Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Waldtraut und ihre Schwestern
Freiburger Douglasie gilt als höchster Wipfel Deutschlands – Besuch zum Tag des Baumes
FREIBURG (epd) - Von den Förstern wird sie liebevoll „Waldtraut vom Mühlwald“genannt: Eine mehr als 110 Jahre alte Douglasie im Freiburger Stadtwald gilt als höchster Baum in Deutschland. Mehr als 67 Meter ist sie hoch, haben Experten der Organisation „Monumental Trees“zuletzt 2019 gemessen. Jedes Jahr legt sie etwa 30 Zentimeter zu.
Waldtraut, das bedeutet starke Herrscherin oder auch waltende Göttliche. Die Pflanzendame wurde 1913 als dreijähriger Nadelbaum auf ein Versuchsfeld im Freiburger Stadtwald gepflanzt, klimatisch günstig gelegen an einem Winterhang. Wer sie besuchen will, muss vom Parkplatz noch etwa 4,5 Kilometer in den Wald hinein laufen.
Die letzten Meter geht es den Hang hinab, ein schmaler Weg führt zu Deutschlands höchstem Baum. Erkennen würde man die Berühmtheit nicht. Nur ein hölzernes Hinweisschild macht auf Waldtraut aufmerksam. Direkt am Stamm steht eine Bank, wer sich zurücklehnt, kann nach oben den Stamm hinauf bis in den Wipfel schauen.
Um Waldtraut herum wachsen ihre Douglasien-Schwesterbäume, weiter oben am Hang stehen Fichten und Tannen. Mit bis zu 36 Metern bleiben die heimischen Fichten, Kiefern
oder Tannen aber deutlich kleiner, sagt Förster Andreas Schäfer.
Das Freiburger Douglasien-Saatgut ist inzwischen wegen seiner guten Qualität sehr begehrt. Im Sommer kletterten Zapfenpflücker in die Wipfel, um die grünen, zylindrischen Zapfen von Hand zu ernten, erzählt Schäfer, pflückt einen Zweig und zerreibt die Nadeln. Sie duften aromatisch nach Zitrus. Der würzige Duft ist in Rasierwassern zu finden, das ätherische Öl soll Stress mindern und befreiend auf Körper und Seele wirken. Gegen Rheuma, Bronchialerkrankungen und Gicht wird es äußerlich angewendet.
Auch das orange-rötliche Holz ist sehr beliebt und strapazierfähig. Es ist nicht nur für Möbel und Parkettböden beliebt, sondern auch als Bauholz und im Außenbereich. Aus wirtschaftlichen Gründen spreche viel für die Douglasie, sagt Schäfer: „Sie ist schlank, hochwüchsig und feinästig, mit wertvollem Holz.“
Douglasien, die im unteren Stammbereich keine Äste haben, kommen aus dem Westen Nordamerikas. Dort werden sie sogar bis zu 100 Meter groß. Vor der letzten Eiszeit war die Douglasie auch in Mitteleuropa heimisch. Der anpassungsfähige Baum kommt auch mit Dürrephasen gut zurecht. Seinen Namen „Douglasie“erhielt der Baum durch den schottischen Pflanzensammler
David Douglas (1799-1834), der ihre Samen nach Europa brachte.
Andreas Schäfer und seine Kollegen wollen den Wald ökologisch und ökonomisch bewirtschaften und damit seine Multifunktionalität erhalten – als Erholungsraum ebenso wie zum Klimaschutz. Der Wald und der Rohstoff Holz speichern viel CO2: „Der Wald ist einer der kostbarsten Schätze, die wir haben.“
Der Klimawandel bereitet den Forstleuten Sorgen. Von der Forderung mancher Naturschützer, die Wälder komplett sich selbst zu überlassen, hält Schäfer nichts. Die natürlichen Zyklen der Natur dauerten zu lange. Forstleute kämen der Natur lediglich zuvor: „Wir greifen ein, bevor ein ganzer Wald vom Borkenkäfer oder anderem zerstört wird.“
Auch im Freiburger Stadtwald gibt es aber Totholzflächen, Bannwälder und Stilllegungen. Das bundesweite Ziel, fünf Prozent der Gesamtwaldfläche aus der forstlichen Nutzung zu nehmen, hält er für richtig. Dies empfiehlt auch die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald mit Sitz in Bonn.
Douglasien wie Waltraud können den Veränderungen des Klimawandels trotzen. Allerdings dürften sie heimische Arten nicht verdrängen, erklärt Schäfer: „Deshalb achten wir auf eine ausgewogene Mischung verschiedener Baumarten.“