Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Autonome Fahrgemeinschaft
Die Automobilkonzerne Bosch und VW kooperieren bei der Entwicklung von selbstfahrenden Autos – Erste Funktionen schon nächstes Jahr
STUTTGART/WOLFSBURG (dpa) Auf dem Weg zum selbstfahrenden Auto wollen der VW-Konzern und Bosch die nächsten Schritte gemeinsam angehen. In einer Kooperation soll eine Softwareplattform entstehen, die zunächst teil- und hochautomatisierte Funktionen „massentauglich“macht. Dies könne die Basis für komplexere Anwendungen bis hin zum vollautomatisierten Fahren schaffen, kündigten beide Partner an.
„Erste Funktionen sollen schon im kommenden Jahr für Kunden nutzbar sein“, sagte VW-Finanzvorstand Arno Antlitz am Dienstag. Vorerst geht es um das Level-2-Niveau – also ohne ständiges Steuern des Fahrers – sowie Level 3, wobei der Computer etwa auf der Autobahn für längere Zeit übernimmt. Zudem prüfe man „Entwicklungsziele und Zeitpläne“in Richtung Level 4 – dann kann der Fahrer zum bloßen Passagier werden.
Bei den Niedersachsen kümmert sich die Softwaretochter Cariad um das Thema. Ziel ist es, Programmcodes und Automatisierungstechnologien öfter selbst herzustellen, statt von Zulieferern einzukaufen. In der ersten Etappe sollen die Systeme aus der Zusammenarbeit mit Bosch in Modellen des VW-Konzerns eingesetzt werden – mit Funktionen, „bei denen Fahrer die Hände zeitweise explizit vom Lenkrad nehmen können“, wie es hieß. Später will Bosch sie auch für andere Anbieter öffnen.
Cariad-Chef Dirk Hilgenberg erklärte, es gehe nicht allein um Technik für die Oberklasse: „Wir wollen sie für jeden verfügbar machen. Und wir meinen wirklich: für jeden.“Zum Start werde ein wesentlicher Schwerpunkt zwar das Projekt Artemis sein, in dem Audi mit Porsche und Bentley einen „Tesla-Fighter“ entwickelt. Bald danach sollen weitere VW-Konzerntöchter jedoch ebenfalls eingebunden werden.
Über 1000 Expertinnen und Experten von Bosch und Volkswagen beginnen den Angaben zufolge nun mit der Umsetzung. Zur Investitionshöhe und zu möglichen Folgen für andere Lieferanten wie Continental wollten sich beide Partner nicht näher äußern.
Bis Ende 2026 steckt der VWKonzern rund 30 Milliarden Euro allein in Digitalisierung und Automatisierung. Aus Unternehmenskreisen verlautete, Cariad sehe sich „nicht als reinen Vermittler zwischen Konzern und Zulieferern. Wir können uns nicht mehr nur darauf verlassen, Lösungen zuzukaufen und Software von Dritten mühsam in unsere Architektur zu integrieren, ohne in die Lösung hineinschauen zu können.“
Man bleibe allerdings offen für Kooperationen, Zukäufe oder externe Beschaffung. Im Laufe des Jahres dürfte es „weitere Neuigkeiten in diesen Feldern“geben. Die Zusammenarbeit mit Bosch sehen die Wolfsburger
als Ergänzung zum bestehenden US-amerikanischen Partner Argo AI – dort geht es um vollkommen autonome Fahrzeuge (Level 5) ganz ohne Fahrer.
Bosch-Manager Mathias Pillin hält die große Menge nutzbarer Daten aus der VW-Flotte für geeignet, um Künstliche Intelligenz (KI) gründlich auf die Übernahme zusätzlicher Aufgaben im Auto trainieren zu können: „Wir haben so Zugriff auf eine riesige Sammlung von Mobilitätsdaten, die wir erweitern und verbessern werden.“
Hilgenberg meinte mit Blick auf den US-Rivalen Tesla, der bei Fahrzeugvernetzung und Steuerungstechnik als führend gilt: „Die Partnerschaft wird uns helfen, erheblich an Tempo zu gewinnen.“Bei der Ausrüstung von Batteriezellfabriken für Elektroautos bereiten Bosch und VW derzeit ein mögliches Gemeinschaftsunternehmen vor.