Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Das Warten auf befriedigende Antworten
Bayern erlaubt wieder bis zu 10 000 Zuschauer – Unmut der Sportligen über Politik wächst
FRANKFURT (SID) - Bei Bayern München dürfen wieder 10 000 Fans in die Arena – doch das Zuckerl von Markus Söder nach dem Shitstorm der Fußball-Bosse reicht dem Profisport bei Weitem nicht. Sollte die Politik bei der Zuschauerfrage bis zur ausgerufenen Deadline am 9. Februar keine befriedigende Antwort geben, droht der Sport endgültig auf Konfrontationskurs zu gehen. Von Nicht-Beschlüssen wie bei den Beratungen von Bund und Ländern am Montag haben die um ihre Existenz kämpfenden Ligen jedenfalls die Nase voll.
Allen voran die Deutsche Fußball Liga (DFL) möchte höchstens noch zwei Wochen die Füße still halten. Es sei „weiterhin nicht nachvollziehbar, dass der Profisport aktuell an vielen Stellen objektiv schlechter gestellt ist als andere Lebensbereiche“, sagte DFL-Chefin Donata Hopfen: „Wir gehen davon aus, dass bis zum 9. Februar konkrete Lösungsansätze vorliegen – und sind gerne bereit, daran mitzuarbeiten.“
Ähnlich argumentierte die Spitze der Handball-Bundesliga (HBL). Es herrsche „eine große und den Sport insgesamt gefährdende Situation, die zudem eine Ungleichbehandlung gegenüber vielen anderen Bereichen darstellt“, sagte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann: „Wir hoffen, dass wir die Ministerpräsidenten zur nächsten MPK-Sitzung zu einer lebensgerechten und allen Umständen gerecht werdenden Entscheidung bewegen können.“Auch die Volleyball-Bundesliga (VBL) sieht den 9. Februar als entscheidendes Datum. Bis dahin eine „einheitliche Regelung für überregionale Großveranstaltungen festzulegen, ist uns ein wichtiges Anliegen“, meinte VBL-Geschäftsführer Daniel Sattler: „Wir betonen nachdrücklich, dass der Sport bei der Ausarbeitung dieser Konzepte nicht schlechter gestellt werden darf als andere Veranstaltungsbranchen.“
Bund und Länder hatten am Montag beschlossen, dass es beim Status quo der Corona-Maßnahmen bleiben und die Zuschauerfrage für den Profisport erst am 9. Februar einheitlich geklärt werden soll. Die Absprachen der
Spitzenpolitik hielten allerdings wie gewohnt nicht lange, es wird bereits munter am x-ten Flickenteppich gewerkelt. Dabei drängt es Söder wieder einmal in die Rolle des Vorreiters. Bayerns Ministerpräsident, der erst vor zwei Monaten alle Fans aus den Stadien und Hallen des Freistaats verbannt hat, sieht nun trotz der ausufernden Omikron-Welle und ihren noch nicht absehbaren Folgen die Zeit für Lockerungen in seinem Bundesland gekommen.
Deshalb dürfen in Bayern ab Donnerstag wieder 25 Prozent der Kapazitäten in den Stadien und Hallen genutzt werden – allerdings bei einer gedeckelten Besucherzahl von höchstens 10 000. Für die Fans gilt die 2G-Plus-Regel (geimpft oder genesen und zusätzlich getestet oder geboostert), außerdem müssen sie eine FFP2-Maske tragen. Söder plädierte zudem für bundesweit einheitliche Regeln.
Doch davon ist Deutschland weit entfernt. Die verschiedenen Modelle der Länder reichen derzeit von null
Zuschauern bis zu einer Auslastung von 50 Prozent. Es ist davon auszugehen, dass die Landesregierungen wie in der Vergangenheit im Anschluss an die Bund-Länder-Runde ihre Regeln nachjustieren – sodass am Ende wieder nur ein neuer Flickenteppich entsteht. Selbst wenn die Staats- und Senatskanzleien bis zum 9. Februar eine einheitliche Regelung vereinbaren, spricht die Erfahrung aus zwei Jahren Pandemie dafür, dass eine solche für alle geltende Vereinbarung nicht lange Bestand haben wird.
Der Profisport will das nicht mehr hinnehmen. Vor allem aus dem Fußball wird die Kritik immer lauter. „Das ist jetzt absolut überhaupt nicht mehr verhältnismäßig. Es ist rational nicht mehr erklärbar“, sagte Alexander Wehrle, Geschäftsführer des 1. FC Köln, im Kölner Talk „Loss mer schwade“. Die Profi-Clubs der Bundesliga hätten in den vergangenen Monaten die Tragfähigkeit ihrer Hygiene-Konzepte nachgewiesen. „Wenn man mir jetzt rational erklären will, dass man unter freiem Himmel keine 10 000 oder 15 000 Menschen mit Abstand ins Stadion lassen kann, weil dann Hotspots entstehen, dann frage ich: Welche Hotspots denn? In den vergangenen Monaten haben wir doch bewiesen, dass bei Großveranstaltungen, auch beim Eishockey, Handball, Basketball, in der Kultur, eben keine Infektionsketten entstanden sind“, sagte Wehrle, der im Frühjahr Thomas Hitzlsperger als Vorstandsvorsitzenden beim VfB Stuttgart ablösen wird. Er begrüßte, dass Bundesliga-Rivale Borussia Dortmund rechtliche Schritte erwägt: „Da stehen wir Seite an Seite mit dem BVB.“
Die Hoffnung auf den 9. Februar könnte für den Sport allerdings trügerisch sein. Bis dahin werden mehrere Hunderttausend Fälle pro Tag erwartet.
Sollten die Krankenhäuser und die kritische Infrastruktur zu diesem Zeitpunkt bereits SOS funken, dürfte die Politik keinen Spielraum für Lockerungen sehen – oder bereits umgesetzte wieder zurücknehmen.