Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die letzten 13 beweisen Moral
Dezimierte Handballer sorgen mit Sieg über Russland für versöhnlichen EM-Abschied
BRATISLAVA (SID) - Deutschlands Handballer hüpften erst ausgelassen im Kreis und genossen dann völlig ausgepumpt den Beifall der mitgereisten Fans. Alfred Gislason geriet nach dem kleinen Coup zum Abschluss einer verrückten EM kurzzeitig gar ins Schwärmen. „Das sagt alles über den Charakter der Mannschaft“, bekräftigte der Bundestrainer nach dem 30:29 (16:12) gegen Russland, einem versöhnlichen Abschluss eines denkwürdigen Turniers.
Das 13-köpfige Rumpfteam des Deutschen Handballbundes (DHB) zeigte bei seinem letzten Auftritt in Bratislava großen Willen, große Leidenschaft – und auch große Qualität. Die Partie entschied Linksaußen Patrick Zieker zwölf Sekunden vor dem Ende. „Das ist eine wahnsinnige Erleichterung“, sagte der Siegtorschütze.
Mit dem Gefühl war er nicht allein. „Das war ein unvergesslicher Abschluss eines unvergesslichen Turniers“, sagte Spielmacher Philipp Weber: „So ein Spiel haben wir für unseren Kopf gebraucht. Wir haben so viel Mist erlebt in den vergangenen Tagen. Das gibt uns einfach Kraft.“Auch Kapitän Johannes Golla sprach von einem „guten Gefühl“und blickte optimistisch nach vorn: „Wir können nach dem Turnier positiver in die Zukunft blicken als vor dem Turnier.“Der Kreisläufer war mit sechs Toren der erfolgreichste deutsche Werfer.
Die Leistung des DHB-Teams war nicht hoch genug zu bewerten. Am Ende des Turniers hatte die DHB-Auswahl mit insgesamt 15 Corona-Fällen schließlich mehr Infektionen zu beklagen als einsatzfähige Spieler zur Verfügung. Am Mittwoch werden neben zehn Nachrückern nur vier jener 17 Spieler in den Charterflieger nach Frankfurt klettern, die exakt zwei Wochen
zuvor voller Vorfreude die EMMission angetreten hatten. „Man hat gesehen, dass einige Spieler völlig am Ende waren. Mit dieser Mannschaft hätten wir kaum noch ein Spiel spielen können“, sagte Gislason im ZDF.
Das war gegen Russland kaum zu spüren. Golla ging in der Abwehr und im Angriff mit großem Einsatz voran. Zudem stachen Torhüter Daniel Rebmann mit tollen Paraden sowie Rückraumspieler Paul Drux mit guter Übersicht heraus.
Ob Deutschland die unter Extrembedingungen ausgetragene EM auf dem siebten oder achten Platz beenden wird, hängt von den Ergebnissen der Gruppe 1 am Mittwoch ab.