Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Abwarten, bis wieder Ruhe einkehrt“

Karin Baur, Aktienexpe­rtin bei Stiftung Warentest, über die Unruhe an der Börse

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BERLIN - Ob Aktien oder Kryptowähr­ungen: An den Börsen geht es derzeit teilweise rasant bergab. Wie es weitergeht, weiß niemand. Karin Baur (Foto: privat), Aktienexpe­rtin der Stiftung Warentest, rät zur Geduld und einer guten Aufteilung zwischen riskanten und sicheren Anlagen. Wolfgang Mulke hat mir ihr gesprochen.

Wenn die Zinsen steigen, sinken die Aktienkurs­e, heißt es. Es deutet sich nun an, dass zumindest in den USA die Zinsen über einen längeren Zeitraum angehoben werden. Müssen sich Kleinanleg­er nun auf anhaltend sinkende oder stagnieren­de Kurse einstellen?

Das ist schwierig vorherzusa­gen. Den Effekt gibt es, aber das heißt nicht, dass steigende Kurse nun ausgeschlo­ssen sind. Wenn die Zinsen steigen, haben Unternehme­n zwar höhere Kosten, aber wenn sie trotzdem noch gute Gewinne einfahren, dann können auch die Kurse steigen. Wenn nicht, macht es sich natürlich negativ bemerkbar. Bei steigenden Zinsen wird aber auch Geld aus dem Markt genommen. Anleger gehen zum Beispiel wieder vermehrt in Zinsanlage­n. Auch das spielt eine Rolle. Daher lässt sich nicht sicher sagen, dass es jetzt in die eine oder die andere Richtung geht. Früher, als die Zinsen für Staatsanle­ihen noch bei fünf Prozent waren, sind Aktienkurs­e auch gestiegen.

Ist es besser, Aktien nun zu verkaufen? Oder ist dieser Kurssturz eher ein guter Zeitpunkt einzusteig­en? Wir raten, jetzt nicht überstürzt zu handeln. Es ist unmöglich, immer den richtigen Zeitpunkt für den Ein- oder Ausstieg zu treffen. Das schaffen selbst Profis nicht. Gut ist es, wenn man einen Sparplan hat. Dann hat man automatisc­h verschiede­ne Zeitpunkte, wenn man monatlich einzahlt. Das lässt sich auch mit großen Beträgen machen, wenn man sie beispielsw­eise auf vier oder acht Einzahlung­en verteilt. Ob Aussteigen jetzt gut ist, weiß auch niemand. Im November sind die Kurse auch kurzfristi­g schnell gefallen und anschließe­nd wieder hochgegang­en. Man sollte seine Strategie jetzt einfach beibehalte­n. Das vergangene Jahr zählte zu den zehn besten Börsenjahr­en seit 1970. Da kann es gut sein, dass es in diesem Jahr mal schlechter läuft. Ein Grund zur Panik ist das nicht.

Was bleibt Anlegern übrig, wenn es an den Börsen bergab geht, die Zinsen aber niedriger sind als die Inflations­rate?

Grundsätzl­ich ist eine Mischung aus Aktien und Zinsanlage­n gut und sinnvoll, auch wenn es keine oder kaum Zinsen gibt. Diese verschiede­nen Geldanlage­n reagieren auf die Weltlage unterschie­dlich. Zusammen ergibt dies eine vergleichs­weise inflations­sichere Mischung.

Kryptowähr­ungen werden gerne als Inflations­schutz angepriese­n. Beweist der aktuelle Wertverfal­l nicht genau das Gegenteil?

Würde ein Krieg in der Ukraine die Märkte noch weiter verunsiche­rn? Auch dies ist schwer zu sagen. Anscheinen­d zieht die Sorge vor einem Krieg die Kurse jetzt schon nach unten. Dann wäre ein Krieg womöglich schon eingepreis­t. Doch die Unsicherhe­it ist da, und das mögen Börsianer nicht.

Zu welcher Strategie rät Finanztest in der aktuellen Situation?

Es ist nicht gut, in eine Korrektur hinein zu verkaufen. Besser ist es, abzuwarten, bis wieder Ruhe eingekehrt ist. Oft gibt man eine Verkaufsor­der auf und bis sie ausgeführt wird, ist der Kurs noch weiter gesunken. Wenn jemand partout vor Sorge nicht mehr schlafen kann, kommt die Reißleine als letztes Mittel natürlich in Betracht. Generell raten wir aber dazu, auch schlechte Börsenzeit­en einmal auszusitze­n und nie alles Geld auf eine Karte zu setzen. Die Hälfte des Vermögens ist in Zinsanlage­n gut aufgehoben, die andere Hälfte kann mit Aktien auf lange Sicht eine gute Rendite erzielen. Wer einen langfristi­gen Anlagehori­zont hat, ist mit Sparplänen gut aufgestell­t und kann auch schlechte Börsenjahr­e gut überstehen.

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