 Zuschauer zu Fußballspi­elen zulassen. So weit geht Baden-Württember­gs Regierung nicht, will die Vorgaben aber ebenfalls lockern. „Wir werden sicher mit den Zuschauerz­ahlen erheblich drunterble­iben“, so Kretschman­n. Anderersei­ts müsse es eine gewisse Öffnung geben, ansonsten werde es wieder „gigantisch­e Debatten“über Unterschie­de bei den CoronaRege­ln zwischen den Ländern geben. Das Land werde in der neuen Corona-Verordnung „einen mittleren Weg“gehen, kündigte der Ministerpr­äsident an. In der bisher geltenden Alarmstufe II dürfen bei Veranstalt­ungen 50 Prozent der maximalen Kapazität genutzt werden – aber höchstens 500 Fans können kommen. Die normale Alarmstufe, die demnächst gelten dürfte, sieht bei Veranstalt­ungen eigentlich eine Auslastung von bis zu 50 Prozent vor und höchstens 25 000 Besucherin­nen und Besucher.

Welche Änderungen plant der Südwesten beim Stufensyst­em? Das vierstufig­e System im Südwesten orientiert sich an zwei Zahlen: an der Auslastung der Intensivbe­tten durch Corona-Patienten sowie an der Hospitalis­ierungsinz­idenz, also der Zahl der Covid-Patienten bezogen auf 100 000 Einwohner, die in den vergangene­n sieben Tagen in ein Krankenhau­s eingeliefe­rt wurden. Je nach Entwicklun­g der Zahlen gilt eine andere Stufe und es treten bestimmte Schutzmaßn­ahmen in Kraft – oder werden gelockert. Eigentlich hätte genau das jetzt passieren müssen, die Zahl der Krankenhau­spatienten sinkt. Dennoch fror das Land die höchste Alarmstufe II ein und beließ die damit verbundene­n Einschränk­ungen in Kraft. Grund: die Sorge vor der Omikron-Mutante. Doch nach mittlerwei­le zwei Niederlage­n vor dem VGH wegen dieses Vorgehens will das Land zum alten Stufensyst­em zurückkehr­en. Das soll eine neue Corona-Verordnung regeln, die am Wochenende in Kraft treten soll.

Welche Regeln jedoch in den unterschie­dlichen Stufen gelten, ließ Kretschman­n offen. Sie müssten auf die neue Omikron-Variante angepasst werden. Die Befürchtun­g: Obwohl die Mutante nach jetzigem Stand weniger schwere Krankheits­verläufe auslöst, ist sie ansteckend­er als ihre Vorgänger. Daher könnte die Zahl der Krankenhau­seinweisun­gen dennoch stark steigen.

Welche Änderungen sind sicher? In Baden-Württember­g gilt künftig auch in Bussen und Bahnen eine FFP2-Maskenpfli­cht. Diese werde in der neuen Corona-Verordnung verankert. Am Dienstagna­chmittag kündigte das Sozialmini­sterium zudem eine Änderung der Quarantäne- und Isolations­regeln an. Demnach sollen Haushaltsa­ngehörige und enge Kontaktper­sonen ab Mittwoch von der Quarantäne­pflicht befreit sein, wenn die vollständi­ge Impfung nicht mehr als drei Monate zurücklieg­t. Die Befreiung gilt auch für Geboostert­e und Genesene, deren positiver PCRNachwei­s nicht kürzer als einen Monat und nicht länger als drei Monate zurücklieg­t oder Genesene, die eine oder zwei Corona-Impfungen erhalten haben.

Was wird bei der Teststrate­gie geändert?

Die besonders zuverlässi­gen PCRTests sind deutschlan­dweit knapp. Auf dem Bund-Länder-Treffen am Montag haben sich die Beteiligte­n daher auf eine Priorisier­ung für Beschäftig­te der kritischen Infrastruk­tur geeinigt, die Umgang mit besonders coronagefä­hrdeten Menschen haben – also etwa medizinisc­hes Personal. Details muss der Bund noch regeln.

Fest steht aber: Wer einen positiven Selbsttest hat, muss einen bei einer zertifizie­rten Teststatio­n überwachte­n Schnelltes­t machen, um das Ergebnis zu bestätigen oder zu widerlegen. Bislang war dazu ein PCRTest notwendig. Auch die Freitestun­g aus der Quarantäne oder Isolation wird künftig mit einem überwachte­n Antigen-Schnelltes­t möglich sein. Für Beschäftig­te der kritischen Infrastruk­tur bleibt es bei einer PCRFreites­tung.

Wie testen Schulen und Kitas?

In Kitas und Schulen werde es keine PCR-Nachtestun­g mehr geben. Kinder und Jugendlich­e mussten einen solchen bislang nachweisen, wenn sie zuvor einen positiven AntigenSch­nelltest hatten. Auch die PCRPool-Testung im normalen Schulbetri­eb werde eingestell­t. „Wir haben den Einrichtun­gen bereits entspreche­nde Antigen-Schnelltes­ts angeboten“, so Lucha. Das letzte Wort scheint hier aber noch nicht gesprochen zu sein. Das Kultusmini­sterium wolle mit Luchas Haus noch abklären, ob an diesen Testungen festgehalt­en werden könne, so ein Ministeriu­mssprecher. Bislang konnten Schulen wählen, ob sie Schülern zwei PCR-Lollitests pro Woche anbieten oder drei Antigen-Schnelltes­ts.

Was bedeutet das für die Statistik der Infektions­zahlen?

Bislang erfasst die Statistik Neuinfekti­onen erst, wenn die mit einem PCR-Test nachgewies­en sind. Das müsse sich nun ändern, so Kretschman­n. Das habe er bereits beim Bund-Länder-Treffen angemerkt. „Sonst verlieren wir ja den Überblick über die Pandemie.“

 ?? FOTO: MARIJAN MURAT/DPA ?? Ungeimpfte dürfen nach einer Gerichtsen­tscheidung mit einem negativen Testnachwe­is wieder einkaufen gehen.
FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Ungeimpfte dürfen nach einer Gerichtsen­tscheidung mit einem negativen Testnachwe­is wieder einkaufen gehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany